Diskursmonitor

Diskursmonitor
Sprachen Deutsch
Gründer Friedemann Vogel
Redaktion Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention[1]
Online seit 2019
(aktualisiert 31. Jan. 2025)
https://diskursmonitor.de/

Der Diskursmonitor ist ein Online-Portal, das Sprachgebrauch und strategische Kommunikation in politischen und medialen Diskursen untersucht und dokumentiert. Das Portal wurde von der Forschungsgruppe „Diskursmonitor und Diskursintervention“ im Jahr 2019 gegründet und veröffentlicht seitdem Analysen zu aktuellen Debatten, Schlagwörtern und Handlungsmustern. Das Portal wendet sich nicht nur an wissenschaftliches Publikum, sondern will politisch unabhängig auch Politiker, Journalisten und Lehrkräfte über strategischen Sprachgebrauch aufklären.

Hintergrund und Konzept

Das Portal (ISSN 2700-2853) wurde 2019 gegründet und wird von dem Diskurslinguisten Friedemann Vogel (Universität Siegen) koordiniert. Die damit verbundene Forschungsgruppe setzt sich aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen (mehrheitlich Sprachwissenschaft und Diskursforschung), Standorte und Qualifikationsstufen zusammen.[2]

Das Dokumentationsportal verfolgt ein diskursanalytisches Erkenntnisinteresse: Ziel ist dabei zu untersuchen, welche Interessengruppen (zum Beispiel Politiker, Lobbyisten, Behörden, Protestgruppen usw.) sich welcher Sprachmuster und Kommunikationsstrategien bedienen, um Einfluss auf das Denken, Handeln und Fühlen von Personen(gruppen) zu nehmen und damit ihre Interessen gegen Rivalen durchzusetzen. Die Analysen verfolgen einen empirischen Anspruch, das heißt, es wird Wert darauf gelegt, dass Hypothesen auf die transparente Auswertung und Interpretation von authentischen Sprachdaten basieren. Zum Methodenspektrum gehören sowohl qualitative Textanalyse, diskurshermeneutische, begriffshistorische sowie computergestützte Analysen in (teilweise sehr großen) kontrollierten Textkorpora.

Das Portal verfolgt über die Analyse hinaus ein emanzipatorisches, „diskursintervenierendes“ Ziel:[3] es möchte (möglichst) wertneutral über kommunikationsstrategische Praktiken und Techniken aufklären[4] und damit zur „Kultivierung öffentlicher Diskurse“ beitragen.[5] In diesem Sinne ist versteht sich das Portal als Teil des Wissenstransfers.

Inhalte

Das Portal verfügt aktuell (Stand Februar 2025) über zwei aktive Bereiche, das DiskursGlossar und die DiskursReview.

Das auf dem Portal veröffentlichte DiskursGlossar[6] ist ein „Online-Lexikon zur strategischen Kommunikation“. Es verfolgt das Ziel, in etwa 300 Artikeln die Essenz der interdisziplinären Diskursforschung zusammenzutragen und für ein fachübergreifendes Publikum aufzubereiten. Die Textstruktur der Artikel ist entsprechend aufgebaut: eine Kurzzusammenfassung und eine Beispielsektion sollen das jeweilige Phänomen möglichst alltagsnah beschreiben, die erweiterte Begriffsklärung fachliche Hintergründe bereitstellen.

