Einfach-gleichmäßige Konvergenz

Die einfach-gleichmäßige Konvergenz und die damit eng verwandte quasi-gleichmäßige Konvergenz sind zwei historische und nicht einheitlich verwendete Konvergenzbegriffe für Funktionenfolgen aus dem mathematischen Teilgebiet der Analysis. Man geht dabei der Frage nach, welches Konvergenzhalten bei einer Funktionenfolge vorliegen muss, damit Stetigkeitseigenschaften der Folgenglieder auf die Grenzfunktion übertragen werden, wobei man nicht nur hinreichende Bedingungen sucht, sondern sogar äquivalente Formulierungen anstrebt. In modernen Darstellungen der Analysis spielen diese Begriffe keine Rolle mehr.

Fragestellungen

Wir betrachten ein festes Intervall reeller Zahlen , darauf eine Folge von Funktionen , eine weitere Funktion und untersuchen die Konvergenz der Folge gegen .

Frage 1: Wenn alle in einem festen Punkt stetig sind, wie muss die Konvergenz beschaffen sein, damit auch in diesem Punkt stetig ist?

Frage 2: Wenn alle auf ganz stetig sind, wie muss die Konvergenz beschaffen sein, damit auch auf dem gesamten Intervall stetig ist?

Betrachten wir die punktweise Konvergenz , das heißt für jedes konvergiert die Folge reeller Zahlen gegen die reelle Zahl , so erweist sich dieser Konvergenzbegriff für beide Fragen als zu schwach: es gibt Folgen stetiger Funktionen, die punktweise gegen eine unstetige Funktion konvergieren. Zum Verständnis späterer Formeln ist es instruktiv, die Bedingung zur punktweisen Konvergenz wiederzugeben:

,

das heißt für jedes ist die Bedingung für die Konvergenz erfüllt. Das in obiger Formel hängt von und ab.

Bei der gleichmäßigen Konvergenz hingegen darf dieses nicht explizit von abhängen, sondern zu jedem ist ein höchstens von diesem abhängiges zu finden, dass die Ungleichung simultan, das heißt gleichmäßig, für alle erfüllt, in Formeln:

.

Im Vergleich zur punktweisen Konvergenz hat sich also nur die Position des Formelteils geändert. Es ist bekannt, dass die Grenzfunktion einer gleichmäßig konvergenten Folge stetiger Funktionen wieder stetig ist, so dass dieser Konvergenzbegriff für beide Fragen taugt, allerdings zu restriktiv ist, wie das folgende Beispiel zeigt.

Beispiel

Die ersten Glieder der Folge

Betrachte die Funktionenfolge stückweise affin-linearer Funktionen auf dem Intervall , die durch

definiert ist. Die Folge konvergiert punktweise gegen die Nullfunktion . Im Punkt ist das klar, da für alle gilt. Für (und ) wähle , dann ist für alle . Hier kann das sogar unabgängig von gewählt werden, aber nicht unabhängig von .

Alle Funktionen, inklusive der Grenzfunktion, sind stetig. Die Konvergenz ist offenbar nicht gleichmäßig, denn für jedes gilt , das heißt für kann obige Bedingung nicht erfüllt werden. Also ist die gleichmäßge Konvergenz für die Stetigkeit der Grenzfunktion eine zu starke Bedingung.

Einfach-gleichmäßige Konvergenz in einem Punkt

Wir behandeln zunächst das in Frage 1 aufgeworfene Problem. Die hier vorgestellte Konvergenzart heißt in der unten angegebenen Literaturquelle „Hahn“ einfach-gleichmäßige Konvergenz, „Medvedev“ spricht von verallgemeinerter gleichmäßiger Konvergenz[1] und „Bromwich“ verwendet den Begriff quasi-gleichmäßige Konvergenz und verweist darauf, dass bei früheren Autoren einfach-gleichmäßige Konvergenz üblich gewesen sei.[2] Wir verwenden hier die von Hahn verwendeten Begrifflichkeiten mit leicht an die anderen Quellen angepassten Definitionen. Es seien wie oben und wir setzen generell voraus, dass die Folge der punktweise gegen konvergiert.

  • Definition: Die Folge heißt einfach-gleichmäßig konvergent gegen im Punkte , falls
.

