Richtlinie (EU) 2023/970 (Entgelttransparenzrichtlinie)

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Richtlinie (EU) 2023/970

Titel: Richtlinie (EU) 2023/970 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 2023 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen
Bezeichnung:
(nicht amtlich)
Entgelttransparenzrichtlinie
Geltungsbereich: Europäische Union
In nationales Recht
umzusetzen bis:
7. Juni 2026
Volltext Konsolidierte Fassung (nicht amtlich)
Grundfassung
Hinweis zur geltenden Fassung von Rechtsakten der Europäischen Union

Die Richtlinie (EU) 2023/970, auch Entgelttransparenzrichtlinie oder englischsprachig EU Pay Transparency Directive (EUPTD) genannt, beinhaltet erweiterte Auskunftsansprüche und Berichtspflichten sowie Entschädigungsansprüche bei geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung.

Die Richtlinie dient der Bekämpfung der Lohndiskriminierung und der Förderung der Entgelttransparenz. Ziel ist es, den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit zu stärken und die geschlechtsspezifische Lohnlücke zu reduzieren.

Die EU-Mitgliedstaaten müssen bis zum 7. Juni 2026 alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie eingeführt haben (Artikel 34 Abs. 1).

Inhalt

Die Richtlinie umfasst unter anderem Informationspflichten (Artikel 5 und 6), ein subjektives Auskunftsrecht (Artikel 7) und eine regelmäßige Berichtspflicht (Artikel 9). Sie legt unter anderem Folgendes fest:

Artikel 5
Stellenbewerbern sind Informationen über „das auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegsentgelt für die betreffende Stelle oder dessen Spanne“[1] sowie gegebenenfalls einschlägige Bestimmungen des Tarifvertrags zu nennen; Fragen nach dem Entgelt in laufenden oder früheren Beschäftigungsverhältnissen der Bewerber sind unzulässig.
Artikel 6
Arbeitgeber stellen Arbeitnehmern Informationen über die Kriterien für die Festlegung ihres Entgelt, ihrer Entgelthöhen und ihrer Entgeltentwicklung zur Verfügung; lediglich die Entgeltentwicklung betreffend sind Ausnahmen von dieser Pflicht für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern gestattet.
Artikel 7
Arbeitnehmer haben ihren Arbeitgebern gegenüber bestimmte Auskunftsrechte über ihre individuelle Entgelthöhe und über die durchschnittlichen Entgelthöhen. Beschäftigte erhalten damit einen Anspruch auf Auskunft über den Durchschnittslohn ihrer Kollegen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und vergleichbaren Tätigkeiten.[2]
Artikel 8
Die Informationen müssen auch für Personen mit Behinderungen zugänglich sein und ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung tragen.
Artikel 9
Arbeitgeber bzw. Betriebe mit weniger als 100 Arbeitnehmern sind nicht berichtspflichtig; Betriebe mit 100 bis 249 Arbeitnehmern müssen dreijährlich Bericht ablegen, Betriebe mit 250 oder mehr Arbeitnehmern jährlich; für Betriebe mit 150 oder mehr Arbeitnehmern gilt diese Pflicht erstmals zum 7. Juni 2027, andernfalls erstmals zum 7. Juni 2031.[3]
Artikel 10
Liegt das im Bericht festgestellte Entgeltgefälle zwischen den Geschlechtern bei mehr als 5 %, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter gemeinsam eine Entgeltbewertung vornehmen, sofern der Unterschied sich nicht mit objektiven Kriterien rechtfertigen lässt oder innerhalb von sechs Monaten beseitigt wird.[3]
Artikel 11
Betrieben mit weniger als 250 Arbeitnehmern gewähren die Mitgliedsstaaten Unterstützung in Form von technischer Hilfe und Schulungen für die Einhaltung der Richtlinie.
Artikel 16
Für den Fall der Verletzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts ist ein Schadensersatzanspruch vorgesehen.[4]
Artikel 23
Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Vorschriften über „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen, die bei Verletzungen der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts zu verhängen sind“ zu erlassen.

Unterschied zum Entgelttransparenzgesetz

Im Unterschied zum deutschen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) erhalten Arbeitnehmer durch die Entgelttransparenzrichtlinie einen Anspruch auf Auskunft zum Durchschnitt der Entgelte; das EntgTranspG hingegen stellt mit Artikel 7 auf den Median ab und gilt nur ab einer Betriebsgröße von 201 Mitarbeitern. Zudem verlangt die neue Richtlinie im Gegensatz zum EntgTranspG nicht vom Arbeitnehmer, als Voraussetzung für den Auskunftsanspruch mindestens sechs andere Personen des jeweils anderen Geschlechts aus einer Vergleichsgruppe benennen zu können. Neu ist zudem, dass der Arbeitgeber die Gehaltsspanne und den Einstiegslohn für die konkrete Position schon vor der Einstellung mitteilen muss. Auch das Verbot der Frage nach dem bisherigen Gehalt ist neu. Zudem sieht das EntgTranspG keine Sanktionen für den Fall vor, dass sich Unternehmen nicht an die Vorgaben halten.[2]

Kritik

Kritiker bemängeln, die Kommission habe strukturelle Unterschieden zwischen verschiedenen Branchen und Berufen sowie unterschiedliches Berufswahlverhalten zwischen den Geschlechtern nicht berücksichtigt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten als Sozialpartner über die Bewertung von Tätigkeit verhandeln; die Richtlinie unterlaufe ihre Autonomie. Zudem würden die bürokratischen Lasten insbesondere kleine und mittlere Unternehmen überfordern.[4] Es bleibe abzuwarten, „ob die Eingriffe in die Privat- und Tarifautonomie in einem ausgewogenen Verhältnis zu den erhofften Ergebnissen stehen“.[5]

Einzelnachweise

  1. Artikel 5 Abs. 1 a).
  2. a b Tanja Podolski: EU will Sank­tionen gegen Loh­n­un­g­leich­heit. In: lto.de. Legal Tribune Online, 7. März 2023, abgerufen am 25. August 2025.
  3. a b Philipp Roller: Omnibus IV wird Entgelttransparenzrichtlinie nicht entschärfen – zu Recht. In: efarbeitsrecht.net. Expertenforum Arbeitsrecht, 27. Juni 2025, abgerufen am 25. August 2025.
  4. a b Philipp Roller: Freundschaft schließen mit der Entgelttransparenz. In: verfassungsblog.de. 18. Dezember 2024, abgerufen am 25. August 2025.
  5. Entgelttransparenzrichtlinie der EU: Ein Meilenstein für die Gleichstellung? In: juris.de. 2. April 2025, abgerufen am 25. August 2025.