Angabe (Grammatik)
Als Angabe wird in der deutschen Tradition der Grammatikschreibung ein Satzglied bezeichnet, das immer weglassbar ist. Das Gegenteil ist die Ergänzung, die dementsprechend nicht grundsätzlich immer weglassbar ist (sondern obligatorisch oder in gewissen Fällen weglassbar sein kann).[1] Der Begriff der Angabe kann, wie der der Ergänzung, auch weiter gefasst sein und neben Satzgliedern auf alle Arten von Zusätzen angewandt werden, so dass dann auch Attribute Angaben sein können.[2]
Die Weglassbarkeit von Angaben wird mit weiteren grammatischen Eigenschaften und Bedeutungseigenschaften in Verbindung gebracht, nämlich dass Angaben nie vom Prädikat des Satzes (Kasus-)regiert werden und auch nicht zur Vervollständigung der Bedeutung gefordert werden.[3] Hieraus ergeben sich Abgrenzungsfragen zu anderen, oft ähnlich beschriebenen Konzepten der Grammatik wie Modifikator, Adverbial, Adjunkt.
Abgrenzung zum Begriff der Modifikation
Semantisch entspricht dem Begriff der Angabe meistens die Funktion der Modifikation, wogegen es sich bei Ergänzungen um Argumente handelt. Aus diesem Grund sind Angaben von weglassbaren Ergänzungen zu unterscheiden.
- „Er kaute das Brot sorgfältig.“ (Angabe, Modifikation der Art und Weise)
- „Er kaute (das Brot) immer noch.“ (weglassbare Ergänzung)
Sonderfälle sind jedoch manche Objekte wie der freie Dativ, sowie auch die Agensangabe im Passiv:
- „Kannst du mir den Müll runtertragen?“ (freier Dativ)
- „Der Müll wurde von der Putzfrau runtergetragen.“ (Agensangabe)
Da diese Typen von Satzteilen immer weglassbar sind, werden sie in der deutschen Grammatiktradition ebenfalls als Angaben eingestuft.[4] Sie sind aber Argumenten zumindest ähnlich, da sie als „Aktanten“ („Mitspieler der Situation“, Träger einer semantischen Rolle) zählen.[5] Hieran zeigt sich, dass für den Begriff der Angabe Weglassbarkeit die entscheidende Eigenschaft ist, nicht so sehr die Funktion einer „näheren Bestimmung“.
Abgrenzung zum Begriff des Adverbials
Adverbiale werden ebenso wie Angaben als Satzteile beschrieben, die nie vom Prädikat regiert sind, denen also anders als bei Objekten kein Kasus vom Prädikat zugewiesen wird[6] – selbst wenn sie aufgrund anderer Mechanismen Kasus tragen können (Adverbialkasus).
Anders als der Begriff der Angabe bezieht sich der Begriff des Adverbials aber auf bestimmte Bedeutungsfunktionen bzw. eine bestimmte grammatische Funktion von Ausdrücken (Umstandsbestimmung der Art und Weise, des Ortes usw.; Kontrast zu den grammatischen Funktionen Objekt, Subjekt, Prädikativum). Die beiden Begriffe sind unabhängig voneinander: Adverbiale haben zwar häufig den Status von Angaben, jedoch gibt es auch obligatorische Adverbiale, die dann zu den Ergänzungen zählen[7] (vgl. Adverbiale Bestimmung #Abgrenzungen; ebenso gibt es beim Prädikativum beide Möglichkeiten). Beispielsweise können Lokaladverbiale (Ortsbestimmungen) Angaben oder Ergänzungen sein:[8]
- „Er ist in Hildesheim zur Schule gegangen.“ (Angabe)
- „Er wohnt in Altötting.“ (Ergänzung)
Hieraus ergibt sich, dass Angaben zwar hinsichtlich der ausgedrückten Bedeutungstypen unterschieden werden können, aber nicht allein durch Bedeutungstypen definiert werden können (obwohl es bestimmte Bedeutungstypen geben könnte, die nur als Angaben vorkommen).
Abgrenzung zum Begriff des Adjunkts
Der Begriff des Adjunktes wird häufig mit Angabe gleichgesetzt,[9] die Definitionen unterscheiden sich aber. Während die Angabe über Weglassbarkeit definiert werden kann, bezieht sich der Begriff Adjunkt eher auf eine bestimmte Art von Hinzufügung – und im engeren Sinn auf eine Verknüpfungsregel (die Adjunktion), die in der Syntaxtheorie für Strukturbeschreibungen definiert wird (vgl. X-Bar-Theorie). Daher sind obligatorische Adjunkte ebenfalls denkbar,[10] hingegen wäre eine „obligatorische Angabe“ begrifflich ausgeschlossen.
Siehe auch
Literatur
- Duden – Die Grammatik. 8. Auflage. Dudenverlag, Mannheim 2009, ISBN 978-3-411-04048-3.
- Karin Pittner & Judith Berman: Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch. 4. Auflage. Narr, Tübingen 2010, ISBN 978-3-8233-6610-2.
Einzelnachweise
- ↑ Dudengrammatik (2009), S. 778.
- ↑ So die Definition in der Dudengrammatik (2009), S. 776.
- ↑ Albert Busch, Oliver Stenschke: Germanistische Linguistik. Eine Einführung. 3. Auflage. Gunter Narr Verlag, Tübingen 2014, ISBN 978-3-8233-6855-7. S. 145, Definition der Angabe.
- ↑ Dudengrammatik (2009), S. 780.
- ↑ Duden. Die Grammatik. 8. Auflage. Dudenverlag, Mannheim 2009, ISBN 978-3-411-04048-3. Für die Agensangabe: im Passiv Rand-Nr. 796, S. 544, bzw. im Adjektivpassiv: Rand-Nr. 811, S. 552. Für den freien Dativ: Rand-Nr. 808, S. 550.
- ↑ Karin Pittner: Adverbiale Bestimmung. In: Stefan Schierholz, Pál Uzonyi (Hrsg.): Grammatik: Syntax. (= Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (WSK), 1.2). Walter de Gruyter, Berlin 2022, e-ISBN 978-3-11-069852-7), S. 68–71. Siehe S. 70 (rechte Spalte).
- ↑ Pittner & Berman, S. 47
- ↑ Beispiele aus Albert Busch, Oliver Stenschke: Germanistische Linguistik. Eine Einführung. 3. Auflage. Gunter Narr Verlag, Tübingen 2014, ISBN 978-3-8233-6855-7. Erstes Beispiel: S. 152, Tabelle 9.2, „Situativergänzung“; zweites Beispiel: S. 159, Tabelle 9.3 „Situative Angabe / Lokalangabe“. Die Art der Präsentation in dieser Quelle legt nahe, dass die semantischen Klassen hier dennoch zur Definition von Angaben gedacht sind.
- ↑ Pittner & Berman, S. 45.
- ↑ Jane Grimshaw, Sten Vikner: Obligatory adjuncts and the structure of events In: Eric Reuland, Werner Abraham (Hrsg.): Knowledge and language, vol.2, Lexical and conceptual structure. Kluwer, Dordrecht 1993. S. 143–155.