Die Artikel werden außerdem in fünf Themenbereichen eingeteilt:

  1. Artikel zu politolinguistischen Grundbegriffen erläutern zentrale Fachwörter, die oft zur Beschreibung von öffentlicher Sprache, Debatten und kommunikativen Strategien eingesetzt werden (zum Beispiel „Macht“, „Diskurs“, „Semantischer Kampf“, „Agenda Setting“, „Narrativ“, „Kollektivsymbol“ u. ä.).
  2. Schlagwort-Artikel beschreiben die Verwendung von Begriffen, die in Medien- und Politikdebatten eine wichtige Rolle spielen, aber weder nur tagesaktuell noch historische Zeitwörter darstellen (zum Beispiel die Wörter „Altpartei“, „Elite“, „geschlechtergerechte Sprache“, „Lügenpresse“ oder „Kipppunkt“).
  3. Artikel zu kommunikationsstrategischen Praktiken und Techniken beschreiben strategische Handlungsmuster, die in politischen, medialen oder rechtlichen Auseinandersetzungen oft eingesetzt werden (zum Beispiel Flashmobs, Werbung, Adbusting, Hashtags, Kampagnen, Memes, Likes, Passivierung, oder auch Argumentationsmustern wie der Opfer- oder Autoritätstopos und viele andere). Die Texte erläutern, wie diese Techniken entstanden sind, mit welchen Zielen sie eingesetzt werden und welche Gegenstrategien sich beobachten lassen.
  4. Artikel im Bereich Diskurssemantische Verschiebungen und Effekte beschreiben typische Veränderungen im Denken, Handeln und Fühlen von Personengruppen, die mit sprachlichen Strategien herbeigeführt werden sollen (zum Beispiel, wenn ein Politiker einen Sachverhalt oder eine Person mit sprachlichen Mitteln als „(un)menschlicher“, „(ir)rationaler“, „(un)emotionaler“, „mehr/weniger kriminell“ und perspektivieren versucht).
  5. Im Bereich Diskurskonstellationen versuchen Artikel verschiedene Debattenkulturen zu beschreiben, zum Beispiel was macht einen „Krieg“, eine „Krise“, einen „Shitstorm“ oder „Skandal“ aus sprach- und kommunikationsanalytischer Perspektive aus, welche sprachliche Denkschablonen gibt es, welche Strategien werden typischerweise verwendet usw.

Das Glossar soll dazu beitragen, kommunikative Strategien in der öffentlichen Praxis besser zu erkennen und zu kritisieren. Es erscheint zusätzlich in gedruckter Form,[7] wird aber vor allem als Open-Access-Ressource in Fachdiskurs[8] und wissenschaftlicher Ausbildung eingesetzt.[9][10]

Neben dem DiskursGlossar findet sich auf dem Portal die Rubrik DiskursReview, auf der in regelmäßigen Abständen kurzfristige Sprachanalysen zu aktuellen Ereignissen veröffentlicht werden. Hierzu zählen mehrere Beiträge zur Sprache in der Corona-Pandemie[11] und ein Schlagwort-Lexikon zum Russisch-Ukrainischen Krieg.[12]

Der Diskursmonitor gibt auch die frei zugängliche und verschlagwortete DiskursBibliographie heraus, die über 1000 einschlägige „Publikationen aus der Diskursforschung mit den thematischen Schwerpunkten strategische und politische Kommunikation“ versammelt.[13]

Rezeption

Die Texte und Sprachanalysen des Portals werden als „spannende“[14] und „innovative Online-Ressource“[15] in der Forschung zur politischen Sprache und Diskursanalyse[16] rezipiert. Aufgegriffen und als Quelle herangezogen werden die Beiträge auch in der Deutschdidaktik[17], auf Social Media[18] oder von journalistischen Redaktionen[19][11]. Die „Schlaglichter des Kriegsdiskurses“ – eines der ersten Kurzglossars zum politischen (deutschsprachigen) Sprachgebrauch im russisch-ukrainischen Kriegsdiskurs – wurden im Fach-[20][21] als auch Mediendiskurs[22][23][24][25] vielfach zur Kenntnis genommen.

Im März 2025 erschien im Deutschlandfunk ein vierteiliger Podcast zum Thema „Die Macht der Worte“,[26] die zahlreiche Konzepte und Forschungsergebnisse (zu Schlagwörtern, Freund-Feind-Begriffen u. a.) des Diskursmonitors aufgreift und für ein breites Hörpublikum aufbereitet. Die Begleittexte zur Sendung erschienen im Diskursmonitor.[27]

  • Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention (Hrsg.): Diskursmonitor – Online-Portal zur strategischen Kommunikation. 2019, ISSN 2700-2853 (diskursmonitor.de).

