Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben 2011

Ergebnis des Volksentscheids[1]
Zustimmungsquorum: 25 %
 %
80
70
60
50
40
30
20
10
0
27,0
0,5
0,03
72,5
Ja
Nein
ungültig
Stimm-
verzicht
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Der Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben fand am 13. Februar 2011 in Berlin statt. Er wurde durch das gleichnamige Volksbegehren ausgelöst, mit dem die Verträge des Landes Berlin im Zusammenhang mit der teilweisen Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe offengelegt und gegebenenfalls nachträglich für unwirksam erklärt werden sollten. Das Anliegen wurde beim Volksentscheid von 98 % der Abstimmenden befürwortet. Da zudem das in Berlin geltende 25%-Zustimmungsquorum übersprungen wurde, galt das Volksbegehren als angenommen. Das Volksbegehren war das erste in der Geschichte Berlins, dass zur Annahme eines Gesetzes durch Volksentscheid führte.

Hintergrund

Im Jahr 1999 veräußerte das Land Berlin unter dem Senat Diepgen IV 49,9 % des kommunalen Wasserversorgers Berliner Wasserbetriebe (BWB) an RWE, Vivendi (seit 2003 Veolia Environnement, seit 2012 nur noch Veolia) und Allianz. Für die Minderheitsbeteiligung an der BWB zahlte das Konsortium 3,3 Mrd. DM (1,69 Mrd. Euro), das damit das größte Vermögensgeschäft in der Geschichte Berlins darstellt.[2] Zehn Prozent des Erlöses wurden in einen sogenannten Zukunftsfonds investiert, der innovative Unternehmen und Projekte in der Hauptstadt fördert. Der überwiegende Teil der Milliardeneinnahme wurde jedoch benötigt, um das Etatdefizit im Haushaltsjahr 1998 auszugleichen.

Über eine Beteiligungsgesellschaft, die Berliner Wasserbetriebe Beteiligungs AG, waren die privaten Investoren zu 49,9 % an der Berlinwasser Holding AG beteiligt und nicht direkt an der BWB. Anfangs hielt die Allianz Capital Partners einen zehnprozentigen Anteil an der Beteiligungs-AG, den RWE und Vivendi 2002 übernahmen, sodass beide Unternehmen je die Hälfte der Beteiligungsgesellschaft besaßen.[3] Bereits 2000 hatte Vivendi seinen Anteil in die Tochtergesellschaft Vivendi Environnement ausgelagert, die sich 2003 als Veolia Environnement ganz von Vivendi löste. Mehrheitsbeteiligter an der Berlinwasser Holding AG und der BWB (eine Anstalt des öffentlichen Rechts) war jeweils zu 50,1 % das Land Berlin.

Der Konsortialvertrag zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe enthielt im Wesentlichen folgende Vereinbarungen:[4]

Um den Verkauf zu ermöglichen, änderte das Abgeordnetenhaus von Berlin das Berliner Betriebegesetz und das Berliner Wassergesetz am 29. April 1999 in namentlicher Abstimmung gegen die Stimmen der Opposition und einiger Abweichler aus CDU und SPD.[5] Im Teilprivatisierungsgesetz wurde den privaten Partnern zudem eine Verzinsung des eingebrachten Kapitals festgelegt:

„Als angemessene Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals gilt die durchschnittliche Rendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in einem Zeitraum von 20 Jahren, die der jeweiligen Kalkulationsperiode vorausgehen, zuzüglich 2 %. Eine darüber hinausgehende Verzinsung gilt gleichfalls insoweit als angemessen, als sie auf Maßnahmen beruht, die zu einer dauerhaften Steigerung der betriebswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der BWB, insbesondere durch Anwendung neuer Technologien, Einsparungen oder Effizienzsteigerung oder in sonstiger Weise führen. Diese weitergehende Verzinsung ist nur während eines Zeitraumes von drei Jahren, beginnend ab dem Jahr, das nach Durchführung der Maßnahmen beginnt, zulässig.“

Die Oppositionsparteien PDS und Bündnis 90/Die Grünen strengten eine verfassungsgerichtliche Überprüfung an, da sie die Rechtmäßigkeit des Gesetzes zur Teilprivatisierung der BWB bezweifelten. Das Gesetz hielt der Kontrolle durch den Berliner Verfassungsgerichtshof stand.[6]

