Blumenkübel (Internet-Phänomen)

Die Zerstörung eines Blumenkübels im Neuenkirchener Altenheim Antoniusstift löste am 3. August 2010 ein Internetphänomen aus. Sie wurde als Sommerlochthema angesehen.[1][2]
Verlauf
Am Morgen des 3. August 2010 berichtete die Münstersche Zeitung unter der Schlagzeile „Großer Blumenkübel zerstört“ über einen Akt von Vandalismus, bei dem ein Blumenkübel vor dem Stift zerstört wurde.[3] Der Bericht war von einer Praktikantin der Münsterschen Zeitung geschrieben worden.[1]
Ralf Heimann, Redakteur der Münsterschen Zeitung, stellte die Geschichte beim Internet-Dienst Twitter ein: „In Neuenkirchen ist ein Blumenkübel umgefallen.“[4][5] Sein Profil hatte über 2100 „Follower“, die die Geschichte binnen Stunden verbreiteten.[6] Heimann selbst vermutete als Auslöser für den „Tipping-Point“ den Blogger Thomas Knüwer. Dieser griff die Nachricht als einer der ersten auf und postete ihn über sein Twitter-Konto, das über fast 10.000 Follower verfügte, von denen viele wiederum mehrere tausend Follower hatten und so als Multiplikatoren fungierten.[7]
In den kommenden zwei Tagen wurde der Blumenkübel zu einem „Trending Topic“ bei Twitter und gelangte in die Top 5 der weltweit meistgetwitterten Themen.[8] Zehntausende Nutzer verbreiteten den Bericht weiter.
Umgehend griffen auch Unternehmen wie der Autovermieter Sixt,[9] der Otto-Versand[10] und die Sparkasse[11] das Thema für Werbepostings auf. Der Vermutung, dass der Nachrichtensender CNN über den Vorfall berichtet habe,[12] folgten die Berichte zahlreicher anderer Medien über den angeblichen CNN-Bericht, bis die Nachricht als „Fake“ enttarnt wurde. Auch in der ZDF-Nachrichtensendung heute wurde der Blumenkübel thematisiert.[13] Binnen kurzer Zeit entstand auch der erste Blumenkübel-Song[14] und eine dramatisierte Lesefassung.[15] Eine bei Facebook gegründete Fan-Gruppe erreichte innerhalb einer Woche über 10.000 Nutzer, mehrheitlich nachdem der Fernsehsender ProSieben über den Vorfall und die Facebook-Gruppe berichtet hatte.[16] Der Nachrichtenwert des in Neuenkirchen umgefallenen Blumenkübels wurde in überregionalen Zeitungen mit dem eines in China umgefallenen Reissacks verglichen.[5][1]
Laut Analysen der Twitterdaten durch verschiedene Dienste wie What The Hashtag, Dwitter oder twitter-trends.de wurde das Hashtag #blumenkübel im Zeitraum von zwei Tagen zwischen 3000 und 6000 mal gepostet.[16] Der Blumenkübel wurde so zu einem „Paradebeispiel“ der viralen Verbreitung im Internet.[17]
Ein Unternehmen aus der Nähe von Würzburg stiftete dem Altenheim zwei neue vandalensichere Blumenkübel.[5][18] Später fühlten sich die Mitarbeiter des Altenheims durch die Zusendung weiterer neuer Blumenkübel belästigt.[19]
Nachgelagerte Rezeption
2014 verfasste Vivian Roese (unter ihrem Geburtsnamen Büttner) eine Doktorarbeit über die Viralität des Blumenkübel-Hypes. In einem Interview von 2018 hielt sie dazu fest, dass es sich beim „Blumenkübel“ um eines „der ersten viralen Themen, die so groß geworden sind“, als soziale Medien noch neu waren, gehandelt habe.[20] Ob es sich bei der Zerstörung des Blumenkübels wirklich um Vandalismus gehandelt hat oder dieser von einem Windstoß umgeworfen wurde, blieb laut Roese ungeklärt.[20]
Auch zwölf Jahre nach dem Vorfall wurde er als Beispiel für Sommerloch-Nachrichten angeführt.[21] Der Begriff Blumenkübel' wurde zum Synonym für amüsante Lokalnachrichten mit geringem Nachrichtenwert.[22]
Literatur
- Vivian Büttner: Akzidentielle Medienhypes: Entstehung, Dynamik und mediale Verbreitung. Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-06664-2.
- Marie-Christine Schindler, Tapio Liller: PR im Social Web: Das Handbuch für Kommunikationsprofis. 3. Auflage. O’Reilly, 2014, ISBN 978-3-95561-626-7, S. 69 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Jürgen Stüber: Ein Blumentopf geht um die Welt. In: Die Welt. 6. August 2010 (welt.de).