Literatur

  • Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention (Hrsg.): Glossar zur strategischen Kommunikation. Band 1. universi, Siegen 2024, ISBN 978-3-96182-149-5 (408 S.).
  • Friedemann Vogel, Fabian Deus, Jan Oliver Rüdiger, Felix Tripps: Diskursmonitor – Eine Online-Plattform zur Aufklärung strategischer Kommunikation in Diskursen. In: Diskursintervention: Normativer Maßstab der Kritik und praktische Perspektiven zur Kultivierung öffentlicher Diskurse. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-30559-8, S. 203–214.

Einzelnachweise

  1. Team. In: Diskursmonitor. Abgerufen am 31. Januar 2025.
  2. Editorial – Hintergrundinformationen zu Portal und Forschungsgruppe | Diskursmonitor. Abgerufen am 30. Januar 2025.
  3. Kersten Sven Roth: Sprachberatung als Instrument der Sprachkritik. In: Handbuch Sprachkritik. J.B. Metzler, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-476-04852-3, S. 405–412 (hier: S. 410), doi:10.1007/978-3-476-04852-3_51 (springer.com [abgerufen am 7. Februar 2025]).
  4. DUZ – Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft (Hrsg.): Stolpersteine für die Diskursstraße. 2023, S. 38.
  5. Friedemann Vogel: Von der Diskurslinguistik zur Diskursintervention? Prämissen, Formen, Effekte. In: Aptum, Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur. Band 15, Nr. 1, 1. Januar 2019, ISSN 2748-5277, S. 5–16, doi:10.46771/9783967691610_1 (meiner-elibrary.de [abgerufen am 1. Februar 2025]).
  6. DiskursGlossar – Online-Lexikon zur strategischen Kommunikation. Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention, 2019, abgerufen am 30. Januar 2025.
  7. undefined: Glossar zur strategischen Kommunikation. Band 1. universi - Universitätsverlag Siegen, Siegen 2024, ISBN 978-3-96182-149-5 (diskursmonitor.de [abgerufen am 30. Januar 2025]).
  8. Google Scholar. Abgerufen am 31. Januar 2025.
  9. IPAC: Cosmotron Slovakia, s r o- www.cosmotron.sk, Digital repository UJEP: Politolinguistik im Fach Deutsch als Fremdsprache. 30. Mai 2024, abgerufen am 31. Januar 2025 (britisches Englisch).
  10. Benjamin Bäumer, Stefan Krüger, Ina Alexandra Machura, Sonja Sälzer, Joline Schmallenbach, Sarah Steinsiek, Manuel Wille: Open Educational Resources für die Germanistische Linguistik: Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Projekt digGer. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik. Band 51, Nr. 3, 1. Dezember 2023, ISSN 1613-0626, S. 561–582, doi:10.1515/zgl-2023-2027.
  11. a b S. W. R. Kultur: Wie Corona unsere Alltagssprache und Kommunikation verändert. 11. Mai 2021, abgerufen am 31. Januar 2025.
  12. Schlaglichter des Kriegsdiskurses – Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. Abgerufen am 31. Januar 2025.
  13. DiskursBibliographie (2019-): Freie Literaturdatenbank zum DiskursGlossar, hrsg. von der Forschungsgruppe Diskursmonitor und Diskursintervention. Online zugänglich unter: https://diskursmonitor.de/bibliographie (abgerufen am 1. Februar 2025).