Mitte der 2000er Jahre formierte sich das Berliner „Bündnis gegen Privatisierung“. Im Herbst 2006 war Reform der Direkten Demokratie in der Berliner Verfassung durch ein obligatorisches Referendum bestätigt worden war. In der Folge beschloss das Bündnis gegen Privatisierung, die erleichterten Möglichkeiten der demokratischen Mitbestimmung für ihre Anliegen zu nutzen. Unter dem Dach des Bündnisses wurden im Juni 2007 drei Anträge auf ein Volksbegehren zeitgleich gestartet, wobei die Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ unter dem Titel „Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück“ für eine Veröffentlichung des damals noch geheimen Konsortialvertrags zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe eintrat.[7]

Der Weg zum Volksentscheid

Antrag auf ein Volksbegehren

Im Juni 2007 startete die Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ unter dem Titel „Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück“ ihren Antrag auf ein Volksbegehren für eine Veröffentlichung der Teilprivatisierungsverträge der Berliner Wasserbetriebe. Aufgrund von Startschwierigkeiten in den ersten Monaten zeichnete sich bald ab, dass die geforderte Sammlung von 20.000 gültigen Unterschriften binnen sechs Monaten vor Einreichung nicht zu schaffen sein würde.[8] Daher setzte die Bürgerinitiative die Unterschriftensammlung noch bis Ende Januar 2008 fort.[9] Auch wenn die ganz zu Beginn gesammelten Unterstützungsbekundungen dadurch zwar ihre Gültigkeit verloren (weil zum Zeitpunkt der Einreichung älter als sechs Monate), gelang es am 31. Januar 2008 auf diese Weise doch noch 39.659 Unterschriften beim Landeswahlleiter einzureichen. Nach Prüfung durch die Bürgerämter wurden 36.062 für gültig befunden.[10]

Am 4. März 2008 erklärte jedoch der Berliner Senat das Anliegen für unzulässig.[11] Da die Wasserbetriebe ein privates Unternehmen seien, gelte Bundesrecht, das Land dürfe hierzu keine konkurrierenden Beschlüsse treffen, das Anliegen sei daher grundgesetzwidrig. Das Volksbegehren sei als Missbrauch der erst 2006 ausgebauten direktdemokratischen Rechte zu werten. Der Berliner Wassertisch erhob Beschwerde gegen diese Entscheidung vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof. Das Gericht hob die Entscheidung des Senats mit seinem Urteil vom 6. Oktober 2009 auf. Es widersprach der Auffassung des Senats, das Land Berlin verfüge über keine Regelungskompetenz bezüglich des Privatunternehmens Berliner Wasserbetriebe. Vielmehr unterliege die Wasservorsorge als Teil der Daseinsvorsorge stets dem öffentlich-rechtlichen Bereich und „ein intendierter Missbrauch [sei] schon im Ansatz nicht zu erkennen“. Weiterhin fehle es dem Senat für „eine solche umfassende Präventivkontrolle des Volksbegehrens [...] - ebenso wie bei der Parlamentsgesetzgebung - an einer rechtlichen Grundlage“. Der Gesetzgeber habe den Ausbau der direkten Demokratie gewünscht und die Verfahrensweise hierfür klar benannt. Eine Vorabkontrolle durch die Exekutive, sei darin jedoch nicht vorgesehen. Zudem verfügten sowohl Senat als auch Abgeordnetenhaus im weiteren Verfahrensverlauf über Einflussmöglichkeiten und seien einem Volksbegehren nicht ausgeliefert. Die Entscheidung des Senats sei daher fehlerhaft gewesen und das Volksbegehren zuzulassen.[12] Über die Frage, ob das Anliegen des Volksbegehrens tatsächlich gegen die Berliner Verfassung oder Bundesrecht verstoße, urteilte das Gericht nicht.

Volksbegehren

Übergabe der Unterschriften für das Volksbegehren am 27. Oktober 2010

Im Anschluss an das Urteil des Verfassungsgerichtshof traten der Senat und der Berliner Wassertisch in Verhandlungen miteinander, um eine Kompromisslösung zu erreichen. Diese scheiterten letztlich, sodass die Bürgerinitiative am 28. Juni 2010 mit der Unterschriftensammlung für das eigentliche Volksbegehren begann. Zum Ende der gesetzlichen 4-Monatsfrist am 27. Oktober 2010 lagen exakt 320.700 Unterstützungsbekundungen vor. Nach vollständiger Prüfung durch die Bürgerämter wurden davon 280.887 als gültig anerkannt. Das waren 11,4 % der stimmberechtigten Berlinerinnen und Berliner und lag deutlich über dem geforderten Unterschriftenquorum von 7 % (= 171.864 Unterstützungsbekundungen).[13] Die Volksabstimmung wurde schließlich auf den 13. Februar 2011 festgelegt.

