Black Mountain College

Das Black Mountain College (BMC) war von 1933 bis 1957 eine progressive Bildungsinstitution in den USA. Wissenschaften und Künste wurden als gleichberechtigt betrachtet, demokratische Lehr- und Lernprozesse sollten demokratisch reife Menschen hervorbringen.
Geschichte und Profil
Das BMC wurde 1933 in einem kleinen Ort in den Appalachen, in der Nähe von Asheville, North Carolina gegründet und bestand dort bis 1957.[1] Sein Begründer war der Altphilologe John Andrew Rice, der im April 1933 wegen seines Widerstands gegen autoritäre Unterrichtsmethoden vom Rollins College, Florida, entlassen worden war.[2] Josef Albers, am Bauhaus Vizedirektor unter Mies van der Rohe, und Anni Albers, die ebenfalls am Bauhaus unterrichtet hatte, kamen im Dezember 1933 der Einladung, Mitglieder des Black-Mountain-Lehrkörpers zu werden, nach. Weitere vom NS-Regime verfolgte Intellektuelle folgten. Schon ab Ende der 1940er Jahre war das Black Mountain College die führende Institution zur interdisziplinären Ausbildung vorwiegend (aber nicht ausschließlich) künstlerischer Fachrichtungen: Bildende Kunst, Theater, Literatur, Musik, Architektur, Geschichte, Physik und Ökonomie wurden gelehrt, dabei nicht als Einzeldisziplinen verstanden, sondern fächerübergreifend. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die kreativen Impulse dann zunehmend von jungen amerikanischen Künstlern und Wissenschaftlern aus, „die zwischen den urbanen Zentren an der amerikanischen Ost- und Westküste und dem ländlichen Black Mountain pendelten“[3]. Ab 1951 war Charles Olson, der seit 1948 immer wieder als Gastdozent am BMC unterrichtet hatte, Lehrer, von 1954 bis zur Schließung des Colleges 1957 Rektor des BMC[4]. Im Nachruf der New York Times auf Olson hieß es über das Black Mountain College: "The college established itself a reputation as one of the country's most important literary centers." Bis zur Auflösung hatten 1200 Studierende das Black Mountain College besucht.[5]
Im deutschen Sprachraum befasst sich seit ihrer Dissertation Sigrid Pawelke mit den Zusammenhängen zwischen Bauhaus und Black Mountain College.
Im Museum Hamburger Bahnhof in Berlin befinden sich zwei Werke von Cy Twombly und Robert Rauschenberg, die 1951 und 1952 am BMC entstanden sind. Die umfassende Ausstellung Black Mountain. Ein interdisziplinäres Experiment 1933 - 1957 beförderte 2015 neues Interesse am Black Mountain College und seinen Exponenten. "Dass das BMC [...] für die Kunst, insbesondere in den USA der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, eine so große Rolle einnimmt", so Die Tageszeitung anlässlich der Ausstellung in Berlin, "liegt vor allem daran, dass fast alle Großen aus der künstlerischen Avantgarde irgendwann einmal am Black Mountain College studierten, lehrten oder doch wenigstens referierten."[6] An Namen sind beispielsweise John Cage, Merce Cunningham, Willem de Kooning, Robert Motherwell, Richard Buckminster Fuller oder Franz Kline, an Black Mountain Poets u. a. Robert Creeley oder Denise Levertov zu nennen.
Bedeutung für Cage, Cunningham, Rauschenberg, Twombly und Johns
Das Black Mountain College spielte in den 1950er-Jahren eine zentrale Rolle bei der Entwicklung avantgardistischer Kunst- und Performancepraktiken. Bereits seit den frühen 1940er-Jahren verband John Cage und Merce Cunningham eine berufliche und persönliche Beziehung. Im Frühjahr 1951 lernten sich Robert Rauschenberg und Cy Twombly in New York kennen. Ab dem Sommer desselben Jahres besuchten sie gemeinsam das College, an dem Cage und Cunningham lehrten. Zwischen den vier Künstlern entwickelten sich enge künstlerische Verbindungen. Cage verfasste Texte über die Arbeiten von Rauschenberg und Twombly, sammelte deren Werke und bezog sie in seine theoretischen Überlegungen ein. Alltagselemente wie Bilder, Geräusche und Bewegungen wurden im Rahmen von Zufallsoperationen miteinander verschränkt und bildeten ein konzeptuelles Fundament gemeinsamer Projekte. Während ihres Aufenthalts am College arbeiteten Rauschenberg und Twombly gemeinsam an den monochromen „White Paintings“, die lange Zeit ausschließlich Rauschenberg zugeschrieben wurden. Nach einer Reise durch Europa und Nordafrika in den Jahren 1952/53 teilten sie sich in New York ein Atelier in der Fulton Street. Dort entwickelte sich ihre individuelle Formensprache: Rauschenberg mit den Combine Paintings und Twombly mit seinen graffitiähnlichen Zeichnungen. 1954 trat Jasper Johns in den Kreis hinzu. Bis 1961 arbeiteten Rauschenberg und Johns eng zusammen und prägten eine Praxis, die später als „Painting as Object“ bezeichnet wurde.[7]
Die enge Zusammenarbeit fand unter anderem Ausdruck in der im Jahr 1953 am Black Mountain College gegründeten Merce Cunningham Dance Company (MCDC). Cage war bis zu seinem Tod im Jahr 1992 ihr musikalischer Leiter und anfangs auch Tourmanager. Von 1954 bis 1964 übernahm Robert Rauschenberg die künstlerische Leitung und war für Beleuchtung, Kostüme und Bühnenbilder verantwortlich. Bis 1961 wurde er dabei von Jasper Johns unterstützt. Nach der Trennung von Rauschenberg übernahm Johns die künstlerische Leitung und gestaltete unter anderem Bühnenbilder in Zusammenarbeit mit Marcel Duchamp (Walkaround Time, 1968) sowie Kostüme für Second Hand (1970). Die Arbeiten der fünf Künstler standen in enger Verbindung zu den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des Kalten Krieges. So griff Rauschenberg Symbole amerikanischer Macht auf, Johns entwickelte Arbeiten mit Flaggen und Zielscheiben und Cage bezog sich auf anarchistische Konzepte von Henry David Thoreau. Twombly verarbeitete aktuelle Ereignisse wie die Ermordung John F. Kennedys oder die Kuba-Krise in antiken Anspielungen. Die Raumfahrt fand insbesondere bei Rauschenberg (Stoned Moon Book, 1970 im Auftrag der NASA) und Twombly (Orion III, 1968) Niederschlag.
