Bildnis Johann Sebastian Bach (1746, Haußmann)

Bildnis Johann Sebastian Bach (Abbildung vor der Restaurierung 2017) (Elias Gottlob Haußmann)
Bildnis Johann Sebastian Bach (Abbildung vor der Restaurierung 2017)
Elias Gottlob Haußmann, 1746
Öl auf Leinwand
78 × 61 cm
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Altes Rathaus, Leipzig

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Das Bildnis Johann Sebastian Bach (1746, Haußmann) ist ein Gemälde von Elias Gottlob Haußmann aus dem Jahr 1746, das im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig aufbewahrt und im Alten Rathaus gezeigt wird. Das Porträt in Öl auf Leinwand ist die einzige erhaltene Darstellung, die ganz sicher Johann Sebastian Bach zeigt, zu dessen Lebzeiten entstanden ist und für die er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch selbst Modell gestanden hat.

Beschreibung

Das Porträt zeigt vor dunklem und im rechten oberen Bilddrittel aufgehelltem Hintergrund Johann Sebastian Bach in formeller bürgerlicher Kleidung und Haltung als lebensgroße Halbfigur mit ernster Miene und weiß gepuderter Perücke. Er trägt über einem weißen Hemd mit einem durch kräftige Pinselstriche angedeuteten Jabot einen schwarzen, einfach gestalteten, kragenlosen und offenen Justaucorps mit 14 sichtbaren glänzenden Knöpfen. In der rechten einzigen sichtbaren Hand hält Bach unten bildmittig ein Notenblatt in Blickrichtung des Betrachters. Auf diesem sind handschriftlich und am rechten Rand verblassend der Titel „Canon Triplex à 6 Voc.“, drei Notenzeilen sowie das Signet „J. S. Bach“ (ursprünglich „per J. S. Bach“, das Wort „per“ wurde bei der Restaurierung 1913 wegretuschiert) zu erkennen. Bei der Komposition handelt es sich um den Dreifachen Kanon für sechs Stimmen bzw. Canon triplex à 6 voci (BWV 1076).[1] Diesen sogenannten Rätselkanon komponierte Bach kurz vor Entstehens des Gemäldes.

Die Bildseite enthält keine Künstlersignatur, auf der Rückseite ist die 1913 freigelegte „E G Haußmann | pinxit. 1746.“ zu lesen.

Geschichte

Im Jahr 1747 wurde Johann Sebastian Bach in die Correspondirende Societät der musicalischen Wissenschaften aufgenommen. Diese musikwissenschaftliche Gesellschaft wurde 1738 von Bachs Schüler Lorenz Christoph Mizler gegründet und änderte ihre Satzung 1746 dahingehend, dass neue Mitglieder bei der Aufnahme ein Ölbildnis ihrer Person einzubringen hätten. Belegt ist, dass die auf dem Bildnis sichtbare Komposition ein Geschenk Bachs an die Correspondirende Societät war. Die Auffassung, dass das Gemälde in diesem Zusammenhang entstand, wird von der Bachforschung mehrheitlich vertreten. Der Musikwissenschaftler Christoph Wollf zweifelt diese Ansicht an und ist der Meinung, das Bildnis sei eine Auftragsarbeit des Komponisten als Geschenk für seinen Sohn Wilhelm Friedemann gewesen.[2]

Signatur von Elias Gottlob Haussmann auf der Rückseite des Gemäldes. Fotografie um 1913
Vollständiges und geebnetes Notenblatt auf dem Gemälde

Bach beauftragte Elias Gottlob Haußmann für das Werk. Haußmann war seit 1725 der gefragteste Porträtmaler Leipzigs und der inoffizielle Hausmaler des Leipziger Rates. So fertigte er die Galerie der Stadtrichter. Das Bildnis entstand vier Jahre vor Bachs Tod, er war zu diesem Zeitpunkt 61 Jahre alt.