Gegenstand des Volksbegehrens war das „Gesetz für die vollständige Offenlegung von Geheimverträgen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe“. Es hat drei wesentliche Inhalte:

  1. Die vollständige Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge der Berliner Wasserbetriebe (§§ 1 und 2),
  2. ein Mitsprache- und Prüfungsrecht des Abgeordnetenhauses bei den bestehenden und möglichen künftigen Verträgen zu den Wasserbetrieben (§ 3) sowie
  3. die auch nachträgliche Unwirksamkeit von Verträgen, die den vorgenannten Prinzipien nicht entsprechen (§ 4).

Noch während die Sammlung für das Volksbegehren lief, beschloss am 8. Juli 2010 das Abgeordnetenhaus das „Zweite Gesetz zur Änderung des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG)“ beschlossen, wodurch das Akteneinsichtsrecht erleichtert wurde.[14] Mit der Gesetzesänderung wurde die Informationsfreiheit im Land Berlin ausgeweitet und bezog durch den neuen Absatz 3 in § 17 auch „Verträge über Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge“ mit ein.

Drei Tage nach Einreichung der Volksbegehrens veröffentlichte die Tageszeitung taz am 30. Oktober 2010 als Scoop den Konsortialvertrag zwischen dem Land Berlin und den privaten Investoren.[15] Am 10. November 2010 legten auch das Land Berlin und Veolia den Vertrag zur Teilprivatisierung samt Nebenverträgen offen.[16]

Der Senat lehnte Volksbegehren ab und warb für ein Nein im Volksentscheid. Das Begehren verstoße gegen die Berliner Verfassung und gegen Bundesrecht. Das Land Berlin sei zudem befugt, Verträge nachträglich einseitig zu ändern. Darüber hinaus sei eine Zustimmung im Volksentscheid überflüssig, da der wesentliche Teil der Verträge bereits veröffentlicht sei und das im Juli 2010 geänderte Informationsfreiheitsgesetz bereits weitergehende Rechte beinhalte.[17] Das Abgeordnetenhaus schloss sich in seiner Stellungnahme für die Abstimmungsbrochüre dieser Darstellung weitgehend an, das Volksbegehren sei gegenstandslos, da alle darin genannten Ziele bereits erreicht seien.[18] Der Berliner Wassertisch widersprach dieser Darstellung, es sei bislang nur ein Bruchteil der Verträge veröffentlicht. Nur das begehrte Gesetz schaffe verlässlich die Sicherheit, während das Informationsfreiheitsgesetz keinerlei Sanktionen vorsehe. Jedenfalls sei angesichts der Falschaussagen der Vergangenheit den maßgeblichen politischen Akteuren in dieser Frage nicht zu trauen.[19] Über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu urteilen, nicht jedoch des Senats.[20]

Unterstützungsbekundungen für das Volksbegehren nach Berliner Bezirken[21]
(Unterschriftenquorum: 7 % der Stimmberechtigten = 171.864 Personen)
Bezirk Anzahl
MitteWappen des Bezirks Mitte Mitte 019.804
Friedrichshain-KreuzbergWappen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Friedrichshain-Kreuzberg 028.981
PankowWappen des Bezirks Pankow Pankow 036.125
Charlottenburg-WilmersdorfWappen des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf Charlottenburg-Wilmersdorf 027.030
SpandauWappen des Bezirks Spandau Spandau 0011.697
Steglitz-ZehlendorfWappen des Bezirks Steglitz-Zehlendorf Steglitz-Zehlendorf 029.961
Tempelhof-SchönebergWappen des Bezirks Tempelhof-Schöneberg Tempelhof-Schöneberg 027.782
NeuköllnWappen des Bezirks Neukölln Neukölln 021.025
Treptow-KöpenickWappen des Bezirks Treptow-Köpenick Treptow-Köpenick 025.929
Marzahn-HellersdorfWappen des Bezirks Marzahn-Hellersdorf Marzahn-Hellersdorf 016.671
LichtenbergWappen des Bezirks Lichtenberg Lichtenberg 018.561
ReinickendorfWappen des Bezirks Reinickendorf Reinickendorf 0017.321
Berlin Berlin 280.887 (11,4 %)[22]

Volksentscheid

Der Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben fand am Sonntag, den 13. Februar 2011 statt. Die Abstimmung war keiner Wahl zusammengelegt.

