Die Schaukel (Fragonard)

Die Schaukel (Jean-Honoré Fragonard)
Die Schaukel
Jean-Honoré Fragonard, 1767 - 68
Öl auf Leinwand
81 × 64,2 cm
Wallace Collection, London, Vereinigtes Königreich
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Die Schaukel (französisch L’Escarpolette) ist ein Gemälde des französischen Malers Jean-Honoré Fragonard. Alternativ findet es sich auch unter dem Titel Der glückliche Zufall mit der Schaukel (französisch Les hasards heureux de l’escarpolette). Das 1767–1768 entstandene Ölgemälde ist eines der bekanntesten Werke des Künstlers und zählt darüber hinaus zu den bedeutendsten Werken des Rokokos.

Beschreibung

Zentrales Motiv des Gemäldes ist eine junge Frau auf einer Schaukel, welche in ein elegantes, rosafarbenes Gewand gekleidet ist und einen Bergère trägt. Sie verliert bedingt durch die Schaukelbewegung und ihr ausgestrecktes Bein ihren linken Schuh. Zeitgleich ermöglicht sie einem jungen Mann, welcher sich in der linken unteren Ecke in ein Gebüsch gelegt hat, einen Blick unter ihr Kleid. Er hat den linken Arm erhoben und hält seinen Hut in der Hand. Eine steinerne Putte direkt oberhalb des Mannes legt sich den Finger auf die Lippen und mahnt zum Schweigen. Rechts hinter der Dame zieht ein weiterer, sitzender Mann an einem Seil, um ihr das Schaukeln zu ermöglichen. Zwei weitere Putten halten sich zwischen den beiden scheinbar besorgt in den Armen, während sie auf einem Delfin reiten. Umgeben sind die Figuren von verschiedensten Büschen und Bäumen, die im unteren Bereich einen alten Zaun überwuchern.

Entstehung

Der Auftraggeber des Werkes kann heute nicht mehr mit Sicherheit bestimmt werden; es wird jedoch oftmals angenommen, dass es sich um François-David Bollioud de Saint-Julien gehandelt habe. Fest steht jedoch, dass Fragonard nicht die erste Wahl für diesen Auftrag war: Aus dem Tagebuch von Charles Collé geht hervor, dass zunächst Gabriel François Doyen beauftragt wurde; dieser lehnte jedoch ab.[1] Er hatte im Jahr zuvor im Salon großen Beifall erhalten und wollte wohl mit einem solch skandalträchtigen Thema, welches ihn vermutlich von weiteren Aufträgen aus dem Umfeld des Salons ausgeschlossen hätte, nicht in Verbindung gebracht werden. Er empfahl seinem Auftraggeber, sich stattdessen an Fragonard zu wenden. Dieser zeigte sich zu diesem Zeitpunkt bereits unzufrieden mit den Limitationen der Salonmalerei und sein Stil entfernte sich davon zunehmend.[2] Seine Aufträge erhielt er vorwiegend von privaten Sammlern, für die er kleinformatige Gemälde mit persönlichem Wert anfertigte. Hierzu passt, dass es sich laut Collés Tagebuch bei der jungen Dame um eine Geliebte des Auftraggebers handelte. Dieser bat außerdem darum, dass die Schaukel von einem Bischof angetrieben werde, was jedoch in der finalen Version des Gemäldes nicht enthalten ist.

Ikonografie

Obwohl das Schaukeln eine einfache Tätigkeit ist, die sich bereits auf Darstellungen aus Mykene um 1500 v. Chr. finden,[3] verschwindet es in europäische Darstellungen und wird in der Renaissance meist durch die Darstellung einer Wippe ersetzt.[4] Erst Antoine Watteau brachte die Schaukel in Landschaftsdarstellungen ein, allerdings noch im unbewegten Zustand. Erst seine Schüler, beispielsweise Nicolas Lancret, begannen, bewegte Schaukeln zu malen. Diese bekamen schnell eine erotische Symbolik: Einerseits konnte die Hin–und–Her Bewegung der Frau (nur selten ist eine männliche Figur schaukelnd dargestellt) als eine Wankelmütigkeit gedeutet werden. Sie wurde somit zur Figur, die zwar häufig flirtet, aber keine Entscheidung trifft, wie sie die damalige Gesellschaft erwartete.[5] Gleichzeitig kann ebenjene Bewegung auch bildlicher als Symbol für den Geschlechtsverkehr verstanden werden. Zur Zeit Fragonards war in Frankreich das abendliche Schaukel eine beliebte Aktivität bei Pärchen,[6] weil man sich dabei vergleichsweise unbeobachtet berühren konnte. Der Kunsthistoriker Hans Wentzel merkt darüber hinaus an, dass sich die Figur auf der Schaukel von ihrem Anschubser abhängig macht und den Vorgang des Schaukelns selber nicht kontrollieren könne, wodurch sich eine Objektifizierung ergäbe.[7]