Der Verbleib des Gemäldes in den Jahrzehnten nach der Entstehung ist unklar. Nachweislich gelangte das Gemälde spätestens 1802 in den Besitz des Thomaskantoren und Komponisten August Eberhard Müller, der es nach Aussagen des Thomasschulrektors Johann Gottfried Stallbaum aus dem Besitz der Familie von Wilhelm Friedemann Bach erhalten hatte. Bei seiner Berufung als herzoglicher Kapellmeister nach Weimar 1809 schenkte Müller das Bildnis der Thomasschule. Dort hing das Gemälde vermutlich unter konservatorisch kritischen Bedingungen, was den späteren schlechten Zustand erklärt. Bei der Exhumierung von Bachs sterblichen Überresten im Jahr 1894 nutzte der Anatom Wilhelm His das Bildnis zur Identifizierung von Bachs Schädel und, mit Hilfe des Bildhauers Carl Seffner, zur ersten realistischen dreidimensionalen Gesichtsrekonstruktion der Medizingeschichte. 1912 wurde das Porträt zunächst als Leihgabe dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig übergeben; dort wurde es erstmals im Rahmen der Sonderausstellung Die Leipziger Bildnismalerei von 1700 bis 1850 der breiten Öffentlichkeit präsentiert.[3] Seit 1916 wird es dauerhaft in der ständigen Ausstellung im Alten Rathaus gezeigt (Inv.-Nr.: XXII/48), zunächst im Ober- und später im Hauptgeschoss auf Höhe des Festsaals. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gemälde zusammen mit den anderen Objekten des Museums ausgelagert, zwischen 1943 und 1945/46 befand es sich mit zwischenzeitlicher Beschlagnahmung durch die dort verantwortliche sowjetische Militäradministration vermutlich im Schloss Schönwölkau bei Delitzsch.[4]

Insgesamt sind bis 2025 fünf größere bis umfangreiche Restaurierungen des Gemäldes nachweisbar:

  • 1852 anlässlich des neuen Musiksaals in der Thomasschule,
  • 1879 anlässlich des geplanten Umzugs des Alumnats der Schule,
  • 1894/1895 anlässlich der Gesichtsrekonstruktion durch His und Seffner,
  • 1913 im Auftrag des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig,
  • 2017 ebenfalls im Auftrag des Stadtgeschichtlichen Museums.

Die vorletzte Restaurierung wurde später vielfach kritisiert, da Retuschen und Neumalungen das originale Bildnis teilweise massiv verfälschten. Daher wurde 2017 in der bisher aufwendigsten Restaurierung und anschließenden Konservierung versucht, weitestgehend den originalen Zustand von 1746 wiederherzustellen.

Haußmanns Kopie des eigenen Werkes aus dem Jahr 1748

Kopie von 1748

1748 – also zwei Jahre nach dem Erstellen des ersten Bach-Bildnisses – fertigte Haußmann (oder einer seiner Werkstattmitarbeiter) eine Kopie des ersten Gemäldes an, vermutlich im Auftrag von Bachs Familie. Dabei war das zwei Jahre zuvor entstandene Gemälde die Vorlage, nicht Bach selbst. Das Bildnis unterscheidet sich in einigen Details vom Original aus dem Jahr 1746. So hat Bachs Gesicht bei der Kopie eine etwas andere Physiognomie: Es wirkt schmaler, hat mehr Konturen, markantere Gesichtszüge und ist feiner ausgearbeitet – mehr einem männlichen Ideal entsprechend als dem wirklichen Aussehen Bachs. Es ist heller und wirkt anders ausgeleuchtet. Der Justaucorps hat eine graublaue anstatt schwarze Farbe und ist mit mehr Knöpfen ausgestattet, der Jabot ist als solcher nicht mehr erkennbar und geht ins Hemd über. Die Darstellung der von Kunstkritikern häufig beanstandeten schwammig anmutenden Hand ist kaum unterscheidbar. Mit 76 × 63 cm hat die Kopie etwas andere Bildmaße.

Die zweite Fassung befand sich zunächst wohl im Besitz von Carl Philipp Emanuel Bach, war später viele Jahre lang im Besitz der jüdischen Familie Jenke aus Breslau, bevor das Gemälde kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nach England gelangte. Dort hing es zeitweilig ab 1939 im Elternhaus des späteren Dirigenten und Bach-Spezialisten Sir John Eliot Gardiner in Dorset an der Wand.[5] 1952 wurde es bei einer Auktion durch den US-amerikanischen Musikwissenschaftler und Mäzen William H. Scheide erworben, der das besser erhaltene Gemälde nach seinem Tod im Jahr 2014 testamentarisch dem Bach-Archiv Leipzig (Sign.: BS 12) vermachte.