Von den knapp 2,5 Millionen Stimmberechtigten beteiligten sich 678.507 (= 27,5 %). Von den gültig abgegebenen Stimmen sprach sich eine überwältigende Mehrheit von über 666.235 (= 98,3 %) für das Volksbegehren aus. Nur 692 Stimmen (= 0,2 %) waren ungültig. Das geforderte 25%-Zustimmungsquorum wurde übersprungen, die Ja-Stimmen entsprachen 27 % der Stimmberechtigten, und der Volksentscheid erlangte somit Gültigkeit. Da das Volksbegehren einen Gesetzentwurf zum Gegenstand hatte, galt dieses somit als vom Volk beschlossen und trat am 13. März 2011, dem Tag nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt in Kraft.[23]

In allen Berliner Bezirken machten die „Ja“-Stimmen zwischen 97 % und 98 % der gültigen Stimmen aus. In acht von zwölf Berliner Bezirken wurde dabei das Zustimmungsquorum überschritten. Die größte anteilige Stimmbeteiligung gab es in Treptow-Köpenick, Steglitz-Zehlendorf und Reinickendorf, in denen jeweils über 30 % der Stimmberechtigten am Volksentscheid teilnahmen. Die geringste Stimmbeteiligung zeigte sich in Mitte, Lichtenberg und Charlottenburg-Wilmersdorf mit jeweils unter 25 % Stimmbeteiligung.

Amtliches Endergebnis des Volksentscheids vom 13. Februar 2011 in Berlin[24]
Bezirk Beteiligung Stimmverteilung
Stimmbe-
rechtigte
(a)
Abstimm-
ende (b)
Gültige (c) Un-
gültige
Ja Nein
Anzahl Anzahl Anteil
(an a)
Anzahl Anteil
(an b)
Anzahl Anteil
(an b)
Anzahl Anteil
(an c)
Anteil
(an a)
Anzahl Anteil
(an c)
MitteWappen des Bezirks Mitte Mitte 196.830 44.193 22,45 % 44.135 99,87 % 58 0,13 % 43.214 97,91 % 21,95 % 921 2,09 %
Friedrichshain-KreuzbergWappen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Friedrichshain-
Kreuzberg
170.710 46.346 27,15 % 46.304 99,91 % 49 0,11 % 45.530 98,33 % 26,67 % 774 1,67 %
PankowWappen des Bezirks Pankow Pankow 282.996 80.469 28,43 % 80.405 99,92 % 64 0,08 % 79.193 98,49 % 27,98 % 1.212 1,51 %
Charlottenburg-WilmersdorfWappen des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf Charlottenburg-
Wilmersdorf
216.662 52.899 24,42 % 52.860 99,93 % 39 0,07 % 52.078 98,52 % 24,04 % 782 1,48 %
SpandauWappen des Bezirks Spandau Spandau 162.532 41.434 25,49 % 41.389 99,89 % 45 0,11 % 40.554 98,00 % 24,95 % 835 2,00 %
Steglitz-ZehlendorfWappen des Bezirks Steglitz-Zehlendorf Steglitz-
Zehlendorf
216.913 70.593 32,54 % 70.527 99,91 % 66 0,09 % 69.328 98,30 % 31,96 % 1.199 1,70 %
Tempelhof-SchönebergWappen des Bezirks Tempelhof-Schöneberg Tempelhof-
Schöneberg
232.278 66.798 28,76 % 66.711 99,87 % 87 0,13 % 65.610 98,35 % 28,24 % 1.099 1,65 %
NeuköllnWappen des Bezirks Neukölln Neukölln 199.512 52.291 26,21 % 52.198 99,82 % 93 0,18 % 51.131 97,95 % 25,63 % 1.067 2,05 %
Treptow-KöpenickWappen des Bezirks Treptow-Köpenick Treptow-
Köpenick
199.688 66.390 33,24 % 66.341 99,93 % 49 0,07 % 65.430 98,63 % 32,77 % 911 1,37 %
Marzahn-HellersdorfWappen des Bezirks Marzahn-Hellersdorf Marzahn-
Hellersdorf
202.537 54.156 26,73 % 54.102 99,90 % 54 0,10 % 53.262 98,45 % 26,30 % 840 1,55 %
LichtenbergWappen des Bezirks Lichtenberg Lichtenberg 203.868 48.070 23,57 % 48.027 99,91 % 43 0,09 % 47.012 97,89 % 23,05 % 1.020 2,11 %
ReinickendorfWappen des Bezirks Reinickendorf Reinickendorf 181.762 54.868 30,17 % 54.823 99,92 % 45 0,08 % 53.893 98,31 % 29,64 % 930 1,69 %
Berlin Berlin 2.466.288 678.507 27,51 % 677.435 99,84 % 692 0,16 % 666.235 98,34 % 27,01 % 11.590 1,66 %

Folgen

Das Volksbegehren zur Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben war das erste in Berlin, das eine Mehrheit an „Ja“-Stimmen im Volksentscheid erhielt und das 25%-Zustimmungsquorum überwand.

