Ernst Hardt

Ernst Hardt, um 1909, fotografiert von Ludwig Gutmann
Gesammelte Erzählungen, Erstauflage, 1909, Leipzig

Friedrich Wilhelm Ernst Hardt, fälschlich auch Ernst Stöckhardt, (* 9. Mai 1876 in Graudenz, Westpreußen; † 3. Januar 1947 in Ichenhausen bei Günzburg) war ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer, Theater- und Rundfunkintendant.

Leben

Friedrich Wilhelm Ernst Hardt[1] wurde als Sohn des Hauptmanns Ernst Hardt (1845–1883) und seiner Ehefrau Anna Lucie geb. Zaettré (1847–1912) im westpreußischen Graudenz geboren. Auf Wunsch des Vaters besuchte Hardt zur Vorbereitung auf eine Offizierslaufbahn die Kadettenanstalt in Potsdam und danach die Hauptkadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde, die er aber vorzeitig verließ. In Berlin wurde der klassische Archäologe und Kunsthistoriker Botho Graef sein väterlicher Freund und Mentor, der ihn in die Künstler-, Literaten- und Wissenschaftskreise Berlins einführte und ihn auch mit auf seine Reisen nahm. Mit 17 Jahren brach Hardt zu einer fast vierjährigen Studienreise auf, die ihn nach Spanien, Portugal, Griechenland, Marokko und Italien führte. Seine ersten schriftstellerischen und journalistischen Versuche sind in dieser Zeit anzusetzen. Literarische Beiträge von ihm erschienen im Simplicissimus, wo er aus einem Novellen-Wettbewerb als Sieger hervorging, und in Stefan Georges Blättern für die Kunst. 1898 übernahm er die Stelle eines Feuilletonredakteurs der Dresdner Zeitung. Im Jahr darauf heiratete er in Athen Polyxena von Hößlin (1872–1960), eine Tochter des griechischen Rechtsanwalts, Bankiers, Präsidenten der griechischen Abgeordnetenkammer und Ministers Konstantin von Hößlin. 1900 kam die Tochter Donata zur Welt, die Mutter von Cornelia Schmalz-Jacobsen, 1905 der Sohn Prosper (* 20. Mai 1905, † 1. September 1976). Bis 1907 lebte Hardt als freier Schriftsteller abwechselnd in Berlin und Athen.

Umzug nach Weimar

1907 zog Hardt nach Weimar, wo er zuerst als Mieter, dann als Eigentümer im Haus Am Horn 17b lebte, und gehörte bald zu einem Kreis von Künstlern um Großherzog Wilhelm Ernst. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er aus gesundheitlichen Gründen vom Militärdienst freigestellt, engagierte sich aber für die „Weimar-Sammlung“, eine „Kriegsnotstandskasse“ der Deutschen Schillerstiftung. Gleichzeitig wurde er Vorstandsmitglied des „Bundes deutscher Gelehrter und Künstler“ in Berlin und Dolmetscher bei der „Postverkehrsprüfungsstelle“ für Kriegsgefangenenpost in Erfurt, später in Berlin.

Intendant in Weimar

Nach dem Krieg rief Hardt Ende 1918 zur Gründung einer „Demokratischen Partei Großthüringens“ auf, wurde zum stellvertretenden Vorsitzenden der „Deutschen Schillerstiftung“ gewählt und zum kommissarischen Leiter des ehemaligen Hoftheaters bestellt. 1919 wurde ihm schließlich der Posten des Generalintendanten übertragen. Einige Wochen danach wurde das ehemalige Hoftheater in Deutsches Nationaltheater umbenannt. Auf seine Initiative wurde die Deutsche Nationalversammlung nach Weimar einberufen.

Hardt trat in Weimar entschieden für die Errichtung des „Staatlichen Bauhauses“ unter Walter Gropius ein. Als Intendant holte er den jungen Grafiker Friitz Lewy aus Düsseldorf an die Weimarer Bühne. Zusammen entwickelten und gestalteten sie moderne, auf das Notwendigste reduzierte Bühnenbilder. Als Hardt 1926 Intendant des Westdeutschen Rundfunks wurde, machte er Lewy dort zum Chefgrafiker.

Bis ins Persönliche gehende Querelen mit Kritikern, rechtsgerichteter Presse und hypernationalistischen Alldeutschen setzten Hardt so sehr zu, dass er seinen Weimarer Vertrag nicht verlängerte und 1924 die Leitung des Nationaltheaters niederlegte. Bereits 1923 war es zur Trennung von seiner Gattin Polyxena gekommen; die Ehe wurde 1930 geschieden.

