Beneficium abstinendi
Beneficium abstinendi (abstinere se hereditate, etwa: „Enthaltungsprivileg gegenüber einer Erbschaft“, „sich fernhalten von einer Erbschaft“; auch ius abstinendi[1]) bedeutete im Rahmen des prätorischen Erbeinweisungsrechts die Möglichkeit der Abstandnahme eines Hauskindes (suus) vom Erwerb einer Erbschaft. Als Handlungsweisen kamen die Ausschlagung im Vorfeld oder die spätere Preisgabe eines ipso iure zugegangenen Nachlasses in Betracht.[2] Der Erbe konnte sich so der Haftung für Schulden des Erblassers entziehen. Wenngleich sui heredes sich der ökonomischen Rechtsfolgen entledigen konnten, verblieben sie in ihrer zivilen Erbenstellung an sich.[3]
Soweit der Prätor dem Erben als beneficium, also als „Rechtswohltat“,[4] eine Erbausschlagung einräumte, bedeutete dies eine ausdrückliche Ausnahme von den hergebrachten zivilrechtlichen Grundsätzen der erbschaftsrechtlichen Annahmepflicht. Im römischen Recht galt lange, dass Hauskinder und Sklaven sogar Zwangserben (heredes necessarii) des Nachlasses ihres Gewalthabers waren. Hauskinder wurden von den Nachteilen, die ein verschuldeter Nachlass mit sich bringen konnte, befreit, Sklaven hingegen nicht.[5]
Literatur
- Carlo Beduschi: Hereditatis aditio. Band I, Die Annahme des Erbes im Denken der klassischen römischen Rechtsprechung. Giuffrè Mailand, 1976.
- Rudolf Leonhard: Abstinendi beneficium. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,1, Stuttgart 1893, Sp. 124.
- Artur Völkl: Giovanna Coppola, Studi sulla pro herede gestio, I: La struttura originaria del „gerere pro herede“. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung), Band 106, Heft 1, 1989. S. 665–672.
Anmerkungen
- ↑ Ulrike Babusiaux: Römische Rechtsschichten. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, S. 114–192, hier S. 160 (Rn. 157).
- ↑ Ulpian, Digesten 38,17,2,10.
- ↑ Benedikt Strobel: Anfall, Antritt und Ausschlagung der Erbschaft. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, § 56, S. 1418–1436, hier S. 1422 (Rn. 15).
- ↑ Rudolf Leonhard: Beneficium. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 272 f.
- ↑ Gaius, Institutionen 2, 153; 156–160; 163. 3, 67.; Albert Koeppen: Lehrbuch des heutigen römischen Erbrechts. Würzburg 1886 bis 1895. § 31 S. 195 ff.