Clara Mosch
Clara Mosch war keine Person, sondern eine Galerie und eine Künstlergruppe in der DDR aus Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), die von 1977 bis 1982 bestand. Nach einer Idee von Thomas Ranft wurde der Name der Gruppe aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen der fünf Gründungsmitglieder gebildet: CLA steht für Carlfriedrich Claus, RA für Thomas und Dagmar Ranft, MO für Michael Morgner und SCH für Gregor-Torsten Schade (später verh. Kozik).
Geschichte


Die Gruppe wurde am 30. Mai 1977 gegründet und entwickelte sich zu einem wichtigen Forum für unabhängige und avantgardistische Kunst in der DDR.
Der Künstlerverband beraumte kurz vor der Eröffnung der Galerie Clara Mosch einen Pflichttermin für die Beteiligten an. Zum einen übernahm der Kulturbund der DDR alle anfallenden Kosten des Projektes, zum anderen musste die Mosch-Gruppe akzeptieren, dass sich die Galerieleitung zu gleichen Teilen aus Vertretern der Künstlergruppe und Funktionären des Kulturbundes zusammensetzte.[1]
Etliche der Ausstellungen der Gruppe fanden in der Galerie Oben in Karl-Marx-Stadt statt. Am 27. November 1982 löste sich die Gruppe auf, da mit der Zeit mehr Kunstobjekte anderer Künstler in der Galerie ausgestellt wurden und dies nicht dem Wunsch der Mosch-Künstler entsprach.
Ausstellungen der Gruppe nach der Auflösung
Eine Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz als Einrichtung der Stadt Chemnitz vom 23. Februar 2020 bis 21. Juni 2020 beleuchtete die Aktionen der Gruppe als eines der wichtigsten Beispiele alternativen Kunstschaffens in der DDR – das unabhängig von staatlicher Kunstdoktrin realisiert wurde. Die Aktionen der Karl-Marx-Städter Künstlergruppe Clara Mosch sind im Wesentlichen durch die von Ralf-Rainer Wasse erstellten Fotografien überliefert. Die zwischen 1975 und 1986 entstandenen Fotografien, die Wasse auch für das Ministerium für Staatssicherheit anfertigte und die den Schwerpunkt der Ausstellung bildeten, dokumentieren die eigentlich ephemeren Aktionen der Gruppe. Sie belegen die künstlerische Selbstinszenierung der Mitglieder von Clara Mosch zwischen Eigensinn und performativen Kunstformen und reflektieren zugleich Wasses ästhetische Ansprüche als Fotograf.[2]
Die in der Ausstellung gezeigten Fotografien waren jedoch auch Zeugnisse der Überwachung und Zerschlagung der Gruppe durch das Ministerium für Staatssicherheit. Aufgrund ihres eigenwilligen und unabhängigen Kunstschaffens wurde die Gruppe Clara Mosch als „negativ-feindliche“ eingestuft und war Gegenstand mehrerer operativer Vorgänge, denen Wasse durch Fotografien und Berichte zuarbeitete. Zur Ausstellung veröffentlichten die Kunstsammlungen Chemnitz zum 24. Februar 2020 einen Katalog, der auch einen Ausschnitt der geheimdienstlichen Kontrolle dokumentiert. Die Bilder stammen aus den umfangreichen Beständen des Carlfriedrich-Claus-Archivs der Kunstsammlungen Chemnitz und des im Lindenau-Museum Altenburg verwahrten Wasse-Nachlasses.[3]
2023 fand in Berlin eine weitere Ausstellung mit dem Titel Clara Mosch und frühe Kunstaktionen in der DDR im KVOST (Kunstverein Ost) statt. Sie wurde von Stephan Koal kuratiert, der auch den gleichnamigen Katalog herausbrachte.[4]
Filme
Am 10. Mai 2020 zeigte Das Erste in der Fernsehsendung ttt – titel, thesen, temperamente eine Dokumentation mit dem Titel Clara Mosch und Ralf-Rainer Wasse – Aktion und Fotografie. Der Bericht nimmt Bezug auf die Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz von 2020 und lässt Künstler der Clara Mosch Gruppe vor der Kamera sprechen.[5][6]
Michael Morgner äußerte in der Sendung: „Da hat man immer verzweifelt versucht, irgendeine Kunst zu machen, die nicht so aussieht wie die DDR“, und über Wasses Dokumentation: „Für uns war das wirklich Glück“ sowie „Das ist wie Faust und Mephisto, wenn einer nicht das Gute will und trotzdem macht“. Thomas Ranft ergänzte: „Die ganzen Pleinairs und die ganzen Aktionen wären ohne ihn [Wasse] nie dokumentiert worden, und es wäre nichts davon [Clara Mosch] übrig geblieben.“
Die Dokumentation berichtet, Wasse sei nach der Enttarnung als Informant für das Ministerium für Staatssicherheit 1992 vor jeder Aussprache geflohen und sei fortgezogen. Im Buch Clara Mosch und Ralf-Rainer Wasse der Kunstsammlungen Chemnitz ist vermerkt, dass Wasse 1992 Chemnitz verließ und an die Ostsee bei Kiel zog.[7]
2023 sendete NDR Kultur in Das Journal den Beitrag Clara Mosch: Eine Künstlergruppe und ein Stasi-Spitzel. Michael Morgner mahnte darin mehr Solidarität zwischen ost- und westdeutschen Kunstschaffenden an, und Thomas Ranft betonte, dass die Natur der größte Kunstgeber für die Künstler sei. Laut dem Bericht stand die Gruppe Clara Mosch zeitweise unter Beobachtung von über 100 Stasi-Spitzelnn.[8][9]
2025 kam der Dokumentarfilm Go Clara Go der Berliner Regisseurin Sylvie Kürsten ins Kino.[10][11] Er wurde für das Europäische Kulturhauptstadtjahr in Chemnitz gedreht. Die Frankfurter Rundschau bezeichnete den Film als „einen poetischen, emotionalen und humorvollen Film über die unverbissen gealterten Rebellen und die ‚Tatorte‘ ihrer Experimente“.[12]
Literatur
- Clara Mosch und Ralf-Rainer Wasse, Aktion und Fotografie, 24. Februar 2020, Publikation anlässlich der Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz 2020, 127 S., ISBN 978-3-930116-51-5.
