Bien

Der Bien ist der Superorganismus des Bienenvolkes, in dem Honigbienen in Gemeinschaft leben, also alle Tiere eines Bienenstockes. Diese Gemeinschaft hat Fähigkeiten entwickelt, die die einzelne Biene nicht beherrscht. Ein Beispiel: Obwohl sie als Insekten wechselwarme Tiere sind, können sie in der Gruppe die Temperatur dauerhaft, wie ein warmblütiges Tier, halten. Diese Gemeinschaft wird als Staat, Volk oder Familie bezeichnet und ist doch anders organisiert.

Im 20. Jahrhundert wurde für die entwickelten Gemeinschaften der Ameisen und Bienen die Bezeichnung als Superorganismus eingeführt. Die Bienengemeinschaft setzt sich aus einzelnen Organismen zusammen und stimmt deren Tätigkeiten – vergleichbar einem Organismus – über Signalstoffe ab. Einzelbienen und spezialisierte Gruppen sind nur im Ganzen überlebensfähig.

Entwicklung des Begriffs

„Bien“ als Begriff wurde früh von dem deutschen Imker und Naturforscher Johann Ludwig Christ (1739–1813) in seinem Werk Anweisung zur nützlichsten & angenehmsten Bienenzucht (1783) genutzt[1] und auch später weiter verwendet.[2]

Der Bienenhalter Johannes Mehring (1815–1878) verglich den Bien mit einem Wirbeltier. Als Beispiele: Die Bienenkönigin ist das weibliche und die Drohnen sind das männliche Geschlechtsorgan. Die Arbeitsbienen sind das Verdauungswerkzeug. Für ihn war das Ein-Wesen mehr als die Summe seiner Teile, es war ein geschlossenes System aus Bienen, Waben und Vorräten.

Der Imker Ferdinand Gerstung (1860–1925) entwickelte auf den Vorstellungen Mehrings aufbauend den Begriff vom „Organismus Bien“. Dieser besteht seiner Ansicht nach aus lauter Organen wie pflanzliche und tierische Organismen auch. Da die Organe des Biens nicht aus einem Ei stammen und nicht wie die anderer Organismen miteinander verwachsen sind, forderte er, die Definition des Organismusbegriffes zu erweitern. Gerstung war klar, dass der Begriff des Organismus nicht völlig auf den Bien passte, doch fand er keinen geeigneteren.

Literatur

  • Johannes Mehring: Das neue Einwesensystem als Grundlage zur Bienenzucht oder Wie der rationelle Imker den höchsten Ertrag von seinen Bienen erzielt. Auf Selbsterfahrungen gegründet. Frankenthal, Albeck 1869. 344 S.
  • Johannes Mehring: Das neue Einwesen-System als Grundlage zur Bienenzucht. Auf Selbsterfahrungen gegründet. Theoretischer Teil neu herausgegeben von Ferdinand Gerstung. Waetzel, Freiburg i. B. 1901. 68 S.
  • Ferdinand Gerstung: Der Bien und seine Zucht. Nachdruck der letzten Auflage von 1926 (bei Fritz Pfenningstorff Berlin). Buschhausen, Herten 2019, ISBN 978-3-946030-51-5.
  • August Ludwig: Unsere Bienen. Ein ausführliches Handbuch der Bienenkunde und Bienenzucht. Fritz Pfenningstorff Berlin. Insgesamt vier Auflagen – die letzte 1937.
  • Robin F.A. Moritz, Edward E. Southwick: Bees As Superorganisms. An Evolutionary Reality. Springer-Verlag, Berlin 1992, ISBN 0-387-54821-1 (englisch).
  • Jürgen Tautz & Helga R. Heilmann: Phänomen Honigbiene. Spektrum Akademischer Verlag 2007. ISBN 3-8274-1845-3.
  • Jürgen Tautz: Der Bien. Superorganismus Honigbiene. Hörbuch. suppose 2007. ISBN 3-932513-80-0.
  • Jürgen Tautz: Der Bien – ein Säugetier mit vielen Körpern. Superorganismus Bienenstaat. In: Biologie in unserer Zeit, Vol. 38, 1/2008, ISSN 0045-205X, S. 22–29.
  • Heinrich Sannemann: Der Bien und seine wahre Aufgabe auf der Erde. Ukkam-Verlag, München 1991, ISBN 3-927950-05-X.

Einzelnachweise

  1. Johann Ludwig Christ: Anweisung zur nützlichsten und angenehmsten Bienenzucht. Fleischer, 1783, S. 105 (google.de [abgerufen am 19. Mai 2025]).
  2. Johann Ludwig Christ: Anweisung zur nützlichsten und angenehmsten Bienenzucht für alle Gegenden, bey welcher in einem mittelmässig guten Bienenjahr von 25 guten Bienenstöcken 100 fl. und in einem recht guten Bienenjahr 200 fl. gewonnen werden können, und dennoch jeder Stock in gutem Stande bleibet. 1802, S. 146, 147 (google.de [abgerufen am 19. Mai 2025]).