Weblinks
- Martin Weigert: Twitter-Meme: Die Dimension von #blumenkübel ( vom 4. Dezember 2016 im Internet Archive) In förderland, 6. August 2010.
- Affäre Blumenpott: Bekennervideo aufgetaucht. n-tv, 6. August 2010.
Einzelnachweise
- ↑ a b c Lena Jakat: Der Blumenkübel aus Neuenkirchen: Scherben bringen Klicks. In: Süddeutsche Zeitung. 7. August 2010, abgerufen am 5. November 2014.
- ↑ Sommerloch: Ableben eines Blumenkübels dokumentiert – Twitter-Gemeinde feiert Kübel als Internet-Star. ( vom 24. April 2013 im Internet Archive) In: Netzwelt, 6. August 2010.
- ↑ Katharina Hövels: Großer Blumenkübel zerstört. In: Münstersche Zeitung.de Neuenkirchen. 3. August 2010, archiviert vom am 6. August 2010; abgerufen am 18. August 2010.
- ↑ Ralf Heimann: In Neuenkirchen ist ein Blumenkübel umgefallen. In: Twitter, 4. August 2010.
- ↑ a b c Marin Majica: Blumenkübel umgestürzt! In: Berliner Zeitung. 7. August 2010, archiviert vom am 30. Juli 2012; abgerufen am 10. Juli 2015.
- ↑ Tobias Weckenbrock: Meldung wird Online-Star – Internetwelle um einen zerstörten Blumenkübel. ( vom 2. Juni 2013 im Internet Archive) In: Münstersche Zeitung.de Neuenkirchen, 5. August 2010.
- ↑ Ralf Heimann: Der Kübel als Krankheit. In: ralfheimann’s posterous. 9. August 2010, archiviert vom am 14. August 2010; abgerufen am 18. August 2010.
- ↑ Olaf Kolbrück: Twitter: Wie ein Blumenkübel zum Hype wird. In: Horizont.net. 5. August 2010, archiviert vom am 6. August 2010; abgerufen am 18. August 2010.
- ↑ Sixt macht mit Blumenkübel erfolgreiches Personalmarketing. In: blogaboutjob. 11. August 2010, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 11. November 2011; abgerufen am 7. August 2011.
- ↑ Neue #Blumenkübel gibt es bei #OTTO. In: Twitter. Otto, 5. August 2010, archiviert vom am 25. November 2016; abgerufen am 18. August 2010.
- ↑ Die Hausratversicherung der Sparkasse deckt auch Schäden am #Blumenkübel ab. In: Twitter. Sparkasse, 5. August 2010, archiviert vom am 16. Dezember 2015; abgerufen am 18. August 2010.
- ↑ Story aus Neuenkirchen geht um die Welt – Ein Blumenkübel ist der neue Twitter-Star. In: Rheinische Post. 5. August 2010, archiviert vom am 6. August 2010; abgerufen am 18. August 2010.
- ↑ Marcel Burkhardt: Blumenkübel rockt das Sommerloch. In: heute.de. 6. August 2010, ehemals im (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 18. August 2010. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
- ↑ Florian Gossy: Blumenkübel als "Trending Topic". In: Der Standard. 5. August 2010, abgerufen am 16. August 2012.
- ↑ Literaturcafe: Blumenkübel: traurig und verständnislos – Dramatisierte Lesefassung auf YouTube, 5. August 2010, abgerufen am 18. August 2010.
- ↑ a b Martin Weigert: How the Real Time Web made a Flower Pot become a Web Celebrity. In: Twingly Blog. 10. August 2010, archiviert vom am 17. August 2010; abgerufen am 18. August 2010 (englisch).
- ↑ Blumenkübel wird Twitterstar. In: Telekom-Presse. 6. August 2010, archiviert vom am 15. August 2010; abgerufen am 18. August 2010.
- ↑ Antoniusstift: Das sind die neuen Blumenkübel. ( vom 11. Februar 2013 im Webarchiv archive.today) In: Münstersche Zeitung.de Neuenkirchen, 6. August 2010.
- ↑ Neues zur Affäre Blumenkübel: Twitter-Spaß nervt Altenheim. n-tv, 12. August 2010, abgerufen am 29. März 2013.
- ↑ a b Stefan Werding: Der Sack Reis des Münsterlands: Doktorarbeit über kaputten Blumenkübel aus Neuenkirchen. In: Westfälische Nachrichten. 5. Januar 2018.
- ↑ Sebastian Hofer: Lob des Sommerlochs: Was wurde eigentlich aus Problemkuh Yvonne? In: profil. 15. August 2022, abgerufen am 22. August 2022.
- ↑ Thorben Mämecke, Jan-Hendrik Passoth, Josef Wehner (Hrsg.): Bedeutende Daten: Modelle, Verfahren und Praxis der Vermessung und Verdatung im Netz. Springer, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-658-11780-1, S. 172 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).