Chemin Neuf
Die Gemeinschaft Chemin Neuf [ʃəmɛ̃ nœf] (französisch für ‚Neuer Weg‘) ist eine Gemeinschaft innerhalb der katholischen Kirche mit ökumenischer Berufung. Sie umfasst rund 2.000 Mitglieder in 30 Ländern.[1]
Entstehung und Verbreitung
Die Kommunität entstand 1973 aus einer Gebetsgruppe in Lyon. Ihr Gründer ist der Jesuitenpater Laurent Fabre (* 1940).[2]
In Deutschland arbeitet die als öffentliche Vereinigung von Gläubigen kirchlich anerkannte Gemeinschaft seit 1992 und ist zugleich ein eingetragener Verein bürgerlichen Rechts.[1] Die Gemeinschaft leitete seit 1994 die Herz-Jesu-Kirche in Berlin-Prenzlauer Berg. Von 2000 bis zum 1. September 2022 war sie zunächst in der katholischen Pfarrei St. Adalbert, seit 2017 Pfarrei Bernhard Lichtenberg in Berlin-Mitte tätig.[3] Die Gemeinschaft lebt seit 2006 im Kloster Berlin-Lankwitz,[4] wo sie ein christliches Studentenwohnheim betreibt[5] und seit 2012 ein geistliches Zentrum aufbaut. Die Leitung hat seit 2021 P. Christophe Blin.[6]
Seit Sommer 2007 wirkt Chemin Neuf in Bonn und steht dort im Dienst der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) an St. Remigius. Weltweit werden 25 Studentenwohnheime in Großstädten betrieben. Vor allem Studenten schätzen diese interkulturelle Kompetenz und suchen Auslandserfahrung bei sozialen Projekten.[7]
Im August 2016 gab der Gründer Laurent Fabre die Leitung der Gemeinschaft weiter. Zum neuen Leiter wählte das Generalkapitel den französischen Priester und Sozialwissenschaftler François Michon.[8]
Ziele
Ein Hauptanliegen von Chemin Neuf ist die Einheit und Versöhnung der Christen. In den Studentenwohnheimen der Gemeinschaft können junge Menschen konfessionsübergreifend Erfahrungen machen. Hinzu kommen verschiedene seelsorgerliche Angebote, insbesondere für junge Erwachsene, Paare und Familien. Die Mitglieder von Chemin Neuf gehören verschiedenen Lebensständen an: Als Priester, zölibatäre Schwestern und verheiratete Paare arbeiten sie gemeinsam in Gruppen. Die Mitglieder der Gemeinschaft haben zudem unterschiedliche konfessionelle Hintergründe (katholisch, orthodox, anglikanisch, reformiert, evangelisch-lutherisch oder freikirchlich). Sie sehen sich als Teil der Charismatischen Erneuerung. Weitere Ziele der Gemeinschaft sind die Evangelisation und der Frieden in der Welt.[1]
Chemin Neuf veranstaltet deutschlandweit Einkehrtage, Retreats und Schweige-Exerzitien, die sich insbesondere an junge Erwachsene, Paare und Familien richten.[9][10]
Im Jahr 2012 bekam Chemin Neuf den Ökumene-Preis des Ökumenischen Rates Berlin Brandenburg.[11]
Leitfaden der Organisation ist der Ausspruch von Papst Johannes Paul II.: „Es ist wichtig, dass wir uns von jetzt an bemühen, alles gemeinsam zu tun, was wir gemeinsam tun können.“[12]
Kirchliche und bürgerlich-rechtliche Anerkennung
Chemin Neuf wurde 1973 von Lyoner Erzbischof Kardinal Alexandre-Charles Renard anerkannt und 1984 unter dessen Nachfolger Kardinal Albert Decourtray eine Vereinigung von Gläubigen.[13] Dieser kanonische Status erlaubt es der Gemeinschaft, den christlichen Glauben im Namen der Kirche zu lehren und den öffentlichen Gottesdienst zu fördern (Kanon 301,1 CIC). Am 24. Juni 1992 errichtete Kardinal Decourtray das Institut Chemin Neuf als Klerikerinstitut diözesanen Rechts für die Priester und die Priesteramtskandidaten der Gemeinschaft. Am 14. September 2009 wurde das Klerikerinstitut von der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens als klerikales Ordensinstitut päpstlichen Rechts anerkannt.[14] Der Päpstliche Rat für die Laien (PCL) nahm die Gemeinschaft Chemin Neuf in seinem 2006 veröffentlichten Direktorium auf.[15]
Die Gemeinschaft Chemin Neuf wurde vom Französischen Staat als religiöse Kongregation anerkannt (Dekret des Ministerpräsidenten vom 23. Juli 1993).[16] In Deutschland hat die Gemeinschaft Chemin Neuf die Rechtsform eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins.[17]
Kritik
In den 1990er Jahren wurden in Frankreich eine Reihe christlicher Gemeinschaften beschuldigt, sektenähnliche Praktiken zu praktizieren, darunter auch Chemin Neuf.[18] Der deutsche Kirchenrechtler Andreas Friedel weist in seiner ausführlichen wissenschaftlichen Untersuchung der Gemeinschaft Chemin Neuf darauf hin, dass in "einem säkularen Umfeld oder gar einer laizistischen Gesellschaft wie Frankreich (...) viele religiöse Praktiken als sektenhaft" erscheinen.[19] Die Vorwürfe könnten "aus kirchenrechtlicher Perspektive als überzogen zurückgewiesen werden".[20]
Auch der ehemalige Lyoner Erzbischof Jean Balland (1934–1998)[21] und der seinerzeitige Sektenbeauftragte der französischen Bischofskonferenz Jean Vernette (1929–2002)[22] wiesen die Beschuldigungen zurück.
