Bernhard Hirt
Bernhard Hirt (* 1971) ist ein deutscher Anatom, Arzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) und Kopf- und Halschirurgie. Er gilt als ein Pionier der modernen klinischen Anatomie und wurde mit dem Anton-Waldeyer Preis ausgezeichnet.[1] Seit 2015 hat er einen Lehrstuhl für Anatomie an der Eberhard Karls Universität in Tübingen. Er ist Direktor des Instituts für Klinische Anatomie und Zellanalytik und etablierte dort ein internationales chirurgisches Forschungs- und Trainingszentrum an dem rund 150 MedTech-Unternehmen und jährlich rund 3000 Chirurgen praktizieren.[2]
Leben
Nach dem Abitur studierte Bernhard Hirt von 1992 bis 1999 Medizin in Tübingen. Sein Praktisches Jahr absolvierte er an der LMU München und der UCSF San Francisco. Bis zu seiner Promotion am Anatomischen Institut der Universität Tübingen im Jahre 2000, die er mit der Note Summa cum laude abschloss, arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Anatomischen Instituts.[3]
Ab dem Jahr 2001 arbeitete er als Arzt in Weiterbildung an der HNO-Klinik Tübingen. 2007 erhielt er den Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und arbeitete als Oberarzt an der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in Tübingen. Im Jahre 2011 erhielt er zusätzlich den Facharzt für Anatomie.[4]
Seit 2008 leitet er die Klinische Anatomie der Universität Tübingen. Nach seiner Habilitation in Anatomie im Jahr 2012 erhielt er 2014 den Ruf zu einer W2-Professur an der HHU Düsseldorf.[5] Diese gab er 2015 zugunsten einer W3-Professur an der Universität Tübingen auf. Seit 2015 ist er außerdem Studiendekan der Vorklinik an der Universität Tübingen.[2]
Bernhard Hirt ist Co-Gründer eines deutschen Start-Up Unternehmens in Tübingen, das sich auf die Entwicklung einzigartiger Biozid-Wirkstoffe spezialisiert hat. Bis 2024 hatte er dort die Position des CEO inne.[6]
Bernhard Hirt tritt als Gründungsmitglied und Vereinsvorsitzender des Vereins „Initiative Erinnerungsort Gräberfeld X e.V.“ aktiv für die Aufarbeitung der Geschichte der Anatomie im Nationalsozialismus ein.[7] Der Verein zeigt mit der Ausstellung und Publikation „Entgrenzte Anatomie“, wie die Tübinger Anatomie im Nationalsozialismus von der NS-Justiz und Verfolgungspolitik profitierte, indem sie die Körper von Opfern für Forschung und Lehre nutzte. Anhand von Objekten, Dokumenten und Interviews beleuchtet sie die Entwicklung der Disziplin vor, während und nach 1933 und stellt kritische Fragen nach Verantwortung, Kontinuitäten und Brüchen.[8]
Live Medienformate
Sectio chirurgica
Bernhard Hirt ist Gründer der "Sectio chirurgica", einem Format, das Anatomie und Live-Chirurgie unmittelbar erfahrbar macht.[9] Es verbindet vorklinisches Grundwissen mit klinischer Expertise und wird im Wintersemester jeweils donnerstags live aus dem Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik gestreamt.[10]
Als Gründer und Leiter der “Sectio chirurgica” wurde er mit dem Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre - Fakultätenpreis des Medizinischen Fakultätentages und des Stifterverbands der Deutschen Wissenschaft ausgezeichnet.[11]
Im Jahr 2025 veröffentlichten die Medimeisterschaften Tübingen die Single ‚Sectio Chirurgica‘ (feat. irgendwas ist immer), die anschließend auf gängigen Streaming-Plattformen wie Spotify[12] und Apple Music[13] erschien.
Einschnitte - Einblicke
Bernhard Hirt ist Initiator der Veranstaltungsreihe “Einschnitte/Einblicke”, die seit 2016 regelmäßig stattfindet.[14] Das Format soll Kontakte zwischen Kliniken, Ärztlichen Direktoren und Oberärzten sowie Unternehmen in der MedTech-Branche herstellen, die live neue Ansätze diskutieren, moderiert von Bernhard Hirt.[15]
Forschungsgebiete
Die Forschungsschwerpunkte von Bernhard Hirt sind die minimalinvasive Chirurgie und die Schädelbasischirurgie. Im Bereich der molekularen Forschung untersucht er u. a. die Neurosensorik.[16]
Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit entwickelte und patentierte eine biozide Wirksubstanz Aminolipin, die ein neuartiges Wirkprinzip verfolgt und u. a. als formaldehydfreie Konservierungslösung für biologische Materialien und anatomische Präparate geeignet ist.[17]
Forschung zu Aminolipin als formaldehydfreie Alternative
Aminolipin ist eine formaldehydfreie Fixierungs- und Konservierungssubstanz, die am Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik der Universität Tübingen unter Leitung von Bernhard Hirt entwickelt wurde. Ziel der Forschung ist es, eine gesundheitlich unbedenkliche Alternative zu Formaldehyd zu schaffen, das in der Anatomie und Pathologie weit verbreitet, jedoch als krebserregend eingestuft ist. Aminolipin weist neben fixierenden Eigenschaften auch eine antimikrobielle Wirkung auf und ermöglicht die langfristige Konservierung biologischer Materialien. Im Gegensatz zu Formaldehyd gilt es als nicht flüchtig, nicht hautschädlich sowie weder mutagen noch genotoxisch.[18]
In der praktischen Anwendung eignet sich Aminolipin insbesondere für die anatomische Ausbildung und chirurgische Trainings, da es eine realitätsnahe Haptik und die Beweglichkeit von Gelenken erhält. Studien belegten zudem eine breite Wirksamkeit gegen Bakterien, Pilze und verschiedene Viren.[19]
Die Weiterentwicklung von Aminolipin wird seit 2022 durch das Förderprogramm GO-Bio des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt.Nachweise zur Wirksamkeit und Sicherheit zu erbringen und die Ausgründung eines Start-ups vorzubereiten.[20]
Funktionen und Mitgliedschaften
- 1. Vorsitzender im Verein Initiative Erinnerungsort Gräberfeld X e.V.
