Domenico Induno

Domenico Induno

Domenico Induno (* 14. Mai 1815 in Mailand; † 5. November 1878 ebenda) war ein italienischer Maler des Risorgimento und ein Wegbereiter der realistisch-naturalistischen Genremalerei in Italien,[1] fertigte aber auch Historiengemälde und Porträts. Er ist der ältere Bruder des Malers Girolamo Induno, mit dem er gelegentlich verwechselt wird.

Leben

Domenico Induno verbrachte Kindheit und Jugend in seiner Geburtsstadt Mailand, das bis 1859 zum habsburgerischen Königreich Lombardo-Venetien gehörte. Sein Vater war Küchenmeister der Hofküche. Mit 16 Jahren schrieb sich Induno an der Accademia di Belle Arti di Brera ein, wo er unter anderem bei Pompeo Marchesi und Francesco Hayez studierte. 1937 stellte er an der Akademie erstmals ein Gemälde aus; das betreffende Historienbild Brutus schwört Rache für Lucretias Tod ist heute aber verschollen. 1839 folgten die beiden Gemälde Der Heilige Martin teilt seinen Mantel mit einem Bettler und Der kranke Alexander. Letzteres wurde mit einem ersten Preis ausgezeichnet. Daraufhin bestellte der österreichische Kaiser Ferdinand I. bei Induno das Bild Samuel salbt den vor ihm knienden David auf dem Felde und übernahm es 1840 in die Kaiserliche Gemäldegalerie in Wien.[1] Ebenfalls sehr erfolgreich war Indunos Gemälde Eine Episode der Sinflut (ausgestellt 1845), das wohl von Karl Pawlowitsch Brjullows Der letzte Tag von Pompeji inspiriert war und später von Agostino Caironi nachgeahmt wurde.[2]

Selbstporträt, 5. Juli 1846, Bleistift auf Papier

Nach seinem Abschluss wandte sich Induno zunehmend von der stark akademisch geprägten Historienmalerei ab und widmete sich stattdessen der Genremalerei. Frühe Beispiele dafür sind die 1846 entstanden Gemälde Eingeschlafener Vogelfänger und Die Marketenderin.

Indunos Porträt der Familie Bernasconi entstand während seines Schweizer Aufenthalts 1848

Im März 1848 beteiligten sich er und sein Bruder Girolamo Induno am Fünf-Tage-Aufstand gegen die österreichische Herrschaft und mussten nach dessen Scheitern in die Schweiz fliehen. Sie hielten sich mehrere Monate in Astano im Kanton Tessin auf und begaben sich dann nach Florenz. Ende 1849 konnte Induno wieder nach Mailand zurückkehren und stellte auch wieder an der Brera aus. In diesen wechselvollen Jahren porträtierte er zwei zentrale Dichter des Risorgimento, Goffredo Mameli, den Verfasser der italienischen Nationalhymne, und Aleardo Aleardi. 1854 wurde er Mitglied der Akademie. Sein Gemälde Brot und Tränen wurde 1855 erfolgreich an der Weltausstellung in Paris präsentiert.

Den sardisch-französischen Sieg über Österreich 1859 feierte Induno mit dem Gemälde Mailand bei der Nachricht vom Vorfrieden von Villafranca, das er 1860 begann und von dem er eine erste Version 1861 in der Brera ausstellte. König Viktor Emanuel II. war derart angetan, dass er es kaufte und Induno für seine vaterländischen Verdienste den Ritterorden des Ordens der Heiligen Mauritius und Lazarus verlieh. Eine weitere Version befindet sich heute im Mailänder Museo del Risorgimento, wo aber, wie Damian Dombrowski kritisierte, „eine Würdigung der künstlerischen Gestaltung unterbleibt, die Ikonographie zieht alle Aufmerksamkeit auf sich“. Es werde so getan, „als enthalte [das Gemälde] eine getreue Berichterstattung über die Reaktion der Mailänder Bevölkerung auf den Frieden von Villafranca“.[3] Tatsächlich schuf Induno damit ein eigenwilliges „zeitgenössisches historisches Genre“, das zwar als „adäquate Vergegenwärtigung der aktuellen Ereignisse“ rezipiert wurde, die Grenze zwischen Historie und Genrehaftem bzw. Anekdotischem aber bewusst verwischte.[4]

In seinen als Sittengemälde konzipierten Bildern dieser Jahre wiederum brachte Induno oft seinen Patriotismus zum Ausdruck und nahm Bezug auf die Geschichte. So malte er zwei Frauenfiguren, die in einer quasireligiösen Andacht in das Bild Giuseppe Garibaldis versunken sind. Auch im Gemälde Drei Frauen lesen einen Brief von 1861 sieht man im Hintergrund ein Porträt Garibaldis hängen.[5] Das etwas später entstandene Bild Die gewonnene Wette ist eine Metapher auf den Triumph des Risorgimento; eine Frau steht nach der mühevollen Erklimmung eines Berges über einem Felsvorsprung und schwenkt zum Zeichen ihres Sieges ein Taschentuch. Ein Lichtstrahl segnet ihr Unternehmen.[6]

