Communicatio idiomatum

Communicatio idiomatum („Austausch der Eigenschaften“) ist in der christlichen Theologie eine Ergänzung der Lehre von den zwei Naturen Christi in einer Person.

Die Zwei-Naturen-Lehre wurde auf dem Konzil von Chalcedon 451 formuliert und besagt, dass Jesus Christus zugleich wahrer Mensch und wahrer Gott ist – „unvermischt“ (ἀσυγχύτως, asynchytos) und „unverwandelt“ (ἀτρέπτως, atreptos), aber auch „ungetrennt“ (ἀδιαιρέτως, adiairetos) und „unzerteilt“ (ἀχωρίστως, achoristos). Nach der Lehre der Communicatio idiomatum haben beide Naturen Anteil an den Eigenschaften der jeweils anderen Natur.

Geschichte

Die Lehre wurde zuerst von Leo dem Großen in seinem Lehrschreiben an das Konzil von Ephesus 449 formuliert, später vor allem von Johannes von Damaskus entwickelt und im Mittelalter unter anderem von Thomas von Aquin vertreten.

Ihre größte Bedeutung erlangte sie jedoch in den Abendmahlsstreitigkeiten der Reformationszeit. Martin Luther hielt – im Gegensatz zum Schweizer Reformator Zwingli – an der Auffassung fest, dass Jesus Christus im Heiligen Abendmahl leibhaft gegenwärtig ist (Realpräsenz). Das ist aber nur möglich, wenn auch die menschliche Natur Christi die göttliche Eigenschaft der Allgegenwart hat (s. Ubiquitätslehre). Deshalb war Martin Luther ein engagierter Vertreter der Communicatio idiomatum.

Zur Beschreibung der Idiomenkommunikation entwickelten Martin Chemnitz (beispielsweise in der Konkordienformel)[1] und die orthodox-lutherischen Theologen drei Leitsätze:

  1. Genus idiomaticum: Die Eigenschaften der menschlichen Natur als auch die Eigenschaften der göttlichen Natur werden der ganzen Person Jesu Christi zugelegt.
  2. Genus maiestaticum: Die menschliche Natur Jesu Christi hat real Anteil an den Eigenschaften der göttlichen Natur.
  3. Genus apotelesmaticum: Jede der beiden Naturen ist an den besonderen Werken der anderen Natur beteiligt.

Der Philosoph Johann Georg Hamann (1730–1780) verwendete den Begriff Communicatio idiomatum nicht nur für Christus, sondern für ein von ihm auch andernorts wahrgenommenes Zusammenwirken von Göttlichem und Menschlichem.

Literatur

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Martin Seils: Idiomatum communicatio. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4. Schwabe Verlag, Basel 1976, Sp. 186 f.
  • Notger SlenczkaCommunicatio idiomatum. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 2, Mohr-Siebeck, Tübingen 1999, Sp. 433–434.
  • Friedemann Fritsch: Communicatio idiomatum. Zur Bedeutung einer christologischen Bestimmung für das Denken Johann Georg Hamanns. de Gruyter, Berlin 1999, ISBN 3-11-016238-5.
  • Richard Cross: Communicatio idiomatum: Reformation Christological debates. Oxford University Press, Oxford 2019, ISBN 978-0-19-884697-0.

Fußnoten

  1. Ulrich Wiedenroth: Krypsis und Kenosis. Studien zu Thema und Genese der Tübinger Christologie im 17. Jahrhundert. Mohr Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 978-3-16-150873-8, S. 384–386.