Dozenten
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- Anni Albers (1899–1994), Textilkünstlerin, Weberin, Graphikerin
- Josef Albers (1888–1976), Maler, Kunsttheoretiker, Kunstpädagoge
- Hazel Larsen Archer (1921–2001), Fotografin, Kunstpädagogin
- John Cage (1912–1992), Komponist
- Robert Creeley
- Merce Cunningham
- Max Dehn (1878–1952), Mathematiker
- Elaine de Kooning
- Willem de Kooning
- Lyonel Feininger
- Richard Buckminster Fuller (1895–1983), Architekt, Designer
- Walter Gropius (1883–1969), Architekt
- Lou Harrison
- Ernst Hellinger (1883–1950), Mathematiker
- Heinrich Jalowetz, Komponist, und Johanna Jalowetz (1885–1966)
- Franz Kline
- Jacob Lawrence
- Robert Motherwell
- Charles Olson
- M. C. Richards (Mary Caroline Richards)[8]
- Alexander Schawinsky
- Ben Shahn
- Erwin W. Straus
- Stefan Wolpe
Gastdozenten
Alumni
- Ruth Asawa
- John Chamberlain
- Robert De Niro, Sr.
- Ray Johnson
- Basil King[9]
- Kenneth Noland
- Arthur Penn
- Robert Rauschenberg
- Dorothea Rockburne
- Kenneth Snelson
- Cy Twombly
- Susan Weil[10]
- John Wieners
- Vera B. Williams
Ausstellung
- Fünf Freunde. John Cage, Merce Cunningham, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Cy Twombly: 10. April 2025 bis 17. August 2025 im Museum Brandhorst, München; im Museum Ludwig, Köln vom 3. Oktober 2025 bis 11. Januar 2026.
Literatur
- Eva Diaz: The Experimenters. Chance and Design at Black Mountain College. University of Chicago Press, Chicago 2015, ISBN 978-0-226-06798-8.
- Christian Tarting: Black Mountain College. Art, démocratie, utopie. Presse universitaire de Rennes, Rennes, 2014, ISBN 978-2-7535-2895-6.
- Alan Speller: Le Black Mountain College. Enseignement Artistique et Avant-Garde. La Lettre Volée, Bruxelles 2016, ISBN 978-2-87317-422-4.
- Eugen Blume, Matilda Felix, Gabriele Knapstein, Catherine Nichols (Hrsg.): Black Mountain. An Interdisciplinary Experiment 1933–1957. Spector Books, Leipzig/Berlin, 2019, ISBN 978-3-95905-268-9. (Ausstellungskatalog).
Weblinks
- Website des Black Mountain College
- Vom Bauhaus zum Black Mountain bei Google Arts & Culture
- Beschreibung des Black Mountain College (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Maria Becker: Wo soll Kunst entstehen, wenn nicht in der Natur? Das Black Mountain College war eine der folgenreichsten Schulen für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Die Studierenden sollten mehr lernen als nur Kunst. NZZ, 9. Mai 2018, abgerufen am 12. Mai 2018.
- ↑ Helmut Ploebst: Black Mountain College: Visionäre Universität mit europäischen Flüchtlingen. In: Der Standard. 15. September 2015, abgerufen am 27. November 2021.
- ↑ Black Mountain. Ein interdisziplinäres Experiment 1933 –1957. Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin, Juni 2015, abgerufen am 27. November 2021.
- ↑ Carter B. Horsley: Charles Olson, Poet and Leader Of Black Mountain Group, Dies. 11. Januar 1970, abgerufen am 27. November 2021 (englisch).
- ↑ Susanne Kippenberger: Eine Form von Freiheit. In: Der Tagesspiegel. 27. November 2015, abgerufen am 27. November 2021.
- ↑ Ronald Berg: Feuer einer anderen Bildung. In: Die Tageszeitung. 9. Juni 2015, abgerufen am 27. November 2021.
- ↑ Museum Brandhorst, München; Museum Ludwig, Köln (Hrsg.): Ausstellung: Fünf Freunde. John Cage, Merce Cunningham, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Cy Twombly. S. 2025-09–19.
- ↑ About M.C. Richards
- ↑ ArtTALKS: Basil King
- ↑ Website Susan Weil ( des vom 15. Dezember 2018 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
Koordinaten: 35° 37′ 53″ N, 82° 21′ 49″ W