Boris Georgijewitsch Baschanow
Boris Georgijewitsch Baschanow (russisch Борис Георгиевич Бажанов, französisch Boris Bajanov, * 9. August 1900 in Mogilew-Podolsk, heute Ukraine; † 30. Dezember 1982 in Paris) war einer der berühmtesten Überläufer aus der frühen Sowjetunion und antisowjetischer Schriftsteller.
Im Anschluss an seine Flucht aus der Sowjetunion im Jahre 1928 verfolgte Baschanow in Paris eine Karriere als Journalist der politisch-rechten Emigrantenzeitung Vozrozhdenie, kollaborierte mit dem britischen Nachrichtendienst und erlangte vor allem als antikommunistischer Publizist durch seine Schilderungen über Stalin und den Machtkampf innerhalb der Sowjetunion der 1920er Jahre einiges an Berühmtheit. In der Forschung werden seine publizistischen Werke wegen ihrer „überzogenen Behauptungen“ eher kritisch betrachtet.[1]
Baschanows Ursprungsgeschichte und Authentizät wurden immer wieder und zu unterschiedlichen Graden angezweifelt, letztere sei jedoch spätestens seit 1995 „durch die Veröffentlichung einiger Politbüro-Protokolle in der Zeitschrift Istotschnik bestätigt worden.“[2]
Leben
Baschanow wurde 1900 als Sohn eines Physikers in Mogilew-Podolsk geboren. Trotz der Unruhen der Oktoberrevolution und dem darauffolgenden Bürgerkrieg, konnte er sein Abitur wie geplant im Jahre 1918 abschließen, woraufhin er in Kiew Physik zu studieren begann. Bei einer Demonstration der Studenten, die gegen eine Schließung der Universität protestierten, wurde Baschanow angeschossen und zog sich in sein Heimatdorf zurück.
1919 trat Baschanow aus karrieristischen Gründen der Kommunistischen Partei bei und stieg in der Parteihierarchie rasch auf. Mit der kommunistischen Ideologie der Bolschewiki konnte er jedoch nicht besonders viel anfangen. Am 9. August 1923 wurde er zum Assistenten des Generalsekretärs, Josef Stalins, ernannt. Von 1925 bis 1928 war er Mitglied des Politbüros.[3] Eine über seine Posten hinaus besonders einflussreiche Rolle kann ihm jedoch nicht nachgewiesen werden.
1928 flüchtete Baschanow über Turkestan, Persien und Indien aus der Sowjetunion, woraufhin er ins Asyl nach Paris reiste. Dort wurde Baschanow Journalist für die politisch-rechte Emigrantenzeitung Vozrozhdenie und arbeitete als „Berater“ für Wilfred Dunderdale vom britischen Nachrichtendienst. Im Zuge des sowjetisch-finnischen Winterkrieges reiste er nach Helsinki, wo er in Zusammenarbeit mit dem finnischen Oberbefehlshaber Mannerheim ein „antikommunistisches Batallion“ zusammenstellte, das aus kriegsgefangenen sowjetischen Soldaten bestand. Als der Krieg endete, wurde das Bataillon aufgelöst und Baschanow kehrte er nach Paris zurück.[4]
Unmittelbar vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion ließen Hitlers Minister Alfred Rosenberg und dessen Stellvertreter Georg Leibbrandt Baschanow wegen seines antisowjetischen-Rufes Mitte Juni 1941 nach Berlin holen, um ihn zu fragen, ob er als zukünftiger russischer Staatsführer zur Verfügung stehe, nachdem man die Bolschewiki gestürzt hätte. Baschanow stellte den Nazis die Gegenfrage nach ihrem Kriegsplan; ob sie den Krieg gegen den Kommunismus oder gegen das russische Volk führen wollten; ersterenfalls würden sie den Krieg gewinnen, letzterenfalls verlieren. Rosenberg verwies darauf, dass solche Fragen von Hitler selbst entschieden würden, man würde ihn fragen; und der entschied, wie Baschanow zwei Monate später erfuhr: Russland würde eine deutsche Kolonie und von Deutschen verwaltet werden.[5]
Baschanow lebte die folgenden Jahrzehnte in Paris und starb 1982. Sein Grab liegt auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise.
Viele Historiker und Politologen, darunter E. H. Carr, Robert C. Tucker oder Robert H. McNeal beriefen sich in Zeiten des Kalten Krieges auf Baschanows Schilderungen. Auch der russische Historiker Roi Medwedew nahm Baschanows Bücher in seinem mehrbändigen Werk über Stalin kritisch als Quelle auf, bezichtigte ihn aber an manchen Stellen der Übertreibung.[6]
Schriften
- Stalin. Der rote Diktator. Aretz, Berlin 1931, (Autorisierte Übersetzung aus dem Französischen).
- Ich war Stalins Sekretär. Ullstein, Frankfurt am Main u. a. 1977, ISBN 3-550-17350-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Robert M. Slusser: Bezhanov and the Damnation of Stalin. By Boris Bazhanov. Translation and Commentary by David W. Doyle (Review). In: John W. Boyer, Jan E. Goldstein, Fredrik Albritton Jonsson, University of Chicago (Hrsg.): The Journal of Modern History. Vol. 65, Nr. 1. Chicago März 1993, S. 243–244, doi:10.1086/jmh.65.1.2124812.
- ↑ Otto Wenzel: Eine Dokumentensammlung für Kommunismus-Kenner. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat. Band 15, Nr. 15, 2004, ISSN 0948-9878 (fu-berlin.de [abgerufen am 10. September 2025]).
- ↑ Boris Bazhanov • Authors • Iztok-Zapad Publishing House. Abgerufen am 10. September 2025 (englisch).
- ↑ Gordon Brook-Shepherd: THE STORM PETRELS. Ballantine Books, 1981, ISBN 978-0-345-30164-2 (archive.org [abgerufen am 10. September 2025]).
- ↑ Ich war Stalins Sekretär. Ullstein, Frankfurt am Main u. a. 1977, S. 247.
- ↑ Roi Medwedew: Das Urteil der Geschichte. Stalin und der Stalinismus. Band 1. Dietz, Berlin, 1992, ISBN 3-320-01780-2, S. 9, 75, 80, 86.