Cabinentaxi

Das Cabinentaxi war ein Entwicklungsprojekt des bundesdeutschen Forschungsministeriums für ein Personentransportsystem, das von einem Joint Venture aus Demag und Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) durchgeführt wurde. Die Besonderheit war die Umsetzung eines sogenannten Personal-Rapid-Transit-Konzepts (PRT), das im Gegensatz zum herkömmlichen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mit seinen nach Fahrplan verkehrenden Fahrzeugen kleine, voneinander unabhängige Kabinen verwendet, mit denen Fahrgäste individuell auf Bestellung ohne Zwischenhalt vollautomatisch an ihr Ziel gelangen.

Neben Hagen[1] wurden Umsetzungen der Technologie in Berlin (Spandau, Lichterfelde/Marienfelde, Wittenau/Märkisches Viertel)[2], Bremen (Huchting)[3]:4-173, Freiburg[4], Düsseldorf-Garath (Anbindung an Bahnhof), Lemgo, Erkrath-Hochdahl, Hamburg (Allermöhe[3], City Nord[5], Eimsbüttel[5], Farmsen[3]:4-173), Marl[6][4], München (Nord, Perlach)[3]:4-173, Detroit[7] und Indianapolis[8] untersucht.

Konzept

Ein Konzept für eine Kabinenbahn wurde in den 1970er Jahren in Hagen von dem Ingenieur und Projektleiter des Cabinentaxis, Klaus Becker, erprobt: Die Zielwahl der Fahrgäste sollte über die Eingabe eines Zifferncodes geschehen. Im Gegensatz zur reinen Hängebahn bzw. Hochbahn verkehren die elektrisch angetriebenen Kabinen auf beiden Ebenen, um auf geringem Raum mit einer einzigen Führungsschiene beide Fahrtrichtungen zu ermöglichen.

Die Kabinen verkehrten mit einer Höchstgeschwindigkeit von 36 km/h auf einem aufgeständerten Fahrweg, der von zwei asynchron betriebenen Kurzstatormotoren (Linearmotoren) in einer waagerechten Doppelkammanordnung angetrieben wurde.

Die Arbeitsgemeinschaft Cabinentaxi (CAT) forschte und entwickelte seit 1970 gemeinsam auf dem Gebiet der neuen Systeme für ÖPNV in Städten. Seit 1. Januar 1972 wurde diese Arbeitsgemeinschaft vom damaligen Bundesministerium für Forschung und Entwicklung gefördert.[9] Im Juni 1972 wurde eine detaillierte Projektplanung vorgestellt, auch im Unterricht der Hagener Schulen. Fotomontagen und Filme zeigten die gestalterische Einbindung in die Stadt. Kern des Modells war die Stadt Hagen, die mit 132 km Streckenlänge und 182 Stationen die Vorreiterrolle übernehmen sollte. Entsprechende Netzpläne wurden an der späteren Versuchsstrecke angebracht.[9] Ebenso werden schon die Gebiete der 1975 anstehenden kommunalen Neuordnung mit berücksichtigt. Randbezirke sollten mit dem Bus als Zubringer erschlossen werden. Ausgelegt war die Kapazität auf eine Einwohnerzahl von 400.000, die der Raum Hagen im Jahr 2000 haben sollte.[9]

Versuchsstrecke

Luftbild der Versuchsstrecke, 1978
Minister Horst Ehmke eröffnete die Erprobungsanlage 1973

Im Jahr 1973 wurde in Hagen-Vorhalle eine 150 m lange Teststrecke errichtet und am 6. September feierlich in Betrieb genommen.[10]

Die Teststrecke wurde im Nordwesten von der Bundesstraße 226 Volmarsteiner Straße, im Südwesten von der Straße Oberste Hülsberg und im Osten von der Straße Am Tempel flankiert. Bereits ein Jahr später, am 11. November 1974, wurde die Strecke auf 1,5 km kreisförmig ausgebaut. Fünf Kabinen, drei oben und zwei unten, wurden für die umfangreichen Tests verwendet. Im Oktober 1975 wurde zusätzlich eine Zwölf-Personen-Kabine eingesetzt. 1976 wurde die Teststrecke auf 1,9 km erweitert. Sie bekam insgesamt sechs Stationen (einschließlich der für Wartungsarbeiten und Rettungskabinen) und 24 Kabinen. Die Serienreife wurde 1981 erreicht. Ursprünglich sollte mit dem Cabinentaxi ein alternatives Verkehrsmittel für die Beförderung von vier, sechs, acht und zwölf Personen sowie eine Variante für den Güterverkehr geschaffen werden, aber es blieb bei der Versuchsstrecke.[10]