Rezeption

Da das Bildnis die einzige erhaltene originale Bildquelle ist, die Johann Sebastian Bach mit authentischem Aussehen darstellt, gab es zahlreiche Kopien des Gemäldes. Für die erste und bekannteste sorgte Elias Gottlob Haussmann ja selbst, seit 2015 ist sie mit zwei weiteren Kopien u. a. von Adolf Friedrich im Bach-Archiv ausgestellt. Weitere Reproduktionen stammen oder stammten von Malern wie Christoph Friedrich Reinhold Lisiewsky (1772, Kriegsverlust), Johann Marcus David (1791, Kriegsverlust) oder Max Martini (1910, heute Bachhaus Eisenach). Weitere Kopien sind im British Museum in London, in der Nationalgalerie in Berlin und in der Thomasschule zu finden.

1774 bildete das Gemälde die Vorlage für einen ersten Kupferstich des Motivs, geschaffen wurde er von Samuel Gottlob Kütner (1747–1828, eventuell auch auf anderer zeitgenössischer Vorlage Haussmanns basierend). Zahlreiche weitere Kupferstiche, Lithografien und Stahlstiche, die sich auf Haußmanns Gemälde bezogen, sollten ab 1802 folgen: 1802 von Friedrich Wilhelm Nettling († nach 1824), ca. 1822 von Antoine Maurin (1793–1860), vor 1837 von August Kneisel, 1840 von Friedrich Gustav Schlick (1804–1869), 1851 von Lazarus Gottlieb Sichling und 1865 von Paul Rohrbach (1817–1885). Hinzu kamen zahlreiche Künstler, die wiederum die Kopien reproduzierten, dazu zählten u. a. Heinrich Eduard Winter, Heinrich Gustav Adolf Leybold, Johann Gottlob Henschke, Albert Henry Payne oder August Weger.

Die beiden Haußmann-Bildnisse sind die Werke, auf das sich die meisten späteren bildlichen Bach-Darstellungen in allen Medien beziehen.

Literatur (Auswahl)

