Dravertit

Dravertit
Dravertitkorn aus der Typlokalität Fumarole Arsenatnaja, Tolbatschik, Kamtschatka, Russland
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2014-104[1]

IMA-Symbol

Dra[2]

Andere Namen

russisch Дравертит

Chemische Formel
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfate, Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)

VI/A.01-030[3]
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe P21/n (Nr. 14, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/14.2[4]
Gitterparameter a = 4,8141(3) Å; b = 8,4443(5) Å; c = 6,7731(4) Å
β = 94,598(5)°[4]
Formeleinheiten Z = 2[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5[3]
Dichte (g/cm3) berechnet: 3,508[5]
Spaltbarkeit unvollkommen nach einer Richtung
Bruch; Tenazität uneben; spröde[5]
Farbe farblos, hellblau mit einem grünlichen Stich, hellbraun[3]
Strichfarbe weiß[3]
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend[5]
Glanz Glasglanz[5]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,624(3)[6]
nβ = 1,661(3)[6]
nγ = 1,663(3)[6]
Doppelbrechung δ = 0,039[6]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = 35(10)° (gemessen)[6], 26° (berechnet)
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten wasserlöslich, hygroskopisch[5]

Dravertit (IMA-Symbol Dra[2]) ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate (einschließlich Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ mit der chemischen Zusammensetzung CuMg(SO4)2[1] und damit chemisch gesehen ein Kupfer-Magnesium-Sulfat.

Dravertit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem, konnte bisher jedoch nur in Form von mehrere Quadratzentimeter großen und bis zu einem Zentimeter dicken, sphärolithischen Krusten auf Basaltschlacken entdeckt werden, die von 0,08 mm großen, groben Kristallen mit einer rauen Oberfläche gebildet werden.[4] In reiner Form ist Dravertit farblos und durchsichtig mit einem glasähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Durch Fremdbeimengungen kann er eine hellblaue, grünlich getönte oder hellbraune Farbe annehmen. Seine Strichfarbe ist allerdings immer weiß.

Etymologie und Geschichte

Entdeckt wurde Dravertit (russisch Дравертит) erstmals an der Fumarole Arsenatnaja (übersetzt „Arsenat-Fumarole“) am zweiten Schlackenkegel des Vulkans Tolbatschik auf der Halbinsel Kamtschatka im Fernen Osten Russlands. Analysiert und erstbeschrieben wurde das Mineral durch Igor V. Pekov, Natalia V. Zubkova, Atali A. Agakhanov, Vasiliy O. Yapaskurt, Nikita V. Chukanov, Dmitry I. Belakovskiy, Evgeny G. Sidorov und Dmitry Y. Pushcharovsky. Benannt wurde das Mineral nach dem Mineralogen, Geologen, Dichter und Science-Fiction-Autor Pjotr Ljudowikowitsch Drawert (englisch Petr Lyudovikovich Dravert, russisch Пётр Людо́викович Дра́верт[6]; 1879–1945), um dessen bedeutende Beiträge zur Mineralogie Sibiriens und zur Erforschung der sibirischen Mineralvorkommens zu ehren.[4]

Das Mineralogenteam sandte seine Untersuchungsergebnisse und den gewählten Namen 2014 zur Prüfung an die International Mineralogical Association (interne Eingangsnummer der IMA: 2014-104[1]), die den Dravertit als eigenständige Mineralart anerkannte. Bestätigt wurde dies im Folgejahr durch im Newsletter 25 der IMA/CNMNC. Die ausführliche Erstbeschreibung wurde 2017 im Fachmagazin European Journal of Mineralogy veröffentlicht.

Das Typmaterial des Minerals wird im Mineralogisches Museum, benannt nach A. J. Fersman (FMM) unter der Inventarnummer 95001[7][4] oder 4674/1[8] aufbewahrt. Die seit 2021 ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Dravertit lautet „Dra“.[2]

Klassifikation

Da der Dravertit erst 2014 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er weder in der veralteten 8. Auflage noch in der von der IMA zuletzt 2009 aktualisierten[9] 9. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz verzeichnet. Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana kennt den Dravertit noch nicht.

