Dobrivoje Tošković
Dobrivoje Tošković (serbisch-kyrillisch Добривоје Тошковић; * 1927 in Draginac; † 25. Januar 2021) war ein serbischer bzw. jugoslawischer Architekt, Stadtplaner und Universitätsprofessor. Seine Arbeit, insbesondere im Kontext der Bewegung der Blockfreien Staaten, stellte einen eigenständigen „dritten Weg“ in der Stadtplanung dar, der auf Humanismus und kultureller Sensibilität beruhte.[1]
Er galt als „Botschafter ohne Dekret“ und hinterließ durch seine Projekte in Indien, Tansania und Libyen sowie durch die Erstellung von Stadtentwicklungsplänen für zahlreiche Städte in Serbien eine tiefe Spur. Sein Lebenswerk ist der Masterplan für die Stadt Bidhannagar (Neu-Kalkutta) in Indien.[2] Er war ordentliches Mitglied der Akademie der Ingenieurwissenschaften Serbiens.[3]
Herkunft und Ausbildung
Tošković wurde 1927 im serbischen Dorf Draginac geboren. Er absolvierte sein Grund-, Master- und Promotionsstudium an der Fakultät für Architektur der Universität Belgrad. Zusätzlich absolvierte er ein postgraduales Studium in den Niederlanden.[1]
Während seiner Schulzeit in Valjevo wurde er von der berühmten Dichterin Desanka Maksimović in der serbischen Sprache unterrichtet. Diese literarische Mentorschaft gilt als wesentlicher Einfluss auf seinen späteren humanistischen Ansatz und seine klare Ausdrucksweise.[1] Seine berufliche Laufbahn baute er als Professor an der Fakultät für Geographie der Universität Belgrad und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Architektur und Urbanismus Serbiens auf.[4]
Internationale Karriere
Bidhannagar (Salt Lake City), Indien
Das Projekt, das Toškovićs Karriere definierte, entstand, als er 1965 für das serbische Unternehmen „Ivan Milutinović“ an der Trockenlegung eines Salzsees bei Kalkutta arbeitete. Er wurde eingeladen, an einem internationalen Wettbewerb für eine neue Stadt auf dem trockengelegten Land teilzunehmen.[1] Sein siegreicher Masterplan für die neue Stadt, heute bekannt als Bidhannagar (oder Salt Lake City), die für 200.000 Einwohner konzipiert wurde, basierte auf dem Konzept der Gartenstadt.[5]
Seine Lösung galt als revolutionär und schuf ein humaneres Konzept im Vergleich zu den Werken anderer weltberühmter Modernisten wie Le Corbusier in Chandigarh.[1] Er löste komplexe Herausforderungen, indem er soziokulturelle Präferenzen für geclusterte Wohnformen anstelle von Hochhäusern respektierte und eine abwechslungsreiche Stadtlandschaft auf einem völlig flachen Gelände schuf.[5] Für diese Leistung erhielt Tošković in Indien die höchsten Auszeichnungen.[1]
Projekte in Afrika
Seine Arbeit in Tansania und Libyen ist ein Beispiel für das jugoslawische Modell des Exports von stadtplanerischem Fachwissen im Rahmen der Bewegung der Blockfreien Staaten.
- In Tansania leitete er die Entwicklung des Regionalplans für Ruvuma, acht allgemeine Stadtentwicklungspläne und zahlreiche Dorfpläne. Sein Ansehen war so groß, dass der Präsident von Tansania, Julius Nyerere, einmal ein Privatflugzeug schickte, um ihn für Konsultationen einfliegen zu lassen.[1]
- In Libyen nahm er an der „modernen Urbanisierung“ des Landes teil.[4]
Arbeit in Serbien und der Republika Srpska
Obwohl seine internationale Karriere umfangreich war, war Toškovićs Beitrag zu seinem Heimatland ebenso bedeutend, nicht nur durch konkrete Pläne, sondern auch durch die Etablierung einer Planungsmethodik, die durch seine globale Erfahrung bereichert wurde.
Stadtplaner in serbischen Städten
Tošković war direkt an der Erstellung zahlreicher Stadtentwicklungspläne für wichtige Städte in Serbien beteiligt, darunter Šabac, Valjevo, Ćuprija und Užice.[1] Seine Arbeit im renommierten Institut für Architektur und Urbanismus Serbiens (IAUS) diente als Hauptplattform für diesen institutionellen Beitrag.[4] Seine internationale Praxis informierte und bereicherte die lokale Theorie und verlieh seinen heimischen Beiträgen eine bedeutende Tiefe aus der realen Welt. Sein methodischer Ansatz begann oft mit dem, was er als „die saubere Tafel“ (clean sheet) bezeichnete, einem Konzept, bei dem die Stadtplanung von einer frischen, analytischen Perspektive aus begonnen wird.[6]
Mentoring in der Republika Srpska
Tošković spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der akademischen Gemeinschaft in der Republika Srpska nach dem Krieg. Er leistete „selbstlose Unterstützung bei der Gründung und Entwicklung“ der Fakultät für Architektur, Bauingenieurwesen und Geodäsie an der Universität Banja Luka, wo er bis 2004 lehrte.[4] Als Professor und Mentor für zahlreiche Studierende, Magister- und Doktoranden prägte er eine neue Generation von Fachleuten in der Region.[4]
Vermächtnis
Dobrivoje Toškovićs nachhaltiger Einfluss zeigt sich in seiner umfangreichen akademischen Arbeit und im Aufbau von Institutionen. Er hatte eine lange und wirkungsvolle Lehrkarriere als Professor an der Fakultät für Geographie der Universität Belgrad. Er erweiterte auch seine globale Reichweite als Gastdozent an den Universitäten in Mosul, Irak, und Helsinki, Finnland.[4]
Sein Vermächtnis ist das eines humaneren, kontextsensitiven Modernismus – ein „dritter Weg“ des Urbanismus, geschmiedet im einzigartigen geopolitischen Kontext des blockfreien Jugoslawiens. Seine persönlichen Qualitäten, die als hohe „berufliche Integrität“ und „menschliche Wärme“ beschrieben werden, waren die Grundlage einer professionellen Methodik, die Städte nicht als abstrakte Entwürfe, sondern als Zuhause für Menschen betrachtete.[1]
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h i IN MEMORIAM Prof. Dr. Dobrivoje Tošković (1927–2021). In: Spatium. (englisch, spatium.rs [abgerufen am 9. September 2025]).
- ↑ Одлазак великог урбанисте (Der Abschied eines großen Stadtplaners) In: Politika, 27. Januar 2021. Abgerufen im 9. September 2025 (serbisch).
- ↑ Достигнућа члана - АИНС (Leistungen des Mitglieds – AINS). In: ains.rs. Abgerufen am 9. September 2025 (serbisch).
- ↑ a b c d e f IN MEMORIAM – проф. др Добривоје Тошковић (1927–2021). In: Fakultät für Architektur, Bauingenieurwesen und Geodäsie, Universität Banja Luka. 26. Januar 2021, abgerufen am 9. September 2025 (serbisch).
- ↑ a b How Dobrivoje Toskovic turned Salt Lake into a futuristic city In: The Economic Times, 5. Juni 2012. Abgerufen im 10. September 2025 (englisch).
- ↑ The clean sheet. C. Dobrivoje Toskovic. In: ResearchGate. Abgerufen am 10. September 2025 (englisch).