Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1994

‹ 1989 • Flagge Deutschlands • 1999 ›
Wahl des Bundespräsidenten
durch die 10. Bundesversammlung
(1324 Mitglieder – absolute Mehrheit: 663)
Standarte des Bundespräsidenten
Standarte des Bundespräsidenten
Berlin, 23. Mai 1994

Roman Herzog (CDU)
Erster Wahlgang 604  
Zweiter Wahlgang 622  
Dritter Wahlgang 696  
52,6 %
Johannes Rau (SPD)
Erster Wahlgang 505  
Zweiter Wahlgang 559  
Dritter Wahlgang 605  
45,7 %
Hildegard Hamm-Brücher (F.D.P.)
Erster Wahlgang 132  
Zweiter Wahlgang 126  
Dritter Wahlgang   
0,0 %
Jens Reich (parteilos / Vorschlag Grüne)
Erster Wahlgang 68  
Zweiter Wahlgang   
Dritter Wahlgang   
0,0 %
Hans Hirzel (Republikaner)
Erster Wahlgang 12  
Zweiter Wahlgang 11  
Dritter Wahlgang 11  
0,8 %

Bundespräsident
Sitzverteilung in der
10. Bundesversammlung
nach Fraktionen
Insgesamt 1324 Sitze

Bei der Wahl zum deutschen Bundespräsidenten 1994 durch die 10. Bundesversammlung wurde der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Roman Herzog zum siebten Bundespräsidenten gewählt. Ursprünglich war der als ultrakonservativ geltende Steffen Heitmann als Kandidat der Unionsparteien vorgesehen, doch dieser wurde aufgrund umstrittener Äußerungen zur Rolle der Frau, zum Holocaust oder über Ausländer zurückgezogen.[1] So trat Herzog recht überraschend als Kandidat der CDU/CSU an. Herzog war als liberal geltender Kandidat insbesondere auch für die FDP wählbarer, auf deren Stimmen die Unionsparteien in der Bundesversammlung angewiesen waren.

Johannes Rau, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, verlor die Wahl gegen Herzog, konnte aber schließlich 1999 die Wahl gewinnen. Dem damaligen SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping wurde vorgeworfen, zu lange an Rau festgehalten zu haben. In Anbetracht von Raus Chancenlosigkeit hätte er Rau drängen sollen, zugunsten Hamm-Brüchers aufzugeben und damit einen Keil zwischen CDU/CSU und FDP zu treiben.

Jens Reich, Bürgerrechtler von Bündnis 90 der ausklingenden DDR-Zeit und vorgeschlagen von Bündnis 90/Die Grünen, sowie der von den rechten Republikanern nominierte Journalist Hans Hirzel, während der Zeit des Nationalsozialismus Mitglied der Widerstandsorganisation Weiße Rose, galten von vorneherein als chancenlos.

Durch die Wiedervereinigung und nach einer durch das Viermächteabkommen entstandenen 25-jährigen Zwangspause wurde der Bundespräsident wieder in Berlin gewählt.

Bundesversammlung

Die Bundesversammlung wurde gemäß § 8 BPräsWahlG von der Präsidentin des Bundestages, Rita Süssmuth, geleitet.

Nach Art. 54 Abs. 5 GG ist gewählt, wer im ersten oder zweiten Wahlgang „die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält“. 1994 waren hierzu 663 Stimmen notwendig. In dem weiteren 3. Wahlgang ist der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt. Es war die vielleicht spannendste Bundesversammlung überhaupt, da alle größeren Parteien, mit Ausnahme der PDS, eigene Kandidaten ins Rennen schickten. In der Bundesversammlung verfügte die CDU/CSU mit 620 Delegierten über die meisten Sitze, aber nicht die absolute Mehrheit. Deshalb konnte ihr Kandidat, Roman Herzog, nicht mit einer Mehrheit im ersten und zweiten Wahlgang rechnen. Als Königsmacherin galt die FDP mit ihren 112 Delegierten, die mit Hildegard Hamm-Brücher antraten. Sofern diese in späteren Wahlgängen nicht mehr antreten würde, könnten ihre Delegierte zwischen Herzog und Johannes Rau entscheiden. Raus SPD hatte zwar mit 502 weit weniger Delegierte als die Union, allerdings war der nordrhein-westfälische Ministerpräsident auch für viele Liberale gut wählbar. Kandidat des Bündnis 90/Die Grünen, Jens Reich, der mit 43 Delegierten rechnen konnte, hatte kaum eine Chance. Gleiches galt für den Kandidaten der Republikaner, der nur auf acht Delegierte bauen konnte.

Partei Mitglieder
Bund Länder gesamt
CDU/CSU 318 302 620
SPD 239 263 502
FDP 79 33 112
Grüne 8 35 43
PDS 17 17 34
Republikaner 8 8
Unabhängige 1 4 5
Gesamt 663 663 1324

Ergebnis

Berlin, 23. Mai 1994 – Gesamtstimmenzahl 1324 – absolute Mehrheit 663
Wahlgang Kandidat Stimmenzahl Anteil Partei Unterstützer
1. Wahlgang Roman Herzog 604 45,6 % CDU CDU/CSU
Johannes Rau 505 38,1 % SPD SPD
Hildegard Hamm-Brücher 132 10,0 % FDP FDP
Jens Reich 62 4,7 % Parteilos Bündnis 90/Die Grünen
Hans Hirzel 12 0,9 % Republikaner Republikaner
Enthaltungen 2 0,1 %
Ungültige Stimmen 2 0,1 %
Keine Stimmabgabe 5 0,4 %
2. Wahlgang Roman Herzog 622 47,0 % CDU CDU/CSU
Johannes Rau 559 42,2 % SPD SPD
Hildegard Hamm-Brücher 126 9,5 % FDP FDP
Hans Hirzel 11 0,8 % Republikaner Republikaner
Enthaltungen 0 0,0 %
Ungültige Stimmen 1 0,1 %
Keine Stimmabgabe 5 0,4 %
3. Wahlgang Roman Herzog 696 52,6 % CDU CDU/CSU, FDP
Johannes Rau 605 45,7 % SPD SPD
Hans Hirzel 11 0,8 % Republikaner Republikaner
Enthaltungen 7 0,5 %
Ungültige Stimmen 1 0,1 %
Keine Stimmabgabe 4 0,3 %
Damit war Roman Herzog zum Bundespräsidenten gewählt.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Steffen Heitmann, des Kanzlers gescheiterter Favorit, hat auf ein Stimmrecht bei der Bundespräsidenten-Wahl verzichtet WIE GEHT S, Herr Heitmann? "So blauäugig wie damals bin ich nicht mehr", Artikel vom 21. Mai 1994 von Peter Pragal auf Berliner Zeitung.de