Unmittelbar nach dem Erfolg bestand Uneinigkeit im Senat, wie mit dem Ergebnis umzugehen sei.[25] Einerseits verzichtete der Senat darauf, seine Ankündigung einer Prüfung des Volksbegehrens vor dem Verfassungsgerichtshof wahr zu machen. Zugleich betonten sowohl Innensenator Ehrhart Körting (SPD) als auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) wiederholt ihre verfassungsrechtlichen Zweifel.[26] Währenddessen signalisierte RWE, dass das Unternehmen zu einem Rückverkauf seines 50%igen Anteils an den Berliner Wasserbetrieben bereit sei.[27] Die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin im September 2011 führte zu Verlusten bei SPD und Linken und der anschließenden Bildung des rot-schwarzen Senats Wowereit IV.

Im Frühjahr 2012 rügte das Bundeskartellamt die Berliner Wasserbetriebe wegen im Vergleich zu anderen Städten deutlich überhöhten Preisen und schrieb Preissenkungen für die kommende Jahre vor.[28] In dieser Situation entschloss sich die RWE im Sommer 2012 zu einem Verkauf ihrer Anteile an das Land Berlin, das dafür 618 Millionen Euro zahlte. Für den bei Veolia verbleibende Anteil fasste das Abgeordnetenhauses im Dezember 2013 den Beschluss zum Rückkauf. Hierfür bezahlte das Land Berlin noch einmal 590 Millionen Euro.[29] Damit waren die Wasserbetriebe wieder vollständig in öffentlicher Hand.

Siehe auch

Literatur

Amtliche Veröffentlichungen

Forschungsliteratur

  • Mathias Behnis: Die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe. Einmal Privatisierung und zurück. Berlin 2020, DNB 1218384115 (zugleich Dissertation Freie Universität Berlin 2019).
  • Otmar Jung: Ein neuer Modus... In: Mehr Demokratie e.V. (Hrsg.): MD Magazin. Zeitschrift für direkte Demokratie. Nr. 88, 2011, ZDB-ID 2577724-5 (mehr-demokratie.de [PDF]).
  • Daniela Ochmann: Rechtsformwahrende Privatisierung von öffentlich-rechtlichen Anstalten. Dargestellt am Holdingmodell zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (= Schriften zum Wirtschaftsverwaltungs- und Vergaberecht. Band 4). Baden-Baden 2005, DNB 973511117.

