Entminungsdienst
Der Entminungsdienst (EMD) ist eine Dienststelle im Österreichischen Bundesheer und zuständig für die Bergung, Identifizierung, Entschärfung, Verbringung und Vernichtung von Kriegsmaterial aus der Zeit vor 1955. Für jüngere Explosivstoffe ist der Entschärfungsdienst des Innenministeriums zuständig.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden durch den Entminungsdienst im Gebiet der Republik Österreich etwa 25.000 Tonnen Kriegsmaterial, darunter circa 20.000 Fliegerbomben-Blindgänger, geborgen und vernichtet. Derzeit gibt es im Jahr um die 1.000 Einsätze. Vergleichbare Aufgaben übernehmen in Deutschland der Kampfmittelräumdienst und die Sprengmittelabteilungen der Landeskriminalämter sowie in der Schweiz die Einheit für Kampfmittelbeseitigung der Armee.[1]
1951 war der Entminungsdienst einer der Preisträger des Karl-Renner-Preises.[2][3]
Geschichte
Von 1946 bis 2001 war der Entminungsdienst als Teil der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit und von 2001 bis 2012 als Teil des Bundeskriminalamts dem Bundesministerium für Inneres unterstellt. Der Wiener Hauptsitz befand sich bis zum Juli 2013 zusammen mit dem seines Schwesterdienstes, dem Entschärfungsdienst des Bundeskriminalamts, in der Rossauer Kaserne.
Seit dem 1. Jänner 2013 ist der Entminungsdienst Teil des Bundesministeriums für Landesverteidigung und wurde dort als eigenständige Dienststelle eingerichtet. Der Wechsel zum Verteidigungsressort erfolgte im Rahmen des Konsolidierungspaketes 2012–2016.[4] Mit 1. April 2019 wurde das Kommando Streitkräftebasis aufgestellt und der Entminungsdienst diesem zugeordnet.[5]
Organisation
Derzeit sind 15 Beamte beim Entminungsdienst tätig. Diese sind auf den Hauptsitz in Wien in der Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne, sowie auf die beiden Außenstellen in Hörsching (Fliegerhorst Vogler) und Graz (Gablenz-Kaserne) aufgeteilt.
Unter den 15 Beamten befinden sich spezialisierte Teile für Tauch- und Alpineinsätze.[6]
Meist wird die Munition entschärft, abtransportiert und später gesammelt auf militärischen Sprengplätzen unschädlich gemacht, etwa am Truppenübungsplatz Allentsteig. Manches muss auf Grund der Gefährlichkeit vor Ort vernichtet werden. Infanteriemunition beider Weltkriege wird durch Ausglühen vernichtet.[6]
Medienwirksame Einsätze
Im Jahr 2003 kam es bei der Entschärfung einer Fliegerbombe auf einem Bahngelände in der Stadt Salzburg zu einem Zwischenfall, bei dem zwei Beamte des Entminungsdienstes getötet wurden und ein weiterer schwere Verletzungen erlitt.
Am 25. März 2011 wurde eine bei Grabungen am Europaplatz vor dem Grazer Hauptbahnhof gefundene britische 500 lb (ca. 250 kg) Langzeitzünder-Bombe gesprengt. Auf Grund ihrer Lage – sie wurde durch die Baggerung an die Oberfläche gelegt – gingen rundum zahlreiche Glasscheiben zu Bruch. Im Zuge derselben Großbaustelle um Straßenbahntieflegung und Straßenunterführungsumbau wurden auch am 24. und 30. März 2013 Bomben und zwar jeweils südlich des Hauptbahnhofgebäudes gefunden, umfangreiche Sperren waren die Folge. Die Bomben stammen von Abwürfen der Alliierten aus den Jahren 1944 und 1945 auf die Gleisanlagen von GKB- und Hauptbahnhof.[7]
Am 21. August 2013 wurde vom EMD eine 250-kg-US-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg im Gebirge bei Hüttschlag im Pongau, Salzburg gesprengt, da sich einer der zwei Zünder nicht entfernen ließ. Die Bombe war einen Monat zuvor dort in 2000 m Höhe auf einer Geröllhalde nahe der Hubalm zufällig gefunden worden. Sie könnte von einem eventuell beschädigten Bomber am Rückflug von Attnang-Puchheim oder Linz nach Italien zwecks Treibstoffeinsparung abgeworfen worden sein.[8]
Ausbildung des Personals
Die Ausbildung des Personals Entminungsdienst besteht aus einer dreijährigen Ausbildungszeit in welcher die Auszubildenden jedes Jahr jeweils eine mündliche Prüfung mit zwölf Kampfmitteln oder Zündern absolvieren.[9] Die Ausbildung erfolgt dabei vollständig im eigenen Rahmen an und ausschließlich innerhalb der Dienststelle. Eine Ausbildung an oder eine Zertifizierung durch eine externe fachkundige Stelle erfolgt nicht. Ebenso wenig besteht für die Mitarbeiter eine gesetzliche Fortbildungspflicht oder eine zeitliche Befristung der Befähigung, wie sich dies vergleichsweise im deutschen Sprengstoffgesetz verankert findet (z. B. fünf jährige Befristung des Befähigungsscheins nach § 20 SprengG).
Beim Entminungsdienst handelt sich somit um eine Dienststelle bei der die Ausbildung nicht nur selbst und mit eigenem Personal durchgeführt wird, sondern bei welcher der erfolgreiche Abschluss dieser zudem auch noch von selbigem eigenen Personal bestätigt wird. Die tatsächliche Qualität der Ausbildung muss dahingehend daher kritisch hinterfragt werden.