Baudouin: Die überraschten Liebhaber

Das es zwischen der Schaukelnden und dem Herrn im Gebüsch bereits zum Sex kam, wird sowohl durch den Schuh als auch den Hut angedeutet. Da der Hut üblicherweise etwas, zumeist den Kopf, bedeckt, wurde das Abnehmen desselbigen als Symbol für ein Entblößen verwandt.[8] In künstlerischen Darstellungen zum vorehelichen Verkehr finden sich in Fragonards Zeit viele, bei denen die männliche Figur einen Hut über seinen Schambereich hält oder, falls der Liebhaber bereits abwesend ist, ein Hut am Rand liegend platziert ist. Ferner könnte die Platzierung des Herrn wörtlich gemeint sein, befindet er sich doch im Busch. Seine Blickrichtung ist indes unmissverständlich. Das analoge Gegenstück zum Hut ist der Schuh der weiblichen Figur. Auch dies wurde als Entblößen verstanden und der Verlust des Schuhs in grafischen Darstellungen dem Verlust der Jungfräulichkeit gleichgesetzt.[8] Auch dies war in Fragonards Zeit gängiges Wissen und bedurfte keiner weiteren Erklärung. Dass sie den Schuh auf dem Höhepunkt ihres Schaukelns verliert, kann ebenfalls symbolisch gesehen werden.[9]

Ein weiterer Hinweis finden sich bei der Flugbahn des Schuhs, welche den Putto am linken Bildrand zu erreichen scheint. Hierbei handelt es sich um eine Anspielung auf den Drohenden Armor (französisch L’amour menaçant) von Falconet, der als Kopie auch von Madame de Pompadour in Auftrag gegeben wurde. Bei Madame de Pompadour handelt es sich wohl um die bis in die heutige Zeit bekannteste Mätresse, was wieder einen Verweis auf den außerehelichen Verkehr darstellt. Ferner kann Amor die linke Bildhälfte überblicken, sieht also das Geschehen zwischen der Frau und dem liegenden Herrn, besonders in Form des auf ihn zielenden Schuhs. Dennoch fordert er mit seiner Gestik zum Schweigen auf, verrät also die Affäre nicht.[10] Dies wäre noch pikanter gewesen, wäre die ursprüngliche Idee eines Bischofs in das Werk integriert worden. In diesem Fall wäre die Affäre vor der Kirche beziehungsweise vor Gott geheim gehalten worden. Die sich umarmenden Putten im unteren Bilddrittel, die auf einem Delfin reiten, liefern ein weiteres Indiz für eine erotische Handlung: In Darstellungen der griechischen Mythologie ziehen auf Delfinen reitende Putten den Wagen der Venus. Die Skulptur verweist somit auf die aufbrausende Lust.[11]

Aus allen diesen Aspekten lässt sich eine Erzählung von rechts nach links lesen. Dort startet sie bei ihrem Mann, erreicht die aufbrausende Lust in Form der Putten mit Delfin, überschreitet den Zaun und somit eine Grenze,[8] woraufhin der Hut und der Schuh auf Sex verweisen, welcher anschließend geheim gehalten wird. Danach kehrt sie zu ihrem Mann zurück, da die Schaukel sie wieder zu ihm zurückbringt.

Kopien

Fragonards Schaukel entstand in einer Phase des Umbruchs, und nicht nur die Schaukel selbst, sondern auch die verspielte Erotik sollte in weiteren seiner Werke als Motiv auftreten. Des Weiteren existierten zwei Kopien des Gemäldes:

  • Eine Kopie, vormals im Besitz von Edmond de Rothschild[12] soll die Dame mit einem blauen Kleid gezeigt haben.
  • Eine kleinere Kopie befindet sich im Musée Lambinet.

