Cocolapan

Ansicht der Cocolapan-Fabrik, gemalt von Pietro Gualdi (1808–1857).

Die Cocolapan-Spinnerei (spanisch Fábrica de Hilados de Cocolapan) war eine von 1837 bis 2010 in der mexikanischen Stadt Orizaba im Bundesstaat Veracruz bestehende Textilfabrik zur Herstellung von Garn und Geweben aus Baumwolle. Sie war die erste von bald mehreren Textilfabriken in Orizaba und legte somit den Grundstein zum „Manchester mexicana“, wie die prosperierende Industriestadt bald genannt wurde.[1]

Begriff

Cocolapan bedeutet etwa „Über dem wirbelnden Wasser“[2] und ist eine Anspielung auf den in unmittelbarer Nähe fließenden Río Blanco, dessen Wasserkraft für den Antrieb der Maschinen verwendet wurde.[1] Der Fabrikname leitete sich vom 1569 gegründeten historischen Barrio im Süden von Orizaba ab.[3]

Geschichte

19. Jahrhundert

Die Cocolapan-Fabrik wurde 1836 von dem mexikanischen Politiker und Unternehmer Lucas Alamán zusammen mit den französischen Brüdern Próspero und Augusto Legrand gegründet.[3][1] Der Bau des U-förmigen Fabrikgebäudes begann am 3. März 1837 unter der Leitung des Architekten Henrique Griffon und mit Unterstützung des Bürgermeisters von Orizaba, Manuel Martín de la Llave, dem Vater des Generals Ignacio de la Llave. Als Standort wurde ein Grundstück etwa eine halbe Meile südöstlich von Orizaba am Ufer des Flusses Río Blanco gewählt, auf dem ehemals eine Mühle stand. Die Unternehmer investierten rund 210.000 Pesos in einen modernen Maschinenpark zur Herstellung von Baumwollgarn, darunter eine „El Diablo“ genannte Maschine zum Reinigen der Baumwollfasern, 48 Kardiermaschinen, 120 sogenannte Trowster-Maschinen und 16 Spinnmaschinen.[1][4] 24 der Kardiermaschinen stammten von einer Firma in Matteawan in New York, die übrigen 24 aus der Fabrik Phoenix im belgischen Gent. Die Baumwolle wurde aus Oaxaca, Puebla und Orizaba angekauft. 1839 beschäftigte die Fabrik 600 Arbeiter und konnte pro Tag rund 908 Kilogramm Garn herstellen. In politisch unruhigen Zeiten brachen die Verkaufszahlen der Fabrik 1841 ein, Alamán verschuldete sich und die Fabrik ging 1842 in den Besitz seines Darlehensgebers Cayetano Rubio aus Querétaro über.[4] 1850 erwarben die Brüder Manuel und Antonio Escandón (1824–1877) die Fabrik und sorgten daraufhin für die 1873 erfolgte Eisenbahnanbindung der Stadt.[5][6][1] 1865 besuchte Kaiser Maximilian Orizaba und übernachtete zwei Tage in Räumen der Fabrik.[2] Nach Manuel und Antonio Escandóns Tod ging die Fabrik an ihre Erben, die Familie Escandón Arango über, die auch eine Konzession für ein Wasserkraftwerk am Río Blanco besaß. 1899 verkaufte die Familie die Cocolapan-Fabrik und das Wasserwerk an die CIDOSA.[5] Die CIDOSA übernahm bis 1910 darüber hinaus die Fabriken San Lorenzo in Nogales, Los Cerritos (gegründet von Enrique L. Wiechers)[1] und die Wasserkraftwerke Santa Gertrudis, Ríncón Grande und Boquerón sowie Stromwerke, was die CIDOSA zu einem der größten Konsortien Mexikos machte.[7][5]

20. Jahrhundert

Die CIDOSA modernisierte die Cocolapan-Fabrik umfassend und baute sie bis 1903 mit 400 Webstühlen zu einer Weberei um.[5][1] Zu dieser Zeit kam es wegen der zunehmend schlechten Arbeitsbedingungen in den Fabriken der CIDOSA zu Arbeitskämpfen, so auch in der Cocolapan-Fabrik. Am 2. Juli 1912 wurde der Arbeiter Ángel Pérez, Mitglied des Betriebsrats, unter einem Vorwand entlassen. Als der Fabrikverwalter trotz Forderungen der Arbeiter seine Entscheidung nicht rückgängig machen wollte, kam es zu Arbeitsniederlegungen in der Cocolapan-Fabrik sowie in den benachbarten Fabriken Los Cerritos und El Yute. Als das Militär in die Menge der Demonstranten schoss, starben 30 Arbeiter. Am 12. April 1926 kam es in der Cocolapan-Fabrik abermals zu Ausschreitungen wegen der Entlassung des Arbeiters Mario Tobón. Dabei kam ein Arbeiter ums Leben. Bei Verhandlungen um einen Tarifvertrag für Arbeiter der CIDOSA und Cocolapan kam es am 17. Januar 1928 zu einem landesweiten Streik mit gewaltvollen Auseinandersetzungen. Der General Lázaro Cárdenas kam daraufhin nach Orizaba.[2]