Fallstatistik
Pro Jahr werden durch den Entminungsdienst im Schnitt 1.000 Einsätze am ganzen Bundesgebiet erledigt.
| 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | ||
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| Einsätze Gesamt (Gewichtsangabe) |
952 (27.719 kg) |
1.123 (35.005,85 kg) |
1.200 (45.631 kg) |
1.104 (35.327,98 kg) |
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| Einsätze pro Bundesland (Gewichtsangabe) | Burgenland | 54 (758 kg) |
92 (1.958,70 kg) |
122 (7.462 kg) |
88 (692,64 kg) |
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| Kärnten | 57 (4.936 kg) |
50 (7.674,39 kg) |
76 (3.637 kg) |
79 (11.060,76 kg) |
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| Niederösterreich | 471 (13.896 kg) |
575 (13.154,32 kg) |
589 (25.371 kg) |
482 (11.509,32 kg) |
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| Oberösterreich | 122 (1.568 kg) |
116 (2.419,96 kg) |
135 (2.841 kg) |
180 (2.825,91 kg) |
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| Salzburg | 26 (396 kg) |
22 (2.416,25 kg) |
25 (215 kg) |
26 (533,45 kg) |
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| Steiermark | 118 (1.645 kg) |
135 (2.152,73 kg) |
125 (1.319 kg) |
116 (2.908,43 kg) |
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| Tirol | 41 (938 kg) |
45 (481,69 kg) |
47 (1.237 kg) |
48 (1.197,90 kg) |
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| Vorarlberg | 6 (13 kg) |
16 (223,95 kg) |
9 (98 kg) |
14 (82,15 kg) |
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| Wien | 77 (3.761 kg) |
72 (4.448,86 kg) |
71 (3.451 kg) |
71 (4.517,42 kg) |
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| Jahresbericht | 2013 | 2014 | 2015 | 2018 | ||||||||||
Im Jahre 2012 gab es 1.010 Fund- bzw. Wahrnehmungsmeldungen, 2013 rückte der Entminungsdienst 947 Mal zu Einsätzen aus.[6]
Bei den im ersten Halbjahr 2013 erledigten Einsätzen (knapp 400) waren in 22 Fällen Bombenblindgänger mit Massen von über 50 kg der Anlass, überwiegend jedoch – kleinere – Granaten. Darunter waren 7 Taucheinsätze in Gewässern. Nur 16 mal mussten Relikte an Ort und Stelle gesprengt werden.[10]
2014 wurden etwa 35 Tonnen sprengfähiger Kriegsmaterialien abtransportiert. Die Tauchgruppe barg bei 20 Einsätzen mit mehr als 200 Tauchstunden rund 8 Tonnen Kriegsrelikte aus Seen und Flüssen. Ein Großteil im September und Oktober aus dem Ossiachersee, weiters aus Wörther- und Weißensee, alle in Kärnten, sowie Gewässern in OÖ und NÖ. Zwölf Mal war die Alpingruppe im Einsatz, wo etwa 30 Kilogramm Kriegsrelikte geborgen oder gesprengt wurden.[6]
Siehe auch
Weblinks
- Webauftritt des Entminungsdiensts im Rahmen der Webseiten des Verteidigungsministeriums.
- Brisante Arbeit (PDF; 99 kB). Artikel im Magazin Öffentliche Sicherheit (Sondernummer Dezember 2005).
Einzelnachweise
- ↑ Kampfmittelbeseitigung und Minenräumung ( vom 29. Januar 2016 im Internet Archive) der Schweizer Armee.
- ↑ Wiener Rathauskorrespondenz, 13. Dezember 1951, Blatt 2230.
- ↑ Wiener Rathauskorrespondenz, 26. Jänner 1952, Blatt 111.
- ↑ https://web.archive.org/web/20120227041817/http://diepresse.com/layout/diepresse/mediadb/pdf/konsolidierung.pdf Österreichisches Bundeskanzleramt – Konsolidierungspaket 2012–2016
- ↑ https://www.bundesheer.at/cms/artikel.php?ID=9940
- ↑ a b c d Kriegsrelikte: Im Vorjahr über 1.120 Einsätze. In: wien.orf.at. 11. Januar 2015, abgerufen am 15. Juni 2022.
- ↑ Fliegerbombe am Grazer Hauptbahnhof gefunden. In: derstandard.at. 30. April 2013, abgerufen am 2. Februar 2024.
- ↑ Fliegerbombe im Gebirge gesprengt, ORF.at vom 22. August 2013
- ↑ 1 Jahr: AZ M 102, AZ M 103, LZZ M 123 - 125, Panzerfaust 60m, 8,8cm Raketenpanzerbüchsengranate mit AZ 5095, AZ 23 v, AZ 1504 & AZ 1503, BdZ 5103, AZ KTM-1, WurfGrZ Trolitul, Splitterbombe SD-1, eAZ 35
2 Jahr: AZ 23 umg, ZtZ S30, WurfGrZ 38, BdZ 5127, 3,7cm KopfZ Zerl. Pv, BdZ f. d. 8,8cm Panzergranate, Splitterbombe SD-2 mit Zünder 41, Wurfgranatpatrone 326, AZ AV-1, S-Mine 35 mit S-Minenzünder 35, Tellermine 42 mit T-MiZ 42, Tellermine 43 mit T-MiZ 43
3 Jahr: AZ M 110 & M 126, AZ M 112 - M 114, AZ Y & Y-1, AZ APUV, AZ 39, AZ 1, GewGr N 85 Mk I - III, 45mm WurfGr Breda, Breda HGr M 35 - M 40, HGr Modell 34, RPG 43, HGr No. 69 - ↑ Entminungsdienst rückte knapp 200 Mal aus, noe.ORF.at vom 14. Juli 2013