Zu jedem und zu jedem Folgenindex gibt nach dieser Definition also eine (durch beschriebene) Umgebung von sowie einen größeren Folgenindex , so dass sich und auf dieser Umgebung um weniger als unterscheiden. Damit kann man nun folgenden Satz beweisen.

  • Satz: Es sei und alle seien stetig in . Die Grenzfunktion ist genau dann stetig in , wenn einfach-gleichmäßig in konvergiert.

Da der Beweis nur wenig mehr als ein Instellungbringen der Definitionen ist, die dadurch verdeutlicht werden, soll er hier kurz wiedergegeben werden:[3]

Sei zunächst stetig in und und seien vorgegeben. Da stetig in ist, kann man ein finden mit für alle . Wegen der punktweisen Konvegenz kann man ein finden mit und da auch stetig in ist, kann man durch eventuelle Verkleinerung von auch erreichen, dass für alle . Daraus folgt dann für alle die Abschätzung

,

das heißt, es liegt einfach-gleichmäßige Konvergenz in vor.

Sei nun umgekehrt einfach-gleichmäßig konvergent in . Zu vorgegebenem gibt es wegen der punktweisen Konvergenz ein , so dass für alle . Zu diesen und gibt es nach Voraussetzung ein und ein mit für alle . Da in stetig ist, kann man durch eventuelle Verkleinerung von auch erreichen, dass für alle . Damit hat man für alle solche die Abschätzung

,

und wir haben die Stetigkeit von in nachgewiesen. q. e. d.

Indem man die -Logik in obiger Definition durch Folgen ausdrückt, erhält man die in „Hahn“ verwendete Definition:[4]

  • Alternative Definition: Die Folge heißt einfach-gleichmäßig konvergent gegen im Punkte , falls
.

Quasi-gleichmäßige Konvergenz einer Folge

Wir wenden uns nun der Frage 2 zu. Was die Literaturquelle „Hahn“ (eigentlich) quasi-gleichmäßige Konvergenz nennt, heißt in „Medvedev“ Arzelà-quasi-gleichmäßige Konvergenz. Als Obervoraussetzungen seien wie oben und die Folge der konvergiere punktweise gegen .

  • Definition: Die Folge heißt quasi-gleichmäßig konvergent gegen , falls
.[5][6]

Zu jeder Schranke und zu jedem Folgenindex soll es also einen größeren Folgenindex geben, so dass man zu jedem Intervallpunkt unter den endlich vielen Funktionen eine finden kann, etwa , die sich im Punkt um weniger als von der Grenzfunktion unterscheidet. Dabei kann die zu wählende Funktion von Punkt zu Punkt variieren, muss aber eine von den endlich vielen sein. Mit dieser Definition gilt:[7][8]

  • Satz: Alle seien stetig. Die Grenzfunktion ist genau dann stetig, wenn quasi-gleichmäßig konvergiert.

Wir wollen uns zunächst davon überzeugen, dass die Bedingung in obigem Beispiel erfüllt ist, denn in diesem ist die Grenzfunktion ja stetig. Mit den Bezeichnungen aus obigem Beispiel seien und vorgegeben. Wähle ein mit . Da die Grenzfunktion 0 ist, muss man zum Nachweis der Bedingung zu jedem ein finden, so dass ist. Für ist und für ist , so dass . Also konvergiert quasi-gleichmäßig gegen die Nullfunktion. Von den endlich vielen Funktionen wurden bei diesen Überlegungen zwar nur zwei, nämlich die erste und die letzte, benötigt, aber man sieht sehr schön, wie die Wahl der Funktion von der Stelle abhängt.

Der Beweis verdeutlicht wieder das Ineinandergreifen der Definitionen. Sei zunächst stetig und seien und vorgegeben. Wegen der vorausgesetzten punktweisen Konvergenz gibt es zu jedem einen Folgenindex mit . Wegen der vorausgesetzten Stetigkeit der auftretenden Funktionen gilt die Ungleichung auch in einer relativ offenene Umgebung von . Da das Intervall kompakt ist, wird es von endlich vielen dieser Umgebungen überdeckt, etwa für endlich viele . Die Zahl leistet das Verlangte, denn jedes liegt in einer der Umgebungen und mit gilt nach Definition von die Ungleichung . Daher liegt quasi-gleichmäßige Konvergenz vor.

