Esther Vanhomrigh

Esther Vanhomrigh oder Van Homrigh, bekannt unter ihrem Pseudonym Vanessa (* um 1688; † 2. Juni 1723), war eine Irin niederländischer Abstammung und die langjährige Geliebte und Briefpartnerin von Jonathan Swift.[1] Swifts Briefe an sie wurden nach ihrem Tod veröffentlicht. Ihr fiktiver Name „Vanessa“ wurde von Swift geschaffen, indem er „Van“ aus ihrem Nachnamen nahm und „Esse“, eine Kosenameform ihres Vornamens, hinzufügte. Er führte ihn in seinem 1713 geschriebenen Gedicht Cadenus and Vanessa ein.[2]

Leben

Vanhomrigh war die Tochter von Bartholomew Vanhomrigh, einem niederländisch-irischen Kaufmann aus Amsterdam, der es in Irland zu großem Vermögen brachte. Er wurde 1688 Freeman of the City in Dublin und wurde dann eingebürgert. Von 1697 bis 1698 war er Oberbürgermeister von Dublin. Ihre Mutter, die ebenfalls Esther hieß, war die Tochter von John Stone, einem irischen Finanzkommissar. Sie hatte eine Schwester, Mary (ca. 1696–1721), und zwei Brüder, Ginkell (1694–1710) und Bartholomew jun. (1693–1715). Die Familie wohnte im eigenen Landsitz Celbridge Abbey im County Kildare. Spätestens nach dem Tod des Vaters verfügte Vanhomrigh über ein beträchtliches eigenes Vermögen.[1]

Der Vater starb 1703, und die Familie zog 1707 nach London. Vanhomrigh lernte Jonathan Swift im Dezember desselben Jahres kennen, als die Familie auf dem Weg nach London in Dunstable Halt machte, und hier begann ihre intensive 17-jährige Beziehung.[3] 28 Briefe von Swift an „Vanessa“ (der erste datiert vom 18. Dezember 1711) und siebzehn Entwürfe von Vanhomrighs Briefen an Swift sind erhalten geblieben. Vanhomrigh war 22 Jahre jünger als Swift, und es war von Anfang an offensichtlich, dass er Esther wegen ihrer robusten Eigenschaften bewunderte; er schätzte keine besonders zierlichen Frauen. Vanhomrigh wird als „keine Schönheit“, ein zeitgenössisches Porträt von ihr gibt es allerdings nicht (das berühmte Porträt von Millais aus dem Jahr 1868 ist ein Werk künstlerischer Fantasie). Später wurde Swift ihr Lehrer.[3]

Im Mai 1711 richteten die Vanhomrighs in ihrem Londoner Haus in St. James's ein Zimmer für Swift ein. In dieser Zeit, zwischen 1711 und 1712, besuchte Swift Vanhomrigh manchmal zweimal täglich. In dem von Swift als „Sluttery“ bezeichneten Raum genoss das Paar Privatsphäre, kandierte Orangen und Kaffee. Beide bezeichneten das Kaffeetrinken als Symbol für soziale Intimität, und 1766 vermutete Horace Walpole, dass dies eine verschlüsselte Anspielung auf Geschlechtsverkehr sei.[1]

Die Beziehung der beiden war von vornherein dadurch verkompliziert, dass Swift seit den 1690er Jahren eine ähnliche Beziehung zu Esther Johnson, von ihm „Stella“ genannt, hatte, von der Vanhomrigh nichts wusste. Johnson umgekehrt war von vornherein von Swift in ihrem Briefverkehr über die Verbindung zu Vanhomrigh informiert gewesen, hatte sie aber als „unbedeutend“ eingeschätzt. Vanhomrigh wollte, folgt man den erhaltenen Briefen, mehr als eine bloße Freundschaft. Sie wollte eine leidenschaftliche, sogar sexuelle Beziehung, zu der Swift nicht in der Lage war, und er erwiderte ihre Leidenschaft auch nicht.[1]

Nachdem Swift als Dekan an die St. Patrick’s Cathedral in Dublin gegangen war, folgte Vanhomrigh nach dem Tod ihrer Mutter 1714 ihm nach Irland und kehrte nach Celbridge Abbey zurück. Swift hatte sie gewarnt, dass sie sich nur selten sehen können würden, und Vanhomrigh war unglücklich.[4]