Weblinks
- Communauté du Chemin Neuf – offizielle Website (französisch)
- Gemeinschaft Chemin Neuf – offizielle Website (deutsch)
Einzelnachweise
- ↑ a b c Wir über uns - Einige Zahlen. Chemin Neuf, abgerufen am 10. September 2025.
- ↑ Literatur von und über Fabre, Laurent im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- ↑ Website St. Adalbert-Kirche ( vom 26. November 2015 im Internet Archive)
- ↑ Annelen Hölzner-Bautsch: 100 Jahre Kirche Mater Dolorosa – Geschichte der katholischen Gemeinde in Berlin-Lankwitz – 1912 bis 2012. Herausgeber: Katholische Pfarrgemeinde Mater Dolorosa, Selbstverlag, Berlin (2012), S. 343 ff. 100 Jahre Kirche Mater Dolorosa – Geschichte der katholischen Gemeinde in Berlin-Lankwitz – 1912 bis 2012, Mater Dolorosa Berlin-Lankwitz, abgerufen am 24. April 2013
- ↑ Anett Kirchner: Klösterliches Leben im Dorfkern In: Der Tagesspiegel vom 12. April 2018, abgerufen am 5. Juni 2018.
- ↑ Communauté du Chemin Neuf, Oliver Matri: Zeit des Wandels. In: chemin-neuf.de. 22. Dezember 2021, abgerufen am 5. Mai 2024.
- ↑ Die Gemeinschaft Chemin Neuf in der Gemeinde Herz Jesu. Abgerufen am 10. September 2025.
- ↑ Neuer Leiter bei Chemin Neuf gewählt, abgerufen am 5. Juni 2018.
- ↑ Angebote für junge Erwachsene. Chemin Neuf, abgerufen am 10. September 2025.
- ↑ Angebote für Paare und Familien. Chemin Neuf, abgerufen am 10. September 2025.
- ↑ Ökumenischer Rat Berlin Brandenburg: Ökumenepreis ( vom 1. Februar 2014 im Internet Archive)
- ↑ Rede von Johannes Paul II. an den Verbund der Schweizer Freikirchen. 14. Juni 1984, Website des Vatikans.
- ↑ Andreas Friedel: 'Chemin Neuf' in kirchenrechtlicher Sicht. Entwicklungen und Profil einer 'katholischen Gemeinschaft mit ökumenischer Berufung'. Würzburg 2018, S.31ff.
- ↑ Friedel, 'Chemin Neuf' in kirchenrechtlicher Sicht, S. 32.
- ↑ Friedel,'Chemin Neuf' in kirchenrechtlicher Sicht, S. 32.
- ↑ Friedel, S. 32.
- ↑ Friedel, 'Chemin Neuf' in kirchenrechtlicher Sicht, S. 33.
- ↑ Thierry Baffoy, Antoine Delestre, Jean-Paul Sauzet: Les Naufragés de l’Esprit. Des sectes dans l’Église catholique. Le Seuil editions, 1996.
- ↑ Friedel, 'Chemin Neuf' in kirchenrechtlicher Sicht, S. 283.
- ↑ Friedel, 'Chemin Neuf' in kirchenrechtlicher Sicht, S. 283.
- ↑ Les charismatiques sont-ils sectaires ? (PDF; 362 kB) Dernières Nouvelles d’Alsace, 26. Juni 1996, archiviert vom am 25. Juli 2011; abgerufen am 14. August 2009 (französisch).
- ↑ Jean Vernette: L’Eglise catholique et les sectes. (RTF; 94 kB) Conférence des évêques de France, 15. Januar 2001, archiviert vom am 16. Juli 2011; abgerufen am 14. August 2009 (französisch).