  14. Christian Fandrych: Nachhaltigkeit im Fremd- und Zweitsprachenunterricht: Sprachkonzeptionelle und sprachenpolitische Desiderate. In: Burwitz-Melzer, Eva / Riemer, Claudia / Schmelter, Lars (Hgg.), Entwicklung von Nachhaltigkeit beim Lehren und Lernen von Fremd- und Zweitsprachen. Tübingen: Narr Francke Attemto. 2021, 55–66, S. 62
  15. Alexander Lasch: Diskursanalyse. In: Christopher A. Nunn, Frederike van Oorschot (Hrsg.): Kompendium Computational Theology. Band 1. heiBOOKS, Heidelberg 2024, ISBN 978-3-911056-17-5, S. 241, doi:10.11588/heibooks.1459.c21914 (uni-heidelberg.de [abgerufen am 8. März 2025]).
  16. Laura Coro Blauert, Daisy-Anna Cwikla, Rebecca Kelschebach, Lesley-Ann Kern, Joana Koczy, Dorothee Meer, Erik Schröder, Sophie Sengespeick, Philipp Weichaus, Marius Wecker, Barbara Wessel: „Besser Gas aus dem Westen als aus dem Osten. Kanada ist ein sympathischer Lieferant“ – Zur Verknüpfung des Topos der geteilten Werte mit aktuellen Narrativen des Energiedispositivs. Eine kleine empirische Studie. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik. 1. März 2025, ISSN 2190-0191, doi:10.1515/zfal-2025-2004 (degruyter.com [abgerufen am 8. März 2025]).
  17. Andrea Bies: Politolinguistik im Fach Deutsch als Fremdsprache. In: Aussiger Beiträge. Band 17, 1. Februar 2024, S. 199–214, 202, doi:10.21062/ab.2023.011 (ujep.cz [abgerufen am 8. März 2025]).
  18. Alicia Joe: Warum wir Shitstorms lieben & was das über uns sagt (Spoiler: nichts Gutes). 25. November 2024, abgerufen am 8. März 2025.
  19. deutschlandfunk.de: Flucht und Migration: Eine Familie aus Armenien (Sondersendung; 24:56). 16. Mai 2024, abgerufen am 7. Februar 2025.
  20. Maryana Yaremko, Khrystyna Dyakiv: Zur Wortschatzentwicklung im Ukrainischen und Deutschen in Zeiten des russisch-ukrainischen Kriegs. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik. Band 56, Nr. 1, 1. Januar 2024, S. 191–201, doi:10.3726/JIG561_191 (ingentaconnect.com [abgerufen am 31. Januar 2025]).
  21. Khrystyna Dyakiv, Maryana Yaremko: Saliente politische Sätze im ukrainischen und deutschen Mediendiskurs während des russisch-ukrainischen Kriegs. In: Ukrainisch – Zur Emanzipation einer Sprache. Frank & Timme GmbH, Berlin 2024, ISBN 978-3-7329-8876-1, S. 231–248, doi:10.57088/978-3-7329-8876-1_9 (springer.com [abgerufen am 8. März 2025]).
  22. SZ-Redaktion: Uni Siegen forscht zum Ukraine-Krieg: Wie Sprache den Diskurs prägt. 30. Januar 2023, abgerufen am 30. Januar 2025.
  23. Sprachforscher warnt: „Manche Wörter wollen einen politischen Willen verkaufen“. 31. Oktober 2023, abgerufen am 30. Januar 2025.
  24. Sprachforscher zum Krieg in der Ukraine: "Die 'westlichen Werte' sind flexibel befüllbar". 10. März 2022, abgerufen am 31. Januar 2025.
  25. Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten: Schlaglichter des Kriegsdiskurses: eine kleine Inventarauswahl zum öffentlichen Sprachgebrauch seit dem Frühjahr 2022. In: KonsortSWD. Abgerufen am 8. März 2025 (deutsch).
  26. deutschlandfunk.de: Die Macht der Worte (1/4): Wörter als Waffen. 6. März 2025, abgerufen am 8. März 2025.
  27. Die Macht der Worte – Begleittexte zum DLF-Podcast. Diskursmonitor, abgerufen am 8. März 2025.