Dhimitër Anagnosti
Dhimitër Anagnosti (* 23. Januar 1936 in Vuno, Königreich Albanien; † 1. September 2025 in Tirana, Albanien) war ein albanischer Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann und Politiker.
Leben und Wirken

Dhimitër Anagnosti wurde am 23. Januar 1936 im Dorf Vuno an der Albanischen Riviera geboren. Seine Schulausbildung erhielt er unter anderem an der Ali-Demi-Schule in Vlora und setzte seine Ausbildung am Gerassimow-Institut für Kinematographie in Moskau fort, wo er ein Regiestudium absolvierte. Basierend auf einer Kurzgeschichte von Ernest Hemingway drehte er 1961 gemeinsam mit Viktor Gjika den Film Njeriu kurrë nuk vdes. Für dieses Werk, bei dem er als Regisseur, Drehbuchautor und Kameramann tätig war, erhielt er den ersten Preis bei einem internationalen Filmfestival für Kinematographieschulen in den Niederlanden. Im selben Jahr kam auch der Film Jugend im Sturm (Debatik) heraus, bei dem sich Anagnosti vor allem als Kameramann auszeichnete. 1961 war auch das Jahr, als der Cineast seine Karriere beim Kinostudio „Shqipëria e Re“ begann. Weitere Filme der 1960er Jahre unter Anagnostis Beteiligung waren Gjirokastra (1962, Kamera), Toka jonë (1964, Kamera) und Gurët dekorativë (1964, Kamera). Es folgten Komisari i Dritës (1966, Regie und Kamera; zusammen mit Viktor Gjika), Duel i heshtur (1967, Regie) sowie Plagë të vjetra (1968, Regie und Drehbuch). Gurët dekorativë war der erste albanische Dokumentarfilm in Farbe.
In den 1970er Jahren inszenierte Anagnosti eine Reihe bedeutender Filme. Den Anfang machte Parafabrikatet (1970, Regie und Kamera), gefolgt von Malet me blerim mbuluar (1971, Regie und Drehbuch). Es folgten Motive nga dita e diel (1973, Regie), Cuca e maleve (1974, Regie und Kamera) sowie Përjetësi (1974, Regie, Drehbuch und Kamera). Mit Kur hiqen maskat (1975, Regie und Drehbuch) und dem vielbeachteten Film Rote Mohnblumen an den Wänden (Lulëkuqet mbi mure, 1976, Regie und Drehbuch) setzte er seinen Erfolg fort. Die Dekade schloss er mit den Werken Monumenti (1978, Regie) und Në shtëpine tonë (1979, Regie) ab.
Bis zum Ende der 1980er Jahre und dem politischen Umbruch in Albanien blieb Anagnosti weiterhin als Filmschaffender aktiv. Zu seinen Arbeiten dieser Zeit zählen Vëllezër dhe shokë (1980, Regie und Drehbuch) sowie die Drehbücher zu Besa e kuqe (1982) und Fraktura (1983). Im selben Jahr entstanden zudem Gurët e shtëpisë sime (1983, Regie und Drehbuch) und der Dokumentarfilm Kujtime nga Gjirokastra (1983, Regie). Später folgten Përrallë nga e Kaluara (1987, Regie und Drehbuch) und als eines seiner bekanntesten Werke Kthimi i ushtrisë së vdekur (1989, Regie und Drehbuch).
Während der kommunistischen Herrschaft in Albanien war er oftmals von der Zensur seiner Werke betroffen. Nach dem Sturz der Diktatur der Sozialistischen Volksrepublik Albanien wurde Anagnosti als Mitglied der Partia Demokratike e Shqipërisë (PD), der Demokratischen Partei Albaniens, in den frühen 1990er Jahren politisch aktiv. Bei der Parlamentswahl in Albanien 1991, der ersten freien Parlamentswahl, schaffte es Anagnosti als Abgeordneter auf einen der 75 von der PD erreichten Sitze. Unter Sali Berisha, dem Mitbegründer und langjährigen Vorsitzenden der Partei, der 1992 als erster Präsident des „neuen“ Albaniens hervorging, wurde Anagnosti am 12. April 1992 zum Minister für Kultur, Jugend und Sport vereidigt und trat nach über zweieinhalb Jahren im Amt mit 4. Dezember 1994 wieder von diesem zurück. Gründe für seinen Rücktritt waren, dass Sali Berisha, der damalige Präsident Albaniens, das negative Ergebnis eines Referendums über eine neue Verfassung nicht als sein eigenes politisches Versagen anerkannte und selbst nicht zurücktrat.
Nach seinem Ausscheiden aus der Politik wandte sich Anagnosti wieder der Kunst und Kultur zu. Er gründete eine Stiftung, die Künstler unterstützte und zugleich die albanische Kultur sowie ihre internationale Bekanntheit förderte. Nach vielen Jahren ohne Engagement wurde er um das Jahr 2001 wieder als Regisseur tätig und inszenierte – diesmal als Theaterregisseur – für das Albanische Nationaltheater das Drama Nata e trokitjeve në xham. Im Jahr 2005 führte er außerdem Regie beim Film Gjoleka, djali i Abazit, der 2006 in die Kinos kam und einige Filmpreise gewann. Darin erzählte er eine Geschichte über Generationenkonflikte, den Schmerz der Auswanderung und die schwierige Realität eines kleinen, unterentwickelten Landes.[1]
Anagnosti starb am 1. September 2025 nach langer Krankheit 89-jährig in Tirana.[1] Am Folgetag fand eine Ehren- und Gedenkzeremonie im Saal des Opern- und Balletttheaters Tirana im Kulturpalast statt.[1][2] Die Bestattung soll in Vuno, dem Heimatort Anagnostis, stattfinden.[1]
Auszeichnungen und Ehrungen (Auswahl)
Für seine bedeutenden Beiträge zu einigen der bekanntesten Werke der albanischen Filmgeschichte wurde er zunächst mit dem Ehrentitel Artist i Merituar (dt.: Verdienter Künstler Albaniens; 1979) und 1987 mit der Auszeichnung Volkskünstler geehrt.