Grabplatte auf dem Cimitero Monumentale

1867 malte Induno ein letztes monumentales Historienbild, die Grundsteinlegung für die Galleria Vittorio Emanuele II, ansonsten produzierte er vor allem kleinformatigere Sittengemälde. In seinen letzten Jahren litt er an einem sich immer mehr verschärfenden Augenleiden, seine Bilder wurden melancholischer. Noch kurz vor seinem Tod nahm er an der Weltausstellung in Paris 1878 teil. Am 5. November 1878 starb Induno mit 63 Jahren in Mailand. Er wurde auf dem Cimitero Monumentale in Mailand beigesetzt.

Rezeption

Eine kunsthistorische Einordnung von Indunos Werk gestaltet sich nicht einfach. Sein Frühwerk aus den 1840er Jahren ist in Themenwahl und Komposition noch stark klassizistisch geprägt. In seinen Genrebildern ab den 1850er Jahren verband er dann „romantische Gedanken mit einem detaillierten Naturalismus[4] und stand somit dem Verismus nahe. Verschiedentlich wurde ein starker Einfluss der deutsch-österreichischen Kultur in Norditalien, zum Beispiel von Léopold Robert, insinuiert.[4] Fortunato Bellozini nannte Indunos Stil „veristischen und patriotischen Anekdotismus voll Innerlichkeit“ (aneddotismo veristico, intimista e patriottico).[7]

Der Zeitgenosse Constantin von Wurzbach bewertete Induno 1863 als talentierten Kleinmeister, der in einer Zeit wirkte, in der die italienische Malerei kaum mehr Bedeutsames hervorbrachte.

„Die Kunstkritik bezeichnet Domenico Induno für kein großes, aber sehr gefälliges Talent, das in einer Zeit, in welcher die Kunst eines großen Theiles der italienischen Maler fast zur Schildermalerei herabgesunken, beachtenswerthes leistet. Induno versteht es, besonders mit seinen kleinen, dem häuslichen Leben oder der menschlichen Natur in ihren naivsten Kundgebungen entnommenen Scenen die tiefsten Seiten des menschlichen Herzens anzuschlagen.“

Constantin von Wurzbach[8]

Die meisten von Indunos Gemälden sind in Privatbesitz. Die umfangreichsten öffentlich zugänglichen Sammlungen mit seinen Werken befinden sich allesamt in Mailand (Galleria d’Arte Moderna, Museo del Risorgimento, Gallerie di Piazza Scala, Pinacoteca di Brera). Weitere Bilder sind unter anderem im Palazzo Pitti in Florenz (Der Wucherer), in der Galleria Nazionale d’Arte Moderna in Rom (Näherinnen), der Galleria d’arte moderna Achille Forti in Verona (Mädchen in der Bibliothek, Die gewonnene Wette), der Galleria d’Arte Moderna in Genua (Ein Mädchen berechnet die Kosten des Einkaufs) und im Museo Nacional de Bellas Artes in Buenos Aires (Das Modell) ausgestellt.

Gemälde (Auswahl)