- Galerie Gunar Barthel und Galerie Oben (Hrsg.): Clara Mosch 1977–1982: Werke und Dokumente: Claus, Ranft-Schinke, Ranft, Morgner, Schade, Berlin und Chemnitz 1997, ISBN 3-00-001984-7.
- Jens-Uwe Sommerschuh: Fünf Jahre nach der Wende: „Clara Mosch“ ist Erinnerung – Ihre Kunst lebt weiter: Die Helden von einst gehen jetzt ihre eigenen Wege In: Gruner + Jahr (Hrsg.), art: Das Kunstmagazin, Nr. 10, Oktober 1995, Hamburg 1995, S. 44–52.
- Gunar Barthel (Hrsg.): Clara Mosch – Dokumentation und Wirkungsgeschichte. Galerie G. Barthel, Berlin 1992, OCLC 312685387.
- Olaf Thormann: Clara Mosch: Zur Geschichte einer Chemnitzer Künstlergruppe und Produzentengalerie. In: Reiter in Dresden, das Kulturjournal, Nr. 7 vom Januar 1991, Dresden 1991, S. XVI–XXI.
- Stephan Koal (Hrsg.): Clara Mosch und frühe Kunstaktionen in der DDR – anlässlich der Ausstellung im Kunstverein Ost – KVOST, ISBN 978-3-96912-178-8.
Weblinks
- Literatur von und über Clara Mosch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Clara Mosch in der Sächsischen Bibliografie
- Clara Mosch in der Galerie Barthel + Tetzner
Einzelnachweise
- ↑ Vgl.: boheme und diktatur in der ddr, eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin, 4. September 1997 bis 16. Dezember 1997.
- ↑ Clara Mosch und Ralf-Rainer Wasse, Ausstellung, 2020, Die Kunstsammlungen Chemnitz als Einrichtung der Stadt Chemnitz. Abgerufen am 12. Mai 2020.
- ↑ Clara Mosch und Ralf-Rainer Wasse auf lesejury.de. Abgerufen am 15. Mai 2020.
- ↑ Wie das Kunstkollektiv Clara Mosch die Stasi foppte. Abgerufen am 23. Mai 2023.
- ↑ ttt – titel thesen temperamente am Sonntag, 10. Mai 2020. In: presseportal.de. 7. Mai 2020, abgerufen am 11. Juli 2024.
- ↑ Clara Mosch und Ralf-Rainer Wasse – Aktion und Fotografie, Video download, Dauer 00:06:05 ( vom 25. September 2020 im Internet Archive)
- ↑ Frédéric Bußmann, Jutta Penndorf, Erchen Wang: Clara Mosch und Ralf-Rainer Wasse: Aktion und Fotografie. Hrsg.: Frédéric Bußmann. Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, ISBN 978-3-930116-51-5, S. 29. (Detailangaben entstammen aus Buch und DNB)
- ↑ Clara Mosch: Eine Künstlergruppe und ein Stasi-Spitzel, Video download, Dauer 00:05:23 ( vom 11. Juli 2024 im Internet Archive)
- ↑ Clara Mosch: Eine Künstlergruppe und ein Stasi-Spitzel. In: ardmediathek.de. 2. Oktober 2023, abgerufen am 11. Juli 2024.
- ↑ Go Clara Go. In: salzgeber.de. Abgerufen am 29. Juni 2025.
- ↑ Kulturzeit Filmtipp: "Go Clara Go: die Kunst des kreativen. In: zdf.de. Abgerufen am 29. Juni 2025.
- ↑ Ingeborg Ruthe: Dokumentarfilm „Go Clara Go“ – Angstfrei in Karl-Marx-Stadt. Frankfurter Rundschau, 26. Juni 2025, abgerufen am 28. Juni 2025.