1993 erwarb der Geschäftsmann und Chemieingenieur Juan Mata González das CIDOSA-Konsortium von der Familie Aja del Valle für 770 Millionen Pesos, nachdem es 1992 zu Streiks wegen der Tarifverträge gekommen war.[8] Die CIDOSA wurde in der Folge in Industrias Pino de Orizaba S.A. umbenannt. Mata machte die Weiterbeschäftigung der Mitarbeitenden von ihrem Austritt aus der Gewerkschaft abhängig.[9] 2003 wurde Mata Gonzáles wegen Steuerhinterziehung festgenommen.[8] Cocolapan und Los Cerritos hatten zu diesem Zeitpunkt bereits den Betrieb eingestellt.[10]

Eingang zur ehemaligen Cocolapan-Fabrik, 2025

Mit dem Ende der CIDOSA setzte auch ein zunehmender Verfall der Cocolapan-Fabrikanlage ein. Mata Gonzáles riss selbst mithilfe von Maschinen die Wände der historischen Gebäude ein.[1] Obwohl es Bestrebungen gab, die Anlage für die Nachwelt zu erhalten, wurde das Anwesen 2008 an den Geschäftsmann Fidel Kuri Grajales verkauft, der die alten Fabrikanlagen abreißen ließ um ein, allerdings nie realisiertes, neues Fußballstadion zu errichten.[1][11]

Fußballplatz

Nach Gründung der A.D.O. im Jahr 1916 spielte deren Fußballmannschaft anfangs auf dem Fußballplatz der Santa Gertrudis Fábrica de Yute, auf dem schon der historische Orizaba Athletic Club seine Heimspiele ausgetragen hatte.[12] Doch schon bald bezog der neu gegründete Verein seine neue Heimspielstätte auf dem Gelände der Textilfabrik „Cocolapan“,[13] dessen Rasen seinerzeit als exzellent galt.[14]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i Jessica Ignot: Cocolapan: gloria y prosperidad. In: Diario El Mundo. 3. August 2020 (archive.org [abgerufen am 31. August 2025]).
  2. a b c Historia de Orizaba (Memento vom 15. Februar 2020 im Internet Archive) (PDF; spanisch). Abgerufen am 21. September 2021.
  3. a b Orizaba (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) in der Enciclopedia de Los Municipios y Delegaciones de México, Estado de Veracruz (spanisch). Abgerufen am 21. September 2021.
  4. a b Ismael de Valverde Ambriz: Lucas Alamán empresario. Fundación y desarrollo de la Fábrica de Hilados de Cocolapan, Orizaba, Veracruz, 1837-1842. In: Boletín de Monumentos Históricos, Tercera época. Nr. 33, Januar 2015, S. 23–34 (gob.mx [PDF; abgerufen am 31. August 2025]).
  5. a b c d Edgar Pérez García: Las fábricas textiles del valle de Orizaba y su contribución a la arquitectura de la vida cotidiana, 1881 – 1930. Oktober 2016 (unam.mx [PDF; abgerufen am 1. September 2025]).
  6. Benjamín Maciel Gómez: El ferrocarril Mexicano y los hermanos Escandón (spanisch; Artikel vom 27. Oktober 2015)
  7. Luis Everaert Dubernard, Elsa Chabaud, Aurelio Rodríguez Villa, Mario Salas: Centenario, 1889-1989 : Compañia Industrial de Orizaba, S.A. Salvat Mexicana Eds., Querétaro 1990
  8. a b Detienen a empresario por defraudar al fisco. In: orizabaenred.com.mx. 20. Juni 2003, abgerufen am 31. August 2025 (spanisch).
  9. Patricia Vega: Mata y la CROC acabaron con el histórico sindicato de Río Blanco. In: jornada.com.mx. 6. Mai 1997, abgerufen am 31. August 2025 (spanisch).
  10. Detienen a empresario por defraudar al fisco. In: orizabaenred.com.mx. 20. Juni 2003, abgerufen am 31. August 2025 (spanisch).
  11. Gilberto Gómez Nicolás: Leña Verde. In: orizabaenred.com.mx. 28. November 2011, abgerufen am 31. August 2025 (spanisch).
  12. Juan Cid y Mulet: Libro de Oro del Fútbol Mexicano, B. Costa-Amic, Mexiko-Stadt, 1960, S. 187
  13. Monografias.com: Orizaba Veracruz (spanisch; abgerufen am 7. Januar 2014)
  14. Juan Cid y Mulet: Libro de Oro del Fútbol Mexicano, B. Costa-Amic, Mexiko-Stadt, 1960, S. 37