In der zuletzt 2018 überarbeiteten Lapis-Systematik nach Stefan Weiß, die formal auf der alten Systematik von Karl Hugo Strunz in der 8. Auflage basiert, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer VI/A.01-030. Dies entspricht der Klasse der „Sulfate, Chromate, Molybdate und Wolframate“ und dort der Abteilung „Wasserfreie Sulfate [SO4]2−, ohne fremde Anionen“, wo Dravertit zusammen mit Chalkocyanit, Hermannjahnit, Saranchinait und Zinkosit eine unbenannte Gruppe mit der Systemnummer VI/A.01 bildet.[3]

Die von der Mineraldatenbank „Mindat.org“ weitergeführte Strunz-Klassifikation ordnet den Dravertit wie die Lapis-Systematik in die Abteilung der „Sulfate (Selenate usw.) ohne zusätzliche Anionen, ohne H2O“ (englisch Sulfates (selenates, etc.) without additional anions, without H2O) ein. Diese ist weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen. Das Mineral ist hier entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen Kationen“ (englisch With medium-sized cations) mit der Systemnummer 7.AB. zu finden. Eine weitergehende Einordnung in eine bestimmte Gruppe verwandter Minerale wurde bisher nicht vorgenommen (vergleiche dazu auch gleichnamige Unterabteilung in der Klassifikation nach Strunz (9. Auflage)).[10]

Chemismus

In der idealen, stoffreinen Zusammensetzung von Dravertit (CuMg(SO4)2) besteht das Mineral im Verhältnis aus je einem Teil Kupfer (Cu) und Magnesium (Mg) sowie 2 Teilen Schwefel (S) und 8 Teilen Sauerstoff (O) pro Elementarzelle. Dies entspricht einem Massenanteil (Gewichtsprozent) von 22,70 Gew.-% Cu, 8,68 Gew.-% Mg, 22,90 Gew.-% S und 45,72 Gew.-% O oder in der Oxidform 28,42 Gew.-% Kupfer(II)-oxid (CuO), 14,39 Gew.-% Magnesiumoxid (MgO) und 57,19 Gew.-% Schwefeltrioxid (SO3).[5]

Bei natürlichen Dravertiten können diese Werte je nach Bildungsbedingungen (Druck, Temperatur, Stofftransport) geringfügig abweichen und auch Fremdbeimengungen enthalten sein. So ergab die Analyse, bestehend aus 7 Messungen mit der Elektronenmikrosonde am Typmaterial vom zweiten Schlackenkegel des Tolbatschik, eine durchschnittliche Zusammensetzung von 31,18 Gew.-% CuO (27,89–34,80), 11,00 Gew.-% MgO (8,59–13,71) und 54,76 Gew.-% SO3 (53,43–55,90) sowie zusätzliche Beimengungen von 2,62 Gew.-% Zinkoxid (ZnO; 2,12–3,08) und 0,16 Gew.-% Mangan(II)-oxid (MnO; 0,13–0,18). Basierend auf 8 Sauerstoffatomen ergab sich daraus die empirische Formel Mg0,79Mn0,01Cu1,14Zn0,09S1,99O8, die zur eingangs genannten Formel idealisiert wurde.[11]

Kristallstruktur

Dravertit kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21/n (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/14.2 mit den Gitterparametern a = 4,8141(3) Å; b = 8,4443(5) Å; c = 6,7731(4) Å und β = 94,598(5)° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[4]

Eigenschaften

Das Mineral ist wasserlöslich und hygroskopisch, das heißt ist in der Lage Feuchtigkeit aus der Umgebung zu binden.[5]

Bildung und Fundorte

An seiner Typlokalität an der Fumarole Arsenatnaja (360–370 °C) setzte sich Dravertit durch Resublimierung auf den durch Fumarolengase veränderten Basaltschlacken ab. In enger Paragenese traten hier Anglesit, Anhydrit, Dolerophanit, Euchlorin, Fedotovit, Hämatit, Langbeinit, Steklit, Tenorit und Wulffit auf.