Für sein filmisches Schaffen wurde Anagnosti im Laufe der Jahre vielfach ausgezeichnet. Eine der ersten Ehrungen war der erste Preis bei einem internationalen Filmfestival in den Niederlanden für den Film Njeriu kurrë nuk vdes (1961), den er gemeinsam mit Viktor Gjika realisierte.
Für Komisari i Dritës (1966) erhielt er die nach Naim Frashëri benannte Naim-Frashëri-Medaille I. Klasse, während ihm Plagë të vjetra (1968) den Preis der Republik II. Klasse sowie den ersten Preis bei einem nationalen Wettbewerb für das Beste Drehbuch einbrachte.
Sein international bekanntes Werk Rote Mohnblumen an den Wänden (1976) setzte sich auf mehreren Festivals durch: Beim Zweiten Nationalen Filmfestival Albaniens wurde der Film als Bester Film ausgezeichnet, beim FEST in Belgrad erhielt er den Grand Prix, zudem gewann er die Goldmedaille beim Giffoni International Film Festival in Italien und den Albanischen Preis der Republik I. Klasse.
Mit Në shtëpine tonë (1979) wurde er beim Salerno Film Festival 1980 für die Beste Regie ausgezeichnet, erhielt den Spezialpreis beim Giffoni International Film Festival und den ersten Platz als Bester Regisseur beim Vierten Nationalen Filmfestival Albaniens.
Der Dokumentarfilm Kujtime nga Gjirokastra (1983) gewann beim Fünften Nationalen Dokumentarfilmfestival Albaniens den Titel Bester Dokumentarfilm und erhielt ebenfalls den Preis der Republik I. Klasse.
Përrallë nga e Kaluara (1987) wurde beim Siebenten Nationalen Filmfestival Albaniens mit dem zweiten Preis ausgezeichnet und gewann beim Internationalen Filmfestival in Bondy, Frankreich den ersten Preis (ex aequo).
Beim Neunten Albanischen Filmfestival 1990 erhielt Anagnosti für den von ihm inszenierten Film Kthimi i ushtrisë së vdekur die Auszeichnungen für Beste Regie und Bestes Drehbuch.
Familie
Von 1965 bis zu seinem Tod war er mit der albanischen Schauspielerin Roza Anagnosti (geborene Xhuxha; * 1943) verheiratet.[3]
Filmografie (Auswahl)
- 1961: Njeriu kurrë nuk vdes (Regie, Drehbuch, Kamera)
- 1961: Jugend im Sturm (Debatik; Kamera)
- 1962: Gjirokastra (Kamera)
- 1964: Toka jonë (Kamera)
- 1964: Gurët dekorativë (Kamera)
- 1966: Komisari i Dritës (Regie, Kamera)
- 1967: Duel i heshtur (Regie)
- 1968: Plagë të vjetra (Regie, Drehbuch)
- 1970: Parafabrikatet (Regie, Kamera)
- 1971: Malet me blerim mbuluar (Regie, Drehbuch)
- 1973: Motive nga dita e diel (Regie)
- 1974: Cuca e maleve (Regie, Kamera)
- 1974: Përjetësi (Regie, Drehbuch, Kamera)
- 1975: Kur hiqen maskat (Regie, Drehbuch)
- 1976: Rote Mohnblumen an den Wänden (Lulëkuqet mbi mure; Regie, Drehbuch)
- 1978: Monumenti (Regie)
- 1979: Në shtëpine tonë (Regie)
- 1980: Vëllezër dhe shokë (Regie, Drehbuch)
- 1982: Besa e kuqe (Drehbuch)
- 1983: Fraktura (Drehbuch)
- 1983: Gurët e shtëpisë sime (Regie, Drehbuch)
- 1983: Kujtime nga Gjirokastra (Regie)
- 1987: Përrallë nga e Kaluara (Regie, Drehbuch)
- 1989: Kthimi i ushtrisë së vdekur (Regie, Drehbuch)
- 2006: Gjoleka djali i abazit (Regie, Drehbuch)
Weblinks
- Dhimitër Anagnosti bei IMDb
- Dhimitër Anagnosti auf der offiziellen Webpräsenz des Albania Art Institute ( vom 24. Juli 2011 im Internet Archive) (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Arti në zi! Shuhet në moshën 89-vjeçare regjisori i shquar, Dhimitër Anagnosti! E bija: Pas një lëngimi të gjatë, iu bind ligjit të jetës (albanisch), abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Der große albanische Regisseur Dhimitër Anagnosti ist verstorben, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Aktorja e madhe Roza Anagnosti feston ditëlindjen, sa vjeç bën ikona e skenës shqiptare (albanisch), abgerufen am 1. September 2025.