Bild Titel Jahr Größe / Material Ausstellung / Sammlung / Besitzer
Eine Episode der Sintflut 1844/45 Patrimonio Culturale Banco BPM, Mailand
Die Marketenderin 1846 118 × 94 cm, Öl auf Leinwand Galleria d’Arte Moderna, Mailand
Porträt 1846 91 × 76 cm, Öl auf Leinwand unbekannt
Goffredo Mameli 1849 42 × 34 cm, Öl auf Leinwand Museo del Risorgimento, Genua
Der Rosenkranz 1850 84 × 70 cm, Öl auf Leinwand Galleria d’Arte Moderna, Mailand
Aleardo Aleardi 1850 178 × 133 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Alter Jäger 1850 33 × 21 cm, Öl auf Leinwand Gallerie di Piazza Scala, Mailand
Huldigung an die Muttergottes 1851 32 × 23 cm, Öl auf Holz Gallerie di Piazza Scala, Mailand
Der Dorfbrand (Flüchtlinge aus einem abgebrannten Dorf) 1851 125 × 174 cm, Öl auf Leinwand Galleria d’Arte Moderna, Mailand
Die Marketenderin 1852 73 × 58 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Der Wucherer 1853 81 × 55 cm, Öl auf Leinwand Palazzo Pitti, Florenz
Porträt eines Edelmanns 1853 57 × 44 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Die Rückkehr des verwundeten Soldaten 1854 42 × 53 cm, Öl auf Leinwand Gallerie di Piazza Scala, Mailand
Der Jäger 1854 44 × 59 cm, Öl auf Leinwand Pinacoteca di Brera, Mailand
Brot und Tränen 1855 55 × 68 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Kleine Fischer 1855 94 × 116 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Mein Modell 1856 99 × 79 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Der Bote 1857 78 × 63 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Nähendes Mädchen 1860er 82 × 62 cm, Öl auf Leinwand Gallerie di Piazza Scala, Mailand
Näherinnen 1860–1865 39 × 51 cm, Öl auf Leinwand Galleria Nazionale d’Arte Moderna, Rom
Mädchen in der Bibliothek 1860–1865 Galleria d’arte moderna Achille Forti, Verona
Drei Frauen lesen einen Brief (Die Nachricht) 1861 28 × 34 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Mailand bei der Nachricht vom Vorfrieden von Villafranca 1861–1862 90 × 115 cm, Öl auf Leinwand Museo del Risorgimento, Mailand
Ein Mädchen berechnet die Kosten des Einkaufs 1862 83 × 69 cm, Öl auf Leinwand Galleria d’Arte Moderna, Genua
Denken an Garibaldi 1862 50 × 41 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Das alte Mailand: Die Auslage des Antiquitätenhändlers 1862 40 × 32 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Mutterschaft 1862–1863 90 × 70 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Denken an Garibaldi 1863 75 × 61 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Besuch bei der Amme 1863 37 × 47 cm, Öl auf Leinwand Gallerie di Piazza Scala, Mailand
Die Malerin 1864–1870 58 × 45 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Andacht 1865 57 × 43 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Schneiderinnenschule 1865 100 × 149 cm, Öl auf Leinwand Galleria d’Arte Moderna, Mailand
Frau aus dem Volk am Spiegel 1865 33 × 25 cm, Öl auf Karton Privatsammlung
Die gewonnene Wette 1865–1870 78 × 60 cm, Öl auf Leinwand Galleria d’Arte Moderna Achille Forti, Verona
Grundsteinlegung für die Galleria Vittorio Emanuele II in Mailand durch König Viktor Emanuel II. am 7. März 1865 1867 152 × 96 cm, Öl auf Leinwand Palazzo Morando, Mailand
Der Brief 1869 65 × 50 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Der nomadische Künstler (Almosen) 1870–1872 57 × 44 cm, Öl auf Leinwand Gallerie di Piazza Scala, Mailand
Das Modell 1872 56 × 65 cm, Öl auf Leinwand Museo Nacional de Bellas Artes, Buenos Aires
Monte di pietà in Mailand 1872 89 × 69 cm, Öl auf Leinwand unbekannt
Bäuerin 1874 51 × 38 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung
Kleines Mädchen im Garten 1874 35 × 29 cm, Öl auf Holz Museo nazionale della scienza e della tecnologia Leonardo da Vinci, Mailand
Besuch bei der Wöchnerin 1875 67 × 82 cm, Öl auf Leinwand Gallerie die Piazza Scala, Mailand
Erinnerungen unbekannt 53 × 40 cm, Öl auf Leinwand Privatsammlung

Literatur

Commons: Domenico Induno – Sammlung von Bildern
  • Induno, Domenico. In: Enciclopedia on line. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom. Abgerufen am 25. August 2025.

Einzelnachweise

  1. a b Führer durch die Gemälde-Galerie. III. Theil: Moderne Meister. Wien 1897, S. 145 (google.ch).
  2. Un episodio del diluvio. In: Catalogo generale dei Beni Culturali. Abgerufen am 1. März 2025.
  3. Damian Dombrowski: Kunst auf der Suche nach der Nation. In: Ders. (Hrsg.): Kunst auf der Suche nach der Nation. Das Problem der Identität in der italienischen Malerei Skulptur und Architektur vom Risorgimento bis zum Faschismus. Lukas Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-86732-153-2, S. 14.
  4. a b c Ralph Gleis: Die Entstehung des modernen Historienbildes. Böhlau Verlag, Köln / Weimar / Wien 2010, S. 111.
  5. Isabel Skokan: Germania und Italia. Nationale Mythen und Heldengestalten in Gemälden des 19. Jahrhunderts. Lukas Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86732-036-8, S. 33 f.
  6. La scommessa vinta. paesaggio montano con tre figure femminili. In: Catalogo generale dei Beni Culturali. Abgerufen am 2. März 2025.
  7. Fortunato Bellozini: La Pittura di Storia dell'Ottocento Italiano. Fabri, Mailand 1967, S. 22.
  8. Constantin von Wurzbach: Induno, Dominik. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 10. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1863, S. 204 (Digitalisat).