Theater- und Rundfunkintendant in Köln

1925 wurde Hardt als Nachfolger von Gustav Hartung zum Intendanten des Schauspielhauses in Köln berufen. Nach mehreren erfolglosen Inszenierungen gab er diese Stelle allerdings schon am Ende der Spielzeit 1925/26 wieder auf. Auf Empfehlung von Konrad Adenauer, damals Oberbürgermeister von Köln, erhielt er die Leitung der neuen „Westdeutschen Rundfunk A.G.“ (WERAG). 1930 heiratete er in zweiter Ehe die Schauspielerin Lou Daenner. Alsbald geriet Hardt wieder ins Visier der rechtsgerichteten Presse. Das in Köln erscheinende NSDAP-Organ Westdeutscher Beobachter schrieb Anfang 1932 über ihn:

„Der Westdeutsche Rundfunk hat sich unter der Intendanz des Herrn Ernst Hardt zu einer Brutstätte pro-bolschewikischer Zersetzungsarbeit entwickelt. Man stelle sich vor: Von den neun Dezernaten des Westdeutschen Rundfunks sind die sieben wichtigsten mit Juden besetzt!“

und griff ihn auch wegen der Höhe seiner Bezüge an.[2]

Die Zeit im „Dritten Reich“

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde Hardt als Leiter des Westdeutschen Rundfunks umgehend beurlaubt, erhielt Hausverbot und wurde nach einigen Wochen entlassen.[3] Einige Monate später wurde er für kurze Zeit inhaftiert und suchte danach Zuflucht im Sankt-Anna-Hospital in Köln-Lindenthal. Hardt beantragte dann die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer, die ihm 1934 gewährt wurde, und veröffentlichte bis Kriegsende Beiträge und Übersetzungen in der Neuen Rundschau und der Europäischen Revue. 1934 kam es zum „Rundfunkprozess“, an dem er infolge seines labilen Gesundheitszustandes nicht persönlich teilnehmen konnte. 1935 wurde er in zwei Anklagepunkten freigesprochen, in einem dritten Punkt wurde das Verfahren eingestellt. Hardt übersiedelte danach nach Berlin. 1938 erhielt er auf Veranlassung Hermann Görings durch die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft eine Abfindung in Höhe von 9000 Reichsmark. 1940 ließ sich Hardt von seiner zweiten Ehefrau Lou scheiden; 1943 übersiedelte er nach Ichenhausen. 1944 heiratete er in dritter Ehe Tilla Schmalhorst.

Letzte Pläne

Nach 1945 nahm Hardt Verbindung zum ehemaligen Reichs-Rundfunkkommissar Hans Bredow und zum britischen Kontrolloffizier beim NWDR Alexander Maaß auf, der vor 1933 Hardts Mitarbeiter in Köln gewesen war. Pläne zur Übernahme einer Rundfunkintendanz in München, Köln oder Hamburg scheiterten aber an der Erkrankung Hardts an Lungenkrebs.

Ernst Hardt starb am 3. Januar 1947 im Alter von 70 Jahren in Ichenhausen. Seine Asche wurde auf der dortigen Wilhelmshöhe verstreut.

Schriftstellerisches Werk

Hardts gesamtes Frühwerk steht im Schatten von Stefan George und seinem Kreis. Von diesem Einfluss konnte sich Hardt zeitlebens nicht wirklich lösen, auch wenn er später Einflüsse von Hugo von Hofmannsthal erfuhr. Dabei kam er dem französischen Symbolismus sehr nahe.

Auszeichnungen

Nachwirkung

Die Stadt Ichenhausen ließ an Hardts letztem Wohnhaus in der Günzburger Straße 31 eine Gedenktafel anbringen und auf der Wilhelmshöhe an der Verbindungsstraße Ichenhausen–Ettenbeuren einen Gedenkstein für ihn errichten. Die Wirtschaftsvereinigung Ichenhausen, die seit 2005 die Erinnerung an Ernst Hardt neu zu beleben sucht, ließ anlässlich seines 130. Geburtstags den Gedenkstein restaurieren und eine Bronzetafel anbringen, auf der Hardts Gedicht „Am letzten Tor“ eingraviert ist:

Am letzten Tor
Sieh da! An diesem Tor steht nun der Ehrenposten
Mit Hippe, Lampe und dem Stundensand.
Noch einmal lass mich Süß und Bitter kosten,
Dann, Wächter, leuchte vor ins unbekannte Land.

Der Ichenhausener Heimatforscher Joseph Reichensperger hat das wohl größte private Ernst-Hardt-Archiv außerhalb des Deutschen Literaturarchivs Marbach zusammengetragen. Anlässlich des 140. Geburtstages am 9. Mai 2016 wurde Reichensperger von den „Freunden des Stadtmuseums Weimar“ zu einem Vortrag „Ernst Hardt in Weimar“ eingeladen. Dabei stellte sich heraus, dass eine von Richard Engelmann 1914/15 geschaffene Gipsbüste Hardts zwischenzeitlich restauriert worden war und sich im Archiv der Moderne in der Bauhaus-Universität Weimar befindet. Seit 2017 ist die Büste in der Dauerausstellung des Stadtmuseums Weimar „Demokratie aus Weimar“ zu sehen.[4]

Anlässlich seines 70. Todestages gedachte der WDR Ernst Hardts mit einer Feierstunde.[5]

Werke (in Auswahl)

Theaterstücke

  • Tote Zeit, 1898
  • Der Kampf ums Rosenrote, 1903
  • Aus den Tagen des Knaben, 1904
  • Ninon von Lenclos, 1905 Digitalisat
  • Tantris der Narr, 1907, Uraufführung Köln 1908
  • Gudrun, 1911
  • Schirin und Gertraude, 1913 (von Paul Graener vertont)
  • König Salomo, 1913
  • Büchners Fragmente Woyzeck und eine textkritische Edition im Besitz des Insel-Verlages hat Ernst Hardt zu einer bühnentauglichen Fassung gebracht.