Rezeption

Die Schaukel wurde schnell zu einem international bekannten Werk und wurde in Form von Kupferstichen europaweit verkauft.[13] Seine Anhaltende Bekanntheit erklärt sich sicher auch dadurch, da solche Darstellungen während der Französischen Revolution verboten und das Gemälde erst 1860 wieder ausgestellt wurde.[14][10] Es ist in diesem Kontext, dass Wentzel es als „letzte[n] abendländische[n] Glanz und letzter abendländisch verbindlicher Eleganz“ bezeichnet.[14] In der Zeit der Revolution hatten Schriftsteller das Gemälde aufgegriffen und als Sinnbild des Ancien Régime bezeichnet.[15] Der Kunsthistoriker Donald Posner bezeichnete es als „(...) sicherlich das berühmteste Gemälde einer Schaukel in der Geschichte der Kunst.“[15]

Provenienz

Das Gemälde wurde 1865 von Richard Seymour-Conway in Paris erworben. Seine Kunstsammlung stellte später die Grundlage für die Wallace Collection dar, welche das Werk bis heute ausstellt. Eine umfangreiche Restaurierung fand 2021 statt, da das Gemälde aufgrund seiner Bekanntheit nur selten abgenommen wurde und daher der Restaurierung bedurfte.[16]

Commons: Die Schaukel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Charles Collé: Journal et mémoires de Charles Collé sur les hommes de lettres, les ouvrages dramatiques et les événements les plus mémorables du règne de Louis XV (1748-1772). Hrsg.: Firmin Didot Frères, Fils et Cie. Paris 1868, S. 165 - 66 (Digitalisat bei Google Books).
  2. The Artist. In: wallacecollection.org. Abgerufen am 23. Januar 2025 (englisch).
  3. Hans Wentzel: Jean-Honoré Fragonards «Schaukel»: Bemerkungen zur Ikonographie der Schaukel in der Bildenden Kunst. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Band 26, 1964, S. 191.
  4. Hans Wentzel: Jean-Honoré Fragonards «Schaukel»: Bemerkungen zur Ikonographie der Schaukel in der Bildenden Kunst. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Band 26, 1964, S. 191–194.
  5. Donald Posner: The Swinging Women of Watteau and Fragonard In: The Art Bulletin. Band 64, Nr. 1, 1982, S. 76 (JSTOR:3050195, doi:10.1080/00043079.1982.10787950).
  6. Donald Posner: The Swinging Women of Watteau and Fragonard In: The Art Bulletin. Band 64, Nr. 1, 1982, S. 78 (JSTOR:3050195, doi:10.1080/00043079.1982.10787950).
  7. Hans Wentzel: Jean-Honoré Fragonards «Schaukel»: Bemerkungen zur Ikonographie der Schaukel in der Bildenden Kunst. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Band 26, 1964, S. 197–98.
  8. a b c Donald Posner: The Swinging Women of Watteau and Fragonard In: The Art Bulletin. Band 64, Nr. 1, 1982, S. 85 (JSTOR:3050195, doi:10.1080/00043079.1982.10787950).
  9. Donald Posner: The Swinging Women of Watteau and Fragonard In: The Art Bulletin. Band 64, Nr. 1, 1982, S. 88 (JSTOR:3050195, doi:10.1080/00043079.1982.10787950).
  10. a b Stephen Farthing: Historia Sztuki, Überarbeitete und erweiterte Auflage, Warschau 2024, S. 254–55.
  11. Donald Posner: The Swinging Women of Watteau and Fragonard In: The Art Bulletin. Band 64, Nr. 1, 1982, S. 84 (JSTOR:3050195, doi:10.1080/00043079.1982.10787950).
  12. Wallace Collection (Hrsg.): Catalogue of the Oil Paintings and Water Colours in the Wallace Collection. 11. Auflage. London 1910, S. 94 (Digitalisat des Kataloges).
  13. Hans Wentzel: Jean-Honoré Fragonards «Schaukel»: Bemerkungen zur Ikonographie der Schaukel in der Bildenden Kunst. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Band 26, 1964, S. 211.
  14. a b Hans Wentzel: Jean-Honoré Fragonards «Schaukel»: Bemerkungen zur Ikonographie der Schaukel in der Bildenden Kunst. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Band 26, 1964, S. 188.
  15. a b Donald Posner: The Swinging Women of Watteau and Fragonard In: The Art Bulletin. Band 64, Nr. 1, 1982, S. 82 (JSTOR:3050195, doi:10.1080/00043079.1982.10787950).
  16. Conserving The Swing. In: wallacecollection.org. Abgerufen am 23. Januar 2025 (englisch).