Drahtbericht
Drahtbericht war eine Bezeichnung für eine Form der schnellen Nachrichtenkommunikation, die ursprünglich über eine Telegrafenleitung oder Telefonleitung, also einen Draht, übermittelt wurde. Er gilt als Eindeutschung des aus dem Französischen stammenden Fremdworts Depesche. Der Begriff hat eine historische Bedeutung im Journalismus, speziell bei Nachrichtenagenturen und Tageszeitungen. Er ist aber heute veraltet und ungebräuchlich.
1. Bedeutung in der Diplomatie
Im Auswärtigen Dienst war der Drahtbericht (Abkürzung: DB; auch Drahtnachricht) eine Bezeichnung für verschlüsselte Telegramme zur Übermittlung vertraulicher diplomatischer Nachrichten im Wirkungsbereich des Auswärtigen Amts. Genau genommen war es die Übermittlung eines Berichtes von einer Auslandsvertretung nach Deutschland. Der umgekehrte Weg, die (verschlüsselte) Übermittlung von diplomatischen Depeschen vom Auswärtigen Amt an die Auslandsvertretung, hieß Drahterlass. Für besonders dringliche Nachrichten gab es das Telegraphenzeichen Citissime oder Citissime nachts. Im letzteren Fall musste auch nachts die Zustellung gesichert sein (zum Beispiel durch Wecken des zuständigen Referatsleiters).
Der Drahtbericht wurde im Auswärtigen Amt mittlerweile von der Diplomatischen Korrespondenz (DKOR) abgelöst. DKOR ist ein E-Mail basiertes System das eine formalisierte Übermittlung von Informationen bis zum Geheimhaltungsgrad VS-NfD zwischen Auslandsvertretungen und der Zentrale ermöglicht. Daneben gibt es Schriftberichte, Mailberichte und einfache E-Mails, die für weniger wesentliche Themen gewählt werden und anders als DKORs keiner vorgegebenen Struktur folgen.
Struktur
Ein Drahtbericht besteht traditionell aus drei Teilen, die mit Zusammenfassung, Im Einzelnen und Wertung überschrieben werden. Zunehmend wird inzwischen stattdessen eine Zweiteilung in Zusammenfassung und Wertung und Ergänzend und im Einzelnen verwendet. Am Anfang enthalten sie entweder den Vermerk Zur Unterrichtung oder Mit der Bitte um Weisung. Drahtberichte werden vom Leiter der Vertretung oder in seiner Abwesenheit vom Geschäftsträger gezeichnet und verantwortet; der tatsächliche Verfasser wird in der Überschrift angegeben. Die übliche Diktion eines Drahtberichts ist knapp und zugespitzt. Wichtige Begriffe werden durch jeweils zwei Bindestriche hervorgehoben; Länderbezeichnungen und andere Begriffe werden abgekürzt. Ein typischer Einleitungssatz könnte z. B. lauten: Nach Rücktritt SVN StP wurde gestern Abend Parlament aufgelöst; Neuwahlen sind für --20.3.-- angesetzt (SVN StP = slowenischer Staatspräsident).
2. Bedeutung im Journalismus
Die Bezeichnung Drahtbericht unterscheidet einen durch Telekommunikation übermittelten Bericht eines Korrespondenten oder einer Redaktion von dem Übermittlungsweg per Briefpost oder per Boten. Bis ins späte 20. Jahrhundert schickten Journalisten und Pressedienste Manuskripte nicht auf elektronischem Wege, sondern auf Papier.

Der in gedruckten Zeitungen neben der Ortsmarke angeführte Zusatz „Drahtbericht“ oder „Drahtmeldung“, bisweilen sogar „Drahtung“, kennzeichnete eine besonders aktuelle Nachricht. Dies war eine gängige Form der sprachlichen Aneignung der neuen Medientechnik.[1] In Fachkreisen war von „Drahtberichterstattung“ die Rede.[2]

Die Zusatzkennzeichnung „Drahtbericht“ war bedeutsam, weil viele Nachrichten im 19. und frühen 20. Jahrhundert häufig erst mit tagelanger, aus Übersee sogar wochenlanger Verzögerung zu den Lesern gelangten. Zudem waren eilig beförderte Nachrichten teurer und exklusiver. Die Presse warb mit ihrer Fähigkeit, besonders aktuell zu sein.
Die hervorgehobene Markierung kam bereits Mitte des 19. Jahrhunderts auf, als die Presse die Nachrichtentechnik des Telegrafen nutzbar machte. Es entstanden telegrafische Nachrichtenagenturen, die zwischen Zentrale, Filialen und eigenen Korrespondenten den (in Europa meist von der staatlichen Postverwaltung betriebenen) „Draht“ einsetzten. Später wurden auch Direktverbindungen zu den Endkunden, also insbesondere Zeitungsredaktionen, möglich. Große Zeitungen, die auswärtige Redaktionsbüros oder eigene Korrespondentennetze unterhielten, nutzten die Technik ebenfalls frühzeitig und kennzeichneten dies typischerweise durch den Zusatz „eigener Drahtbericht“. Ab den 1880er Jahren wurde die Nachrichtenübermittlung per Telefon noch wichtiger. Ab den späten 1920er Jahren kamen Fernschreiber hinzu. Ab den 1920er Jahren wurde ergänzend der Pressefunk eingesetzt, der dann allerdings „drahtlose“ Telegrafie und Telefonie darstellte; hier bürgerten sich Kennzeichnungen wie „Funkmeldung“ oder „Radiobericht“ ein. Das betonte den Unterschied zum Drahtbericht und implizierte, dass die Meldung noch aktueller war.
Einzelnachweise
- ↑ Karlheinz Jakob, „Sprachliche Aneignung neuer Medien im 19. Jahrhundert“, in: Werner Kallmeyer (Hrsg.): Sprache und neue Medien. Berlin/New York: de Gruyter, 2000. S. 105–124, hier S. 116f., am 22. August 2025 abgerufen von https://d-nb.info/1193087058/34
- ↑ Hans. E. Morf, Die Drahtberichterstattung im modernen Zeitungswesen. Bern, Stämpfli 1912.