Erzählungen, Novellen

  • Priester des Todes, Novellen, 1898
  • Bunt ist das Leben, Novellen, 1902
  • Aus den Tagen des Knaben (1904)
  • An den Toren des Lebens, Novelle, 1904
  • Gesammelte Erzählungen (1909)
  • Gedenkreden zum Tode von Otto Brahm (1912) und Joseph Kainz (1910)
  • Die Quelle (ein szenischer Dialog zum 6. Februar 1919, 1. Sitzung der „Weimarer Nationalversammlung“)
  • Der Ritt nach Kap Spartell und andere Erzählungen, 1946
  • Don Hjalmar, 1946

Übersetzungen

Literatur

  • Fritz Adler: Das Werk Ernst Hardts. Bamberg, Greifswald 1921.
  • Birgit Bernard: Den Menschen immer mehr zum Menschen machen. Ernst Hardt 1876–1947. (= Bibliothek des Journalismus 3). Mit einem Nachwort von Fritz Pleitgen. Klartext Verlag, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-1121-5.[6]
  • Heinz Neuberger: Ernst Hardt. Zu seinem 50. Geburtstag am 9. Mai, in: Badischer Beobachter Nr. 127, 9. Mai 1926, S. 4.
  • Dietmar N. Schmidt: Hardt, Friedrich Wilhelm Ernst. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 667 f. (Digitalisat).
  • Werner Schulze-Reimpell: Ernst Hardt. Dichter auf dem Intendantenstuhl. Nachrichtenamt der Stadt Köln, Köln 1976 (= Kölner Biographien; 7).
  • Harry Schumann: Ernst Hardt und die Neuromantik. Ein Mahnruf an die Gegenwart. Kühnel, Lötzen 1913.
  • Susanne Schüssler: Ernst Hardt. Eine monographische Studie. Lang, Frankfurt am Main u. a. 1994, ISBN 3-631-45943-2 (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur; 1430).
  • Jaewon Song: Die Bühnenwerke Ernst Hardts und das neue Drama in der deutschen Literatur um 1900. Eine Studie über dramatische Neuerungsversuche zwischen Kunstanspruch und Publikumserwartung. Lang, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-631-35945-4 (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur; 1745).
  • Claus Zittel: Der Eisheilige und die Liebesheldin. Versuch über Ernst Hardts Drama "König Salomo", in: Elena Deinhammer, Susanne Gillmayr-Bucher, Antonia Krainer, Imelda Rohrbacher (Hrsg.): König, Weiser, Liebhaber und Skeptiker: Rezeptionen Salomos, Heidelberg, Springer / Metzler, vol. 4, S. 309–339 (Studien zu Literatur und Religion / Studies on Literature and Religion; 4).
  • Stefan Seeber: Ernst Hardts Mittelalter. Die Präsenz mittelalterlicher Stoffe im deutschen Drama nach 1900. Ergon, Baden-Baden 2024 (Klassische Moderne; 50).

Quellenangaben

  1. Ernst Hardt hieß wirklich so und nicht „Ernst Stöckhardt“, wie oft behauptet wird. Belege: Konfirmationsschein (Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA), Nr. 89.97.527), Abgangszeugnis der 1. Compagnie der Haupt-Cadetten Anstalt (DLA Nr. 89.97.527), Bescheinigung der Eheschließung mit Anna Mathilde Schmalhorst, Standesamt Ichenhausen (DLA Nr, 89.97.517).
  2. „Intendant Hardt 4000 M. monatlich, jährlich eine Gratifikation in Höhe von 12000 M.; für jede Mikrophonleistung eine besondere geldliche Entschädigung (z. B. für den Vortrag eines Gedichtes – Dauer zehn Minuten!) – runde 150 Steuermark!“ (zitiert nach: Der Deutsche Sender, Ausgabe 4, Jahrgang 3, Januar 1932, S. 4)
  3. Die Entlassung deutete sich unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme an. Die Wochenschrift des Reichsverbandes Deutscher Rundfunkteilnehmer E.V. „Der Deutsche Sender“ schrieb in ihrer Ausgabe 9/1933 vom 26. Februar 1933: „man braucht sich … nur zu erinnern, daß … Hardt heute noch immer Leiter des Kölner Rundfunks ist – und man wird einsehen, daß es auch unter den Rundfunkintendanten noch aufzuräumen gibt.“
  4. Christiane Weber: Persönlichkeit des Kulturlebens. Thüringer Allgemeine (Weimar), 22. Juni 2017, abgerufen am 12. Dezember 2022.
  5. Ernst Hardt – WDR ehrt Pionier des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. (Memento vom 6. Februar 2017 im Internet Archive)
  6. Dazu Edgar Lersch: Rezension Abgerufen am 5. Februar 2017.