Board of Deputies of British Jews

Logo des Board of Deputies

Das Board of Deputies of British Jews (engl. Deputiertenausschuss britischer Juden) ist die bedeutendste repräsentative Körperschaft der britischen Judenheit. 1760 als gemeinsames Gremium sephardischer (spanischer und portugiesischer) und aschkenasischer (mittel- und osteuropäischer) jüdischer Gemeinden in London gegründet, entwickelte es sich zu einem anerkannten Forum für die unterschiedlichen Bereiche der britischen jüdischen Gemeinschaft.

Der Ausschuss wird z. Z. von Henry Grunwald QC geleitet, der 2003 für ein dreijähriges Amt gewählt wurde. Historisch bedeutsam war der viktorianische Philanthrop Sir Moses Montefiore, der im 19. Jahrhundert um die Welt reiste, um verfolgten Juden Hilfe zu leisten, und als Präsident des Board amtierte. Zu späteren Präsidenten gehören unter anderem Arthur Cohen, Lionel Walter Rothschild und Greville Janner, Baron Janner of Braunstone.

Der Hauptgeschäftsführer des Board ist Jon Benjamin, dem 2005 Neville Nagler folgte.

Der Ausschuss besteht aus den gewählten Deputierten der Synagogengemeinden, Synagogenbündnisse und anderer Organisationen der jüdischen Gemeinschaft wie Wohltätigkeitsorganisationen und Jugendgruppen. Er dient als Hauptbezugspunkt für Regierung, Medien und die weitere Gesellschaft. Der Ausschuss widmet seine Aufmerksamkeit auf alle das Leben der Juden Großbritanniens betreffenden Angelegenheiten, einschließlich eines interreligiösen Aktionsprogramms.

Das Büro befindet sich im Hause Isaak D’Israelis, des Vaters des britischen Premierministers Benjamin Disraeli.

Kritik und Kontroversen

Terrorismus-Vorwurf gegen Interpal

2003 bezichtigte der Ausschuss die Hilfsorganisation Interpal des Terrorismus. Interpal droht mit Beleidigungsklage, woraufhin der Ausschuss sich entschuldigte und sich außergerichtlich einigte.[1]

Finegold-Affäre

Der Ausschuss wurde in die Finegold-Affäre verwickelt, als der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone den jüdischen Reporter Oliver Finegold bzw. dessen Zeitung mit einem KZ-Wächter verglich. Die Bemerkungen des Bürgermeisters lösten weitgehende Proteste aus. Zusammen mit der Kommission für Rassengleichheit reichte der Ausschuss eine Beschwerde beim Standards Boards for England ein und verlangte vom Bürgermeister, sich beim Reporter zu entschuldigen. Der Bürgermeister verurteilte formell den Holocaust, hielt aber an seinen Bemerkungen über den Journalisten fest und bemerkte, hinsichtlich der Religion sei der „Ausschuss“ nur ein kleiner Ausschnitt der jüdischen Gesellschaft.[2]

Gaza

Das Board of Deputies unterstützt den israelischen Krieg gegen den Gazastreifen und hat die britische Regierung aufgefordert, Proteste dagegen zu unterbinden. Am 16. April 2025 erschien jedoch ein offener Brief mit dem Titel »Als britische Juden können wir zum Krieg in Gaza nicht mehr schweigen« in der Financial Times, den 36 Mitglieder des Board of Deputies (das ist rund ein Achtel aller Mitglieder) unterzeichnet hatten und in dem das israelische Vorgehen im Gazastreifen verurteilt wird. Darin heißt es unter anderem:

Diese extremistischste aller israelischen Regierungen fördert offen Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland, stranguliert die palästinensische Wirtschaft und baut mehr neue Siedlungen als je zuvor … Israel wird die Seele aus dem Leib gerissen. … Schweigen wird als Unterstützung für eine Politik und Maßnahmen angesehen, die unseren jüdischen Werten widersprechen. Angeführt von den Familien der Geiseln demonstrieren Hunderttausende Israelis auf den Straßen gegen die Rückkehr zum Krieg durch eine israelische Regierung, die die Rückkehr der Geiseln nicht zur Priorität erklärt hat. Wir stehen an ihrer Seite. Wir sind gegen den Krieg. Wir erkennen den Verlust palästinensischer Menschenleben an und trauern um sie. Wir sehnen uns nach dem »Tag danach«, an dem dieser Konflikt beendet ist und die Versöhnung beginnen kann. Während wir das Fest der Freiheit begehen und so viele Geiseln noch in Gefangenschaft sind, ist es unsere Pflicht als Juden, unsere Stimme zu erheben.[3]

Der offene Brief löste eine öffentliche Debatte mit teilweise scharfen Reaktionen aus.[4] Das Board of Deputies suspendierte kurz darauf zwei hochrangige Mitglieder, die den Brief unterzeichnet hatten.[5] Zwei Monate später suspendiert das Board of Deputies aufgrund des offenen Briefes fünf der kritischen Mitglieder und verwarnte die übrigen 31.[6]

Nach einer Dringlichkeitssitzung am 29. Juli 2025 angesichts der Hungersnot im Gazastreifen rief die Organisation Israel zu einer „schnellen, ungehemmten und nachhaltigen Aufstockung der Hilfslieferungen über alle verfügbaren Kanäle“ auf. Präsident Phil Rosenberg erklärte, die als Reaktion auf wachsenden internationalen Druck erfolgte Entscheidung der israelischen Regierung, begrenzte Hilfslieferungen zuzulassen, sei „längst überfällig“ gewesen: „Wie wir schon seit Monaten sagen, dürfen Nahrungsmittel nicht als Kriegswaffe eingesetzt werden, von keiner Seite in diesem Konflikt.“[7]

Siehe auch

Literatur

  • Geoffrey Alderman: British Jewry since emancipation. The Univ. of Buckingham Press, Buckingham 2014.
  • Todd M. Endelman: Board of Deputies. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 1: A–Cl. Metzler, Stuttgart/Weimar 2011, ISBN 978-3-476-02501-2, S. 370–375.

Einzelnachweise

  1. interpal.org: Interpal wins Libel Case against Board of Deputies of british Jews (Memento vom 17. Juli 2006 im Internet Archive)
  2. Livingstone suspension frozen by judge guardian.co.uk, 28. Februar 2006
  3. As British Jews we can no longer stay silent on the war in Gaza Financial Times, 16. April 2025.
  4. Felix Pope: Dozens of Members of British Jewish Establishment Publicly Decry War in Gaza. In: Haaretz, 16. April 2025; Harriet Sherwood: Members of leading British Jewish body condemn Israel’s latest actions in Gaza The Guardian, 16. April 2025; British Jewish leaders break silence, condemn Israel’s genocidal war in Gaza Middle East Monitor, 17. April 2025; Phil Rosenberg: Board of Deputies stands firmly with Israel… not THAT letter Jewish News, 17. April 2025; Daniella Peled: “The Dam Is Going to Break”: Letter Slamming Israel’s War in Gaza Exposes a Divided British Jewry. In: Haaretz, 29. April 2025; Rachel Shabi: A Public Letter Criticizing Israel Reveals a Schism Among Britain’s Jews New Lines, 30. April 2025; Richard Miron: It’s simply not Jewish for the Board of Deputies to remain silent 20. Mai 2025.
  5. Rachel Fink: Britain's Top Jewish Body Suspends Two Members for Signing Letter Against Gaza War. In: Haaretz, 23. April 2025.
  6. [Statement on Constitutional Committee investigation] Board of Deputies of British Jews, 24. Juni 2025; Rachel Fink: Britain's Top Jewish Body Suspends Five Board Members for Open Letter Condemning Gaza War. In: Haaretz, 26. Juni 2025; Daniel Sugarman: Board suspends five Deputies over Israel letter, warns another 31 Jewish News, 24. Juni 2025;
  7. Harriet Sherwood: British Jewish leaders call for rapid increase in Gaza aid. In: The Guardian. 30. Juli 2025, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 30. Juli 2025]).