Einzelnachweise

  1. Petra Michaelis-Merzbach, Ulrike Rockmann: Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben
  2. Daniela Ochmann: Rechtsformwahrende Privatisierung von öffentlich-rechtlichen Anstalten, S. 22
  3. Daniela Ochmann: Rechtsformwahrende Privatisierung von öffentlich-rechtlichen Anstalten, S. 37.
  4. Daniela Ochmann: Rechtsformwahrende Privatisierung von öffentlich-rechtlichen Anstalten, S. 29.
  5. Der Senat von Berlin: Vorlage – zur Beschlußfassung – über Gesetz zur Änderung des Berliner Betriebegesetzes, zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe und zur Änderung des Berliner Wassergesetze. In: pardok.parlament-berlin.de. Abgeordnetenhaus von Berlin, 5. Januar 1999, abgerufen am 11. September 2025 (Drucksache 13/3367).
  6. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin: VerfGH Berlin: Erfolgloser Eilantrag in einem Normenkontrollverfahren bzgl des Gesetzes zur Änderung des Berliner Betriebegesetzes, zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe und zur Änderung des Berliner Wassergesetzes (RIS: BetrGuaÄndG BE) - Folgenabwägung. In: gesetze.berlin.de. Land Berlin, 17. Juni 1999, abgerufen am 11. September 2025.
  7. Berlin - Übersicht Volksbegehren/Volksinitiativen. In: bb.mehr-demokratie.de. Mehr Demokratie e. V., abgerufen am 12. September 2025 (Siehe „20. Volksentscheid "Schluss mit Geheimverträgen - Wir Berliner wollen unser Wasser zurück" (2008/11)“).
  8. Peter Nowak: Schwaches Begehren. In: taz.de. taz Verlags und Vertriebs GmbH, 16. November 2007, abgerufen am 12. September 2025.
  9. Kathleen Fietz: "Das Fernsehen ignoriert uns". In: taz.de. taz Verlags und Vertriebs GmbH, 18. Dezember 2007, abgerufen am 12. September 2025.
  10. Matthias Lohre: Geheime Informationen sollen fließen. In: taz.de. taz Verlags und Vertriebs GmbH, 2. Februar 2008, abgerufen am 12. September 2025.
  11. Redaktion: Geheim bleibt geheim. In: taz.de. taz Verlags und Vertriebs GmbH, 5. März 2008, abgerufen am 12. September 2025.
  12. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin: VerfGH Berlin: Versagung der Zulassung des Volksbegehrens "Schluss mit Geheimverträgen - Wir Berliner wollen unser Wasser zurück" durch den Senat nicht mit Landesverfassung vereinbar - keine umfassende Vorabkontrolle der Zulässigkeit von Volksbegehren durch den Senat nach Berliner Landesrecht - Pflicht zur Bundestreue bei Landesgesetzgebung. In: gesetze.berlin.de. Land Berlin, 6. Oktober 2009, abgerufen am 12. September 2025.
  13. Die Landesabstimmungsleiterin: Pressemitteilung der Landesabstimmungsleiterin vom 9. November 2010. Volksbegehren über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben. Endgültige Ergebnis ermittelt: Volksbegehren zustande gekommen. (PDF) In: berlin.de. Land Berlin, 9. November 2010, abgerufen am 11. September 2025.
  14. Fraktion SPD, Linksfraktion: Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz – IFG). In: pardok.parlament-berlin.de. Abgeordnetenhaus von Berlin, 27. Januar 2010, abgerufen am 12. September 2025 (Drucksache 16/2939).
  15. Sebastian Heiser: Die räuberische Wasser-Privatisierung. In: taz.de. taz Verlags und Vertriebs GmbH, 29. Oktober 2010, abgerufen am 12. September 2025.
  16. Land Berlin, Investoren, BB-AG, Holding: Konsortialvertrag über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe.
  17. Die Landesabstimmungsleiterin Berlin (Hrsg.): Amtliche Information zum Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben, S. 12–15.
  18. Die Landesabstimmungsleiterin Berlin (Hrsg.): Amtliche Info mation zum Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben, S. 16–19.
  19. Die Landesabstimmungsleiterin Berlin (Hrsg.): Amtliche Info mation zum Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben, S. 6–11.
  20. Sabine Beikler: Endspurt für Wassertisch. In: tagesspiegel.de. Verlag Der Tagesspiegel GmbH, 19. Januar 2011, abgerufen am 12. September 2025.
  21. Die Landesabstimmungsleiterin: Pressemitteilung der Landesabstimmungsleiterin vom 9. November 2010. Volksbegehren über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben. Endgültige Ergebnis ermittelt: Volksbegehren zustande gekommen. (PDF) In: berlin.de. Land Berlin, 9. November 2010, abgerufen am 11. September 2025.
  22. Der Prozentanteil wurde von der Landesabstimmungsleiterin nicht nach Bezirken aufgeschlüsselt.
  23. Berliner Wassertisch: Gesetz für die vollständige Offenlegung von Geheimverträgen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe. Vom 4. März 2011. In: Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin. Band 67, Nr. 7, 12. März 2011, ZDB-ID 1137003-8, S. 82 (parlament-berlin.de [PDF]).
  24. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg: Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben am 13. Februar 2011. Endgültiges Ergebnis, S. 3.
  25. Senat streitet über richtige Schlüsse aus Volksentscheid. In: Die Welt, 15. Februar 2011
  26. Gilbert Schomaker, Christina Brüning: Senat weicht dem Streit ums Wasser aus. In: Berliner Morgenpost. 16. Februar 2011, abgerufen am 12. September 2025.
  27. Rückkauf der Wasserbetriebe vor der Wahl unwahrscheinlich. In: Die Welt. 4. April 2011, abgerufen am 12. September 2025.
  28. Kartellamt zwingt Wasserbetrieb zu radikaler Preissenkung. In: Der Spiegel. 5. Juni 2012, abgerufen am 17. April 2025.
  29. Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe abgeschlossen. In: berlin.de. Land Berlin, abgerufen am 12. September 2025.