Anfang der 1720er Jahre beichtete Swift Vanhomrigh die Verbindung zu Johnson. Vanhomrigh war von dieser Zurücksetzung schwer getroffen. Sie starb am 2. Juni 1723, wahrscheinlich an Tuberkulose, die sie sich bei der Pflege ihrer Schwester Mary zugezogen hatte, die 1720 an derselben Krankheit gestorben war, wie zuvor schon ihre Mutter. Swift verschwand aus Dublin und unternahm eine zweimonatige Reise durch Südirland.[1]

Ihr hinterbliebenes Vermögen war durch Schulden ihrer Mutter und ihres verschwenderischen Bruders Bartholomew stark belastet. In ihrem Testament ernannte sie den Anwalt Robert Marshall und den Philosophen und späteren Bischof von Cloyne George Berkeley zu Testamentsvollstreckern und gemeinsamen Erben ihres Nachlasses, obwohl sie keinen der beiden Männer gut kannte.[3] Aufgrund der Schulden kam es zu einem langwierigen Rechtsstreit, und ein großer Teil des Nachlasses ging für Gerichtskosten verloren.

Swift wird im Testament von Vanhomrigh nicht erwähnt, vielleicht eine letzte Vergeltungsmaßnahme gegen einen Mann, dessen Vernachlässigung sie dazu brachte, „ein Leben wie einen qualvollen Tod zu führen“.[5] Die Geschichte über die Anweisungen auf ihrem Sterbebett zur Veröffentlichung ihrer Briefe an Swift ist apokryph, aber Marshall und Berkeley begannen dennoch mit dem Veröffentlichungsprozess, bis Swifts Freund Thomas Sheridan intervenierte.[1]

Nachleben

Vanessa, Gemälde von John Everett Millais, 1868

Der präraffaelitische Künstler John Everett Millais malte 1868, über 100 Jahre nach ihrem Tod, ein kunstvolles Porträt von ihr: Vanessa. Das Gemälde zeigt Vanhomrigh mit einem Brief in der Hand, der vermutlich an Swift geschrieben wurde oder von ihm stammt.

Margaret Louisa Woods schrieb einen von ihrem Leben inspirierten Roman mit dem Titel Esther Vanhomrigh (1891).[6]

Elizabeth Myers schrieb 1945 einen Roman mit dem Titel The Basilisk of St. James’s, dessen Protagonist Jonathan Swift ist. Im Mittelpunkt der Handlung steht der persönliche Konflikt, der aus Swifts Beziehungen zu Vanhomrigh und Johnson entstand.[7]

In dem Film Words Upon the Window Pane aus dem Jahr 1994, der auf dem Theaterstück von William Butler Yeats basiert, wird „Vanessa“ von Orla Brady gespielt: Die Handlung dreht sich um eine Séance in Dublin in den 1920er Jahren, bei der die Geister von Swift, Stella und Vanessa erscheinen, um ihren 200 Jahre alten Streit fortzusetzen.[8]

Literatur

  • A. Martin Freeman (Hrsg.): Vanessa and her Correspondence with Jonathan Swift. Selwyn & Blunt, London 1921 (archive.org [PDF]).
  • Evelyn Hardy: The Conjured Spirit, Swift: A Study in the Relationship of Swift, Stella, and Vanessa. Hogarth Press, London 1949.
Wikisource: Esther Vanhomrigh – Quellen und Volltexte (englisch)

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Clive Probyn: Homrigh, Esther Van [known as Vanessa] (1688–1723). In: H. C. G. Matthew und Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography. Oxford 23. September 2004, doi:10.1093/ref:odnb/28090.
  2. „Cadenus“ ist dabei ein Anagramm von „Decanus“, das für Swift selbst steht, der zu der Zeit Dean der St. Patrick’s Cathedral in Dublin war.
  3. a b c Walter Scott: Life of Swift (= Complete Works. Band II). Wells and Lilliy, Boston 1829, S. 148 ff. (com.fj).
  4. The Love Story, Swift and Vanessa. In: Celbridge Swift and Vanessa Festival. Celbridge Heritage and Tourism Forum, 2025, abgerufen am 1. September 2025.
  5. DCLXXXIVG [Scott.], Miss Esther Vanhomrigh to Swift, Celbridge, 1720. In: F. Elrington Ball (Hrsg.): The correspondence of Jonathan Swift, Volume III. G. Bell and Sons, London 1912, S. 444 f. (archive.org).
  6. Margaret Louisa Woods: Esther Vanhomrigh. Heinemann und Balestier, London 1892 (wikimedia.org [PDF]).
  7. Elizabeth Myers: The Basilisk of St. James’s. Chapman and Hall, London 1945.
  8. Words Upon the Window Pane. Internet Movie Database, abgerufen am 1. September 2025.