Betzinger Künstlerkolonie

Die Betzinger Künstlerkolonie (oder auch Künstlerkolonie Betzingen[1] oder Betzinger Malschule[2]) war eine Künstlerkolonie in Betzingen (heute ein Stadtteil von Reutlingen in Baden-Württemberg) zwischen den 1840 und 1890er Jahren.

Geschichte

1841 integrierte Franz Seraph Stirnbrand eine Betzingerin in ein Gemälde. 1844 machte Caspar Kaltenmoser einen Halt in Betzingen, um Skizzen anzufertigen. Weitere Maler folgten. Besonders nach dem Anschluss an das Königlich Württembergische Staats-Eisenbahnen-Netz im Jahr 1861 kamen bis in die 1890er-Jahre Künstler aus München, Frankfurt, Düsseldorf, Berlin, Frankreich, Österreich und Belgien nach Betzingen. Sie quartierten sich meist im Gasthof Rose ein, wo sich ab 1870 Maler mit Namen und Werken in ein Gästebuch, die sogenannten Rosenblätter, eintrugen. In dem Gästebuch finden sich die Namen von 31 Künstlern, insgesamt werden der Kolonie 60 Künstler zugeordnet.

Eine feste Gruppe oder ein gemeinsamer Malstil bildete sich nicht. Als Gründe dafür werden zum einen die unmittelbare Nähe zu Reutlingen und damit keine gebotene ländliche Abgeschiedenheit, zum anderen galt die Kunstakademie Stuttgart als zu unbedeutend, um wesentliche Impulse zu setzen.[3] Das Interesse der Künstler an der Betzinger Tracht trug zu deren Erhalt bei.[1]

Inhalt der Werke

Martina Schröder beschreibt für die Zeitschrift Schwäbische Heimat den Inhalt der Werke wie folgt:

„Auf dem Höhepunkt des Industriezeitalters erzählten die Künstler in großformatigen Genrebildern bewusst von einer Gegenwelt. Sie wollten den Betrachter aus der urbanen hektischen Gegenwart in eine Landwelt voller poetischer, sentimentaler und humorvoller Themen entführen. […] Die Genrebilder sind poetisch verklärte, idealisierte Sehnsuchtsbilder für ein bürgerliches Publikum. Sie schildern ein einfaches, naturverbundenes Landleben voller Harmonie und Beständigkeit. Im Detail geben sie aber durchaus ethnografische Blicke auf eine bäuerliche Existenz wieder, die es so zu ihrer Entstehungszeit entweder gerade noch oder bereits schon nicht mehr gegeben hat.“

Martina Schröder: Eine «Malerheimath» – die württembergische Künstlerkolonie Betzingen[1]

Künstler und Werke (Auswahl)

Unter anderem folgende Künstler malten in Betzingen: Anton Braith, Louis Braun, Reinhold Braun, Jakob Grünenwald, Robert Wilhelm Heck, Caspar Kaltenmoser, Albert Kappis, Paul Wilhelm Keller-Reutlingen, Carl Johann Lasch, Theodor Pixis, Theodor Schüz, Johann Sperl und Benjamin Vautier.[3]

Jahr Maler Werk
1841 Franz Seraph Stirnbrand
König Wilhelm I auf dem Friedrichsplatz am 28. September 1841
1844 Caspar Kaltenmoser Aufenthalt für Skizzen
1848 Yvon Ambros Vermeersch
Brunnen in Reutlingen (Lindenbrunnen)
1849 Heinrich von Rustige
Trunk auf das Wohl König Wilhelms I. von Württemberg
1850 (ca.) Albert Wagner
Trachtenmädchen
1851 Caspar Kaltenmoser
Württembergerin am Spinnrad
1854 Robert Heck
Der Bauer Martin Kurtz
1859 Reinhard und Louis Braun
Besuch Napoleon III. bei König Wilhelm I. im Rahmen des Stuttgarter Zwei-Kaiser-Treffens 1857 – links unten im Bild ein Paar in Betzinger Tracht
1861 (ca.) Jakob Grünenwald
Trachtenpaar
1862 Heinrich Winter
Ländliches Paar
1864 Theodor Pixis
Gruppe in Tracht
1865 Caspar Kaltenmoser
Betzinger Wirtshausszene
1865 Louis Toussaint
Frauen vor der Kirche
1867 Wilhelm Emil Robert Heck
Schwäbische Landleute in Betzinger Tracht andächtig in einer Kirche
1868 Wilhelm Emil Robert Heck
Vorstudie zu Spinnstube in Schwaben – Betzinger Lichtkarz
1880 Louis Braun
Eröffnung des ersten Cannstatter Volksfestes durch König Wilhelm I. im Jahr 1818
1880 (ca.) Theodor Schmidt
Fremder Besuch in einem schwäbischen Dorfgasthaus
vor 1900 Fritz Bergen
Betzinger Frau und Mann in Tracht vor der Mauritiuskirche

Einzelnachweise

  1. a b c Martina Schröder: Eine «Malerheimath» – die württembergische Künstlerkolonie Betzingen. Schwäbische Heimat, April 2007. https://doi.org/10.53458/sh.v58i4.3726
  2. Jutta Böning: Das Artländer Trachtenfest. Waxmann Verlag, 1999, ISBN 3-89325-770-5. S. 58
  3. a b Martina Schröder: Württembergs Künstlerkolonie - Genremaler im Trachtendorf Betzingen. Heimatmuseum Reutlingen, 2007, ISBN 3-933820-94-4.