Die Versuchsanlage wurde im Juli 1981 vollständig abgebaut. Heute ist dieses Gelände in landwirtschaftlicher Nutzung, lediglich ein Zaun und Eingangsschilder der Versuchsanlage sind noch zu sehen.[10] Die Cabine C01 ist als Gartenlaube in einem Hagener Privatgarten erhalten.[11]

Cabinenlift

Ein Abkömmling dieser Entwicklung wurde 1975 als 578-m-Horizontallift, genannt Cabinenlift, im Kreiskrankenhaus Ziegenhain zur Verbindung der Vor- und Nachsorgeklinik errichtet und blieb bis 2002 in Betrieb.[12][13]

Weitere Umsetzungen des Cabinenlifts waren im Bremer Klinikum Mitte[14] und im Medical Center in Boston[3]:4-78 geplant.

Literatur

  • Klaus Dieter Becker: Träumen, erfinden, die Welt verbessern. Aus meinem Leben. Verlag Haag + Herchen, Frankfurt/M. 2002, ISBN 3-89846-211-0.

Video

Einzelnachweise

  1. Arbeitsgemeinschaft Demag + Messerschmitt-Bölkow-Blohm (Hrsg.): Hagen Project Planning Summary. 1972 (englisch, washington.edu [PDF; 1,8 MB]).
  2. SNV Studiengesellschaft Verkehr mbH i.A. des Senators für Wirtschaft Berlin (Hrsg.): Einsatz eines Kabinenbahnsystems in Berlin : Planungseinsatzstudie. Berlin 1978.
  3. a b c d e US Department of Transportation, SNV Studiengesellschaft Nahverkehr mbH (Hrsg.): Cabinentaxi/Cabinenlift - Untersuchung von Technologie, Entwicklung und Betrieb. Cambridge (Massachusetts) / Hamburg Dezember 1977 (englisch, wikimedia.org [PDF; 19,7 MB]).
  4. a b Karsten Leiding: Gleis 15.7 - Die Cabinentaxi-Projekte in Marl und in Freiburg / Breisgau. In: Gleismannsbahnhof. 21. April 2011, abgerufen am 6. April 2025.
  5. a b Karsten Leiding: Gleis 15.5 - C-Bahn-Projekte in Hamburg. In: Gleismannsbahnhof. 16. August 2007, abgerufen am 6. April 2025.
  6. Werner Diederichs: Durchführbarkeitsstudie Cabinentaxi-System in Marl : Kurzfassung. Hrsg.: SNV Studiengesellschaft Nahverkehr mbH. Berlin 1978.
  7. Cabintaxi. In: PRT NewsCenter. Abgerufen am 6. April 2025 (englisch): „The system was considered one of the leading contenders for the US Downtown People Mover Program (1975-79), and was widely recognized as the favorite system to win the Detroit People Mover Project.“
  8. Cabintaxi Corporation v. Commissioner of Internal Revenue, 63 F.3d 614, Gerichtsurteil des United States Court of Appeals (7. Bezirk) vom 17. August 1995, Zitat: „Lamkin […] learned that the City of Indianapolis was interested in the possibility of buying what is called an “automated transit system” or a “personal rapid transit” system. […] The expenses that Cabintaxi incurred in that and the following year that it wants to deduct were incurred in an effort to sell the German system to Indianapolis and other American cities.“
  9. a b c Dirk Göbel und Jörg Rudat: BITTE EINSTEIGEN - Mit der Straßenbahn quer durch Hagen, Ardenku, Hagen 2009, S. 165
  10. a b c Karsten Leiding: Gleis 15.3 - Die Cabinentaxi-Versuchsanlage in Hagen-Vorhalle. In: Gleismannsbahnhof. 18. November 2007, abgerufen am 23. Dezember 2024.
  11. Karsten Leiding: Gleis 15.2.1 - Das Cabinentaxi - C 01 lebt! In: Gleismannsbahnhof. 7. November 2023, abgerufen am 6. April 2025.
  12. Video einer Fakultät der Universität Washington
  13. Sylke Grede: Kabinenlift am Krankenhaus: Im schwebenden Taxi. Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 10. August 2012, abgerufen am 6. April 2025.
  14. Karsten Leiding: Gleis 15.12 - Das Cabinenlift-Projekt für das Klinikum Bremen-Mitte. In: Gleismannsbahnhof. 21. April 2011, abgerufen am 6. April 2025.

Koordinaten: 51° 22′ 31″ N, 7° 24′ 55″ O