- Vorstand für das Idea Evaluation 4C-Accelerator des Medical Innovation Incubator GmbH
- Vorstand des Vereins BioMedTech e.V.
- Mitglied der Anatomischen Gesellschaft
- Mitglied der Kommission für Lehre und Fortbildung der Anatomischen Gesellschaft
Preise und Auszeichnungen
- 2013: MOOC-Fellowship des Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
- 2014: Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre[21]
- 2018: Anton-Waldeyer-Preis der Anatomischen Gesellschaft[22]
Literatur
- Benninghof/Drenckhahn: Anatomie: Makroskopische Anatomie, Histologie, Embryologie, Zellbiologie. Kapitel: Kopf und Hals Elsevier Verlag, 2025, ISBN 9783437423420
- Sobotta Anatomie - Das Lehrbuch. Anatomie verstehen: Das Lehrbuch für Studierende der Human- und Zahnmedizin. Kapitel: Wirbelsäule Elsevier Verlag, 2025, ISBN 9783437411878
- Entgrenzte Anatomie, Schriften des Museums der Universität Tübingen MUT, hg. von Ernst Seidl, Bd. 26 (Braam, Leonie, Schönhagen, Benigna, Tümmers, Henning (Hg.)) 2023, ISBN 978-3-949680-03-8
- Präpkurs Anatomie (B. Tillmann und B. Hirt) Springer Nature Verlag, 2022, ISBN 9783662628386
- Pituitary Tumors: A Comprehensive and Interdisciplinary Approach Kapitel: Anatomy of the pituitary region, Elsevier Verlag, 2021, ISBN 978-0128199497
- Expertise Thoraxchirurgie: Kapitel Klinische Anatomie (Müller, Michael Rolf; Watzka, Stefan B) Thieme Verlag, 2016, ISBN 9783131750211
- Knie: Expertise Orthopädie und Unfallchirurgie, Kapitel Klinische Anatomie, Thieme Verlag, 2016, ISBN 9783131750013
- Anatomie und Biomechanik der Hand (B. Hirt, H. Seyhan, M. Wagner, R. Zumhasch) Georg Thieme Verlag, 2014, ISBN 978-3-13-166513-3.
- Operative Zugangswege in Orthopädie und Traumatologie: Begründet von Rudolf Bauer, Fridun Kerschbaumer und Sepp Poisel. Anatomische Bearbeitung komplett, Thieme Verlag, 2013, ISBN 9783132403055
Einzelnachweise
- ↑ Anton-Waldeyer-Preis - Anatomische Gesellschaft. Abgerufen am 26. August 2025 (deutsch).
- ↑ a b Lebenslauf Bernhard Hirts auf der Seite des Anatomischen Instituts der Universität Tübingen
- ↑ Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik. Abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik. Abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ Universität Düsseldorf: Prof. Dr. Hirt zum W2-Prof. ernannt. Archiviert vom am 30. Oktober 2017; abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ About us – LICIT Solutions. Abgerufen am 27. August 2025 (britisches Englisch).
- ↑ Verein: Initiative Erinnerungsort Gräberfeld X e.V. – Gräberfeld X. Abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ MUT Museum der Universität Tübingen: Entgrenzte Anatomie - MUT Tübingen. Abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ Skalpell und Livestream. 28. Mai 2017, abgerufen am 26. August 2025.
- ↑ Sectio chirurgica – Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik. Abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ Ars legendi Fakultätenpreis | Medizinischer Fakultätentag. Abgerufen am 26. August 2025.
- ↑ Spotify. Abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ Medimeisterschaften Tübingen bei Apple Music. Abgerufen am 27. August 2025 (deutsch).
- ↑ einschnitte — einblicke – Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik. Abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ Einschnitte - Einblicke. Abgerufen am 26. August 2025.
- ↑ Artikel auf der Seite der Medizinischen Fakultät der HHU Düsseldorf ( vom 18. April 2017 im Internet Archive)
- ↑ AG Hirt – Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik. Abgerufen am 27. August 2025.
- ↑ LICIT Solutions – Next-Generation Active Ingredients for Preservation, Hygiene, and Protection. Abgerufen am 27. August 2025 (britisches Englisch).
- ↑ LICIT Solutions – Next-Generation Active Ingredients for Preservation, Hygiene, and Protection. Abgerufen am 27. August 2025 (britisches Englisch).
- ↑ GO-Bio next - BMFTR GO-Bio. Archiviert vom am 2. Juni 2025; abgerufen am 26. August 2025.
- ↑ Ars legendi Fakultätenpreis | Medizinischer Fakultätentag. Abgerufen am 26. August 2025.
- ↑ Preisträger (Anton-Waldeyer-Preis) — Anatomische Gesellschaft. Abgerufen am 17. Juni 2019.