An der nahe gelegenen Fumarole Jadowitaja („Die Giftige“; 290–300 °C) fand er sich als eines der jüngsten Sulfatsublimate zudem vergesellschaftet mit Alumoklyuchevskit, Chalkocyanit, Cupromolybdit, Dolerophanit, Euchlorin, Hämatit, Kryptochalcit, Parawulffit, Piypit, Steklit, Tenorit, Vergasovait, Yaroshevskit und Ziesit.

Außer an den genannten Fumarolen am Tolbatschik auf Kamtschatka konnte das Mineral bisher nur noch in Mineralproben vom Vesuv in der italienischen Region Kampanien entdeckt werden (Stand 2025).[12]

Siehe auch

Literatur

  • Ulf Hålenius, Frédéric Hatert, Marco Pasero, Stuart J. Mills: IMA Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) Newsletter 25. New minerals and nomenclature modifications approved in 2015. In: Mineralogical Magazine. Band 79, 2015, S. 529–535 (englisch, rruff.info [PDF; 87 kB; abgerufen am 15. Juli 2025]).
  • Igor V. Pekov, Natalia V. Zubkova, Atali A. Agakhanov, Vasiliy O. Yapaskurt, Nikita V. Chukanov, Dmitry I. Belakovskiy, Evgeny G. Sidorov, Dmitry Y. Pushcharovsky: Dravertite, CuMg(SO4)2, a new mineral species from the Tolbachik volcano, Kamchatka, Russia. In: European Journal of Mineralogy. Band 29, 2017, S. 323–330 (englisch, rruff.info [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 15. Juli 2025]).
  • O. C. Gagné, D. I. Belakovskiy, F. Cámara: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 103, 2018, S. 657–663; hier: 659–660, Dravertite (englisch, rruff.info [PDF; 366 kB; abgerufen am 15. Juli 2025]).
Commons: Dravertite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2025. (PDF; 3,2 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2025, abgerufen am 15. Juli 2025 (englisch).
  2. a b c Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 15. Juli 2025]).
  3. a b c d e f Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  4. a b c d e f Igor V. Pekov, Natalia V. Zubkova, Atali A. Agakhanov, Vasiliy O. Yapaskurt, Nikita V. Chukanov, Dmitry I. Belakovskiy, Evgeny G. Sidorov, Dmitry Y. Pushcharovsky: Dravertite, CuMg(SO4)2, a new mineral species from the Tolbachik volcano, Kamchatka, Russia. In: European Journal of Mineralogy. Band 29, 2017, S. 323–330 (englisch, rruff.info [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 15. Juli 2025]).
  5. a b c d e f g Dravertite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 108 kB; abgerufen am 15. Juli 2025]).
  6. a b c d e f Dravertite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 15. Juli 2025 (englisch).
  7. Catalogue of Type Mineral Specimens – D. (PDF 151 kB) Commission on Museums (IMA), 9. Februar 2021, abgerufen am 15. Juli 2025 (Gesamtkatalog der IMA).
  8. Ulf Hålenius, Frédéric Hatert, Marco Pasero, Stuart J. Mills: IMA Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) Newsletter 25. New minerals and nomenclature modifications approved in 2015. In: Mineralogical Magazine. Band 79, 2015, S. 529–535 (englisch, rruff.info [PDF; 87 kB; abgerufen am 15. Juli 2025]).
  9. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  10. Classification of Dravertite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 15. Juli 2025 (englisch, siehe auch Anker „Strunz-Mindat“).
  11. O. C. Gagné, D. I. Belakovskiy, F. Cámara: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 103, 2018, S. 657–663; hier: 659–660, Dravertite (englisch, rruff.info [PDF; 366 kB; abgerufen am 15. Juli 2025]).
  12. Fundortliste für Dravertit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 15. Juli 2025.