  • Gustav Wustmann: Bachs Grab und Bachs Bildnisse. In.: Ders.: Aus Leipzigs Vergangenheit. Gesammelte Aufsätze. Neue Folge. Grunow, Leipzig 1898, S. 177–215 (Digitalisat).
  • Otto Landmann: Bachporträts. In: Die Musik. Halbmonatsschrift mit Bildern und Noten 7 (1907/1908), ZDB-ID 208377-2, S. 216–228.
  • Albrecht Kurzwelly: Neues über das Bachbildnis der Thomasschule und andere Bildnisse Johann Sebastian Bachs. In: Bach-Jahrbuch 11 (1914), ISSN 0084-7682, S. 1–37.
  • Ernst Sigismund: Der Porträtmaler Elias Gottlob Haußmann und seine Zeit. Die Bachbildnisse. In: Zeitschrift für Kunst. Vierteljahreshefte für künstlerische Gestaltung, Malerei, Plastik, Architektur, Kunsthandwerk 4 (1950), ZDB-ID 202970-4, S. 126–135.
  • Heinrich Besseler: Fünf echte Bildnisse Johann Sebastian Bachs. Bärenreiter-Verlag, Kassel und Basel 1956, DNB 450423859.
  • Johannes Jahn: Zur Frage des Bachbildnisses von Elias Gottlob Haußmann. In: Bach-Jahrbuch 46 (1959), ISSN 0084-7682 S. 124–129.
  • Conrad Freyse: Bachs Antlitz. Betrachtungen und Erkenntnisse zur Bach-Ikonographie. Bachhaus, Eisenach 1964, DNB 451366727.
  • Gerhard Herz: Bach-Quellen in Amerika = Bach-Sources im America. Bärenreiter Kassel u. a. 1984, S. 176–185 (engl. und dt.).
  • Helmut Börsch-Supan: Bach-Bildnisse. Echt oder nicht? Gedanken zu Musikerporträts von Bononcini bis Bach. In: Bach-Tage Berlin 1988. Von Bach zur Romantik. Verband Deutscher Musikerzieher und Konzertierender Künstler (VDMK), Landesverband Berlin, Berlin 1988, ZDB-ID 550266-4, S. 73–77.
  • Hans Raupach: Das wahre Bildnis des Johann Sebastian Bach. Bericht und Dokumente. Karthause Verlag, München 1993, ISBN 978-3-922100-01-0.
  • Gisela Vogt (Hrsg.): Bach-Bildnisse als Widerspiegelung des Bach-Bildes. Katalog. Sonderausstellung im Bachhaus Eisenach März – Oktober 1994. Musikverlag Katzbichler, München und Salzburg 1994, ISBN 978-3-87397-129-5.
  • Ingrid Reißland: Johann Sebastian Bach. Bildnisse und Porträt-Plastiken im Spiegel der Bach-Ikonographie. In: Reinmar Emans (Hrsg.): Der junge Bach. Begleitbuch zur Ersten Thüringer Landesausstellung. Erfurt 2000, ISBN 978-3-00-006280-3, S. 133–155.
  • Claudia-Maria Knispel: Ikonographie. In: Michael Heinemann (Hrsg.): Das Bach-Lexikon. Mit 453 Artikeln von 58 Autoren, 54 Abbildungen und Notenbeispielen sowie einem Bach-Werke-Verzeichnis (= Das Bach-Handbuch. Band 6). Laaber, Laaber 2006, ISBN 978-3-89007-456-6, S. 271–272.
  • Jörg Hansen: Bach-Ikonographie. In: Siegbert Rampe (Hrsg.): Bachs Welt. Sein Leben, sein Schaffen, seine Zeit. Festschrift für Henning Müller-Buscher zum 70. Geburtstag (= Das Bach-Handbuch. Band 7). Laaber, Laaber 2015, ISBN 978-3-89007-457-3, S. 154–196.
  • Peter Wollny: "In Oel gemalt von Hausmann". In: Bach-Magazin 25 (2015), ISSN 1611-5724, S. 6–7 (Digitalisat; PDF, 2,3 MB).
  • Christoph Wolff: Bildnisse von Johann Sebastian Bach = Images of Johann Sebastian Bach. Bach-Porträts im 18. Jahrhundert. Fragen der Bach-Ikonographie = Bach Portraits in the 18th Century. Issues of Bach Iconography. In: Ders.: Bach. Eine Lebensgeschichte in Bildern. = Bach. A Life in Pictures (= Bach-Dokumente. Band 9). Bärenreiter, Kassel u. a. 2017, ISBN 978-3-7618-2280-7, S. 9–56.
  • Volker Rodekamp (Hrsg.): Der wahre Bach. Das Porträt im Alten Rathaus (= thema.M. Band 19). Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Leipzig 2018, ISBN 978-3-910034-79-2.
  • Jörg Hansen: Bilder Rätsel zur Bach-Ikonographie = Picture puzzles on Bach iconography. Bachhaus Eisenach, Eisenach 2019, ISBN 978-3-932257-10-0 (dt. und engl.).
  • Markus von Hänsel-Hohenhausen: The true countenance of Johann Sebastian Bach. From the visible to the actual = Das wahre Antlitz Johann Sebastian Bachs. Vom Sichtbaren zur Wirklichkeit. August von Goethe Literaturverlag, Offenbach am Main 2020, ISBN 978-3-8372-4015-3 (engl. und dt.).
  • Christoph Wolff: Primat der "Vollstimmigkeit". Bachs Visitenkarte. In: Ders.: Bachs musikalisches Universum. Die Meisterwerke in neuer Perspektive. Aus dem Amerikan. von Sven Hiemker. Bärenreiter und Metzler, Kassel und Berlin 2023, ISBN 978-3-662-65444-6, S. 9–22.
Commons: Bildnis Johann Sebastian Bach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kanon zu sechs Stimmen / Canon triplex à 6 Voci. BWV 1076. In: Bach digital. Bach-Archiv Leipzig, 14. Mai 2025, abgerufen am 6. September 2025.
  2. Christoph Wolff (Hrsg.): Bach. Eine Lebensgeschichte in Bildern (= Bach-Dokumente. Band 9). Bärenreiter, Kassel u. a. 2017, ISBN 978-3-7618-2280-7, S. 40–42.
  3. Katalog der Sonderausstellung "Die Leipziger Bildnismalerei von 1700 bis 1850". Stadtgeschichtliches Museum zu Leipzig. Leipzig 1912, DNB 574246932, S. 41.
  4. Lutz Weiner: Die Auslagerung von Sammlungen und Kriegsverluste. In: Volker Rodekamp (Hrsg.): Leipzig.Museum. 100 Jahre. Eine Revue in Bildern (= thema.M. Sonderband). Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Leipzig 2009, ISBN 978-3-910034-09-9, S. 45–46.
  5. Liane von Billerbeck: Berühmtes Komponistengemälde. Bachs Porträt kehrt nach Leipzig zurück. In: Deutschlandfunk Kultur. Deutschlandradio, 12. Juni 2015, abgerufen am 5. September 2025.