Sei umgekehrt quasi-gleichmäßig konvergent gegen und beliebig. Wir müssen zeigen, dass in stetig ist. Sei dazu . Wegen der punktweisen Konvergenz gibt es mit für alle . Wegen der vorausgesetzen quasi-gleichmäßigen Konvergenz gibt es ein wie in obiger Definition. Da alle stetig sind und dies nur endlich viele Funktionen sind, gibt es ein , so dass für alle und alle . Ist nun , so gibt es wegen der Bedingung zur quasi-gleichmäßigen Konvergenz ein mit und es folgt

,

das heißt ist stetig in . q. e. d.

Bemerkungen

Zur Darstellung

Die Literaturquellen „Medvedev“ und „Bromwich“ betrachten nur Funktionen auf einem Intervall,„Hahn“ hingegen behandelt den allgemeineren Fall von Funktionen auf Teilmengen eines metrischen Raums. Da die Verallgemeinerung auf metrische Räume bei den behandelten Konvergenzbegriffen zum einen einfach und zum zweiten für das Verständnis keinen Vorteil bietet, beschränkt sich dieser Artikel auf den vertrauteren Fall eines reellen Intervalls. „Medvedev“ und „Bromwich“ behandeln keine Funktionenfolgen, sondern punktweise konvergente Reihen. Das ist keine Einschränkung, denn Reihen sind Folgen ihrer Partialsummen und Folgen können als Reihen mit Summanden aufgefasst werden.[9] Die Bezeichnungen wurden für diesen Artikel entsprechend modernisert und angepasst. Da die Beweise dadurch nicht so leicht zugänglich aber wegen ihrer Definitionsnähe instruktiv sind, wurden sie oben in adaptierter Form wiedergegeben.

Historie

Die Beantwortung obiger Frage 1 geht historisch auf Ulisse Dini zurück, der konvergente Reihen auf Intervallen untersuchte und dabei den Begriff der einfach-gleichmäßigen Konvergenz einführte.[10] Die Antwort zu Frage 2 wird Cesare Arzelà zugeschrieben[11], „Medvedev“ spricht daher auch von Arzelà-quasi-gleichmäßiger Konvergenz.[12]

Verallgemeinerte gleichmäßge Konvergenz

Ein erster aber nicht zum Ziel führender Versuch zur Beantwortung der Frage 2 wäre, die lokale Bedingung, die durch das in obiger Definition gegeben ist, einfach auf das gesamte Intervall auszudehnen. Man erhält dann die Bedingung:

.

„Medvedev“ nennt dies verallgemeinerte gleichmäßige Konvergenz (Bedingung B1) und weist darauf hin, dass diese Bedingung hinreichend für die Stetigkeit der Grenzfunktion ist, allerdings nicht notwendig.[13] Diese Bedingung ist offenbar äquivalent zur Extistenz einer gleichmäßig konvergenten Teilfolge. Dies ist daher nicht äquivalent zur quasi-gleichmäßigen Konvergenz, denn das oben ausgeführte Beispiel besitzt keine gleichmäßig konvergente Teilfolge.

Literatur

  • Fyodor A. Medvedev: Scenes from the History of Real Functions. Birkhäuser Verlag, Basel-Boston-Berlin 1991, ISBN 978-3-7643-2572-5 (englisch).
  • T. J. I'A Bromwich: An Introduction to the Theory of Infinite Series. MacMillan & Co Ltd, London 1964 (englisch, 2. Auflage).
  • Hans Hahn: Theorie der reellen Funktionen. Julius Springer, Berlin 1921.

Einzelnachweise

  1. Medvedev, S. 99
  2. Bromwich, Kap. VII, 49.1, S. 139, 140
  3. Bromwich, Kap. VII, 49.2, leicht adaptiert
  4. Hahn, Kap. IV, § 8, S. 282
  5. Medvedev, S. 105
  6. Hahn, Kap. IX, § 8, S. 285
  7. Medvedev, S. 105
  8. Hahn, Kap. IX, § 8, S. 286
  9. Medvedev, S. 85
  10. E. W. Hobson: The theory of functions of a real variable and the theory of Fourier's series. Cambridge, University Press, 1907, S. 471 (englisch, archive.org).
  11. C. Arzelà: Sulle serie di funzioni. In: Mem della R. Acad. delle Sci. dell'Ist di Bologna. ser. 5,8, 1899, S. 130–186, 701–744 (italienisch).
  12. Medvedev, S. 105
  13. Medvedev, S. 99