Anadol A1

Anadol
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Anadol A1 Mk. I
A1
Produktionszeitraum 1966–1975
Klasse Mittelklasse
Karosserieversionen Limousine
Motoren Ottomotor:
1,2–1,3 Liter
Länge 4381 mm
Breite 1645 mm
Höhe 1422 mm
Radstand 2565 mm
Leergewicht 920–945 kg

Nachfolgemodell Anadol A2

Der Anadol A1 (Projektbezeichnung in der Entwicklungsphase: Reliant FW 5) ist ein zweitüriger Personenkraftwagen des türkischen Automobilherstellers Otosan, der von 1966 bis 1975 produziert und unter der Marke Anadol verkauft wurde. Er gilt als das erste in Serie gebaute Auto einer türkischen Automarke. Der Wagen wurde von Reliant in Großbritannien entwickelt und verwendet zahlreiche technische Komponenten britischer Großserienhersteller. In zehn Jahren entstanden, auf zwei Baureihen verteilt, insgesamt etwa 20.000 Autos. 1967 plante ein neuseeländisches Unternehmen eine Lizenzproduktion unter der Bezeichnung Anziel Nova; mehr als ein Prototyp dieses Ablegers entstand allerdings nicht.

Entstehungsgeschichte

Die Initiative zur Entwicklung des Anadol A1 geht auf den türkischen Geschäftsmann Vehbi Koç zurück. Koç hatte 1959 das Unternehmen Otosan gegründet, das in Kadıköy verschiedene Nutzfahrzeuge und PKW von Ford of Britain und Ford Deutschland für den türkischen Markt in Lizenz produzierte. Zu Beginn der 1960er-Jahre entstand die Idee, das Ford-Programm um ein eigenes, speziell für die Türkei konstruiertes Fahrzeug zu ergänzen. Inspiriert durch den von Autocars in Israel gebauten Sabra Sussita, der mit britischer Unterstützung entwickelt worden war, beauftragte Koç Ende 1963 den auf effiziente Kleinwagen und Kunststoffkarosserien spezialisierten Hersteller Reliant aus Tamworth, ein leicht zu bauendes, auf die lokalen Verhältnisse angepasstes Mittelklassefahrzeug zu entwickeln. Die Konstruktionsphase dauerte von Mai 1964 bis Dezember 1965; das Projekt wurde in dieser Zeit unter der Bezeichnung Reliant FW5 geführt.[Anm. 1] Im Laufe des Jahres 1966 bereitete Otosan die Serienproduktion vor. Im Dezember 1966 verließ der erste Anadol A1 die Werkshallen in Kadıköy.[1] Der A1 entstand in zwei Serien (inoffiziell Mark I und Mark II), die sich stilistisch leicht voneinander unterschieden. 1971 stellte Anadol dem zweitürigen A1 den viertürigen Anadol A2 zur Seite, der als A2 SL bis 1981 in Produktion blieb.[2] Ein fünftüriger Kombi erschien schließlich als Anadol SV-1600.[3]

Bis zur Mitte der 1970er-Jahre blieb Anadol auf dem türkischen Markt erfolgreich; danach hatte die Marke zunehmend Schwierigkeiten, sich gegen die moderner konstruierten Fiat-Lizenzbauten des Konkurrenten Tofaş, an dem Vehbi Koç ebenfalls beteiligt war, zu behaupten.[4]

Modellbeschreibung

Der Anadol A1 ist auf wirtschaftliche Effizienz ausgelegt: Das Auto sollte auch bei geringen Stückzahlen kostentragend herzustellen sein. Aus dieser Vorgabe erklären sich seine sehr einfachen Konstruktionsmerkmale und die umfangreiche Verwendung zugekaufter Großserienkomponenten im Technikbereich.

Rahmen und Fahrwerk

Der Anadol A1 hat einen H-förmigen Kastenrahmen aus Stahl. Die Elemente der vorderen Einzelradaufhängung wurden vom Triumph 1300 übernommen, die hintere Starrachse und die Blattfedern kamen vom Ford Cortina Mk. I.[1]

Karosserie

Anadol A1 Mk. II

Die Karosserie des Anadol A1 besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK), einem Werkstoff, den Reliant regelmäßig für die eigenen Modelle, aber auch für die Fahrzeuge verwendete, die im Auftrag anderer Hersteller entwickelt wurden. Reliant sah den Vorteil von GFK-Karosserien im einfachen Herstellungsprozess. So waren anders als bei Stahlkarosserien keine teuren Presswerkzeuge nötig. Außerdem haben GFK-Aufbauten einen Gewichtsvorteil gegenüber Stahlkarosserien.

Die Form der Karosserie wurde von dem britischen Studio Ogle Design entwickelt; verantwortlicher Designer war Tom Karen. Das Auto ist als zweitürige Limousine gestaltet. Diese Auslegung war durch den verwendeten Werkstoff bedingt: Mitte der 1960er-Jahre konnten viertürige Karosserievarianten aus GKF noch nicht hergestellt werden. Ein besonderes Merkmal ist die dünne, vergleichsweise stark geneigte C-Säule. Diese Form beeinflusste Dudley Hobbs in den 1970er-Jahren bei der Gestaltung des Oberklassefahrzeugs Bristol 603.[5]

Motorisierung und Kraftübertragung

Kent-Crossflow-Motor in einem Anadol A1

Serienmäßige Antriebsquellen des Anadol A1 sind verschiedene Varianten des Kent-Motors von Ford of Britain:

  • Von 1966 bis 1968 wurde der 1198 cm³ große Reihenvierzylindermotor mit einem Gegenstromzylinderkopf (sogenannte pre-crossflow-Serie) eingebaut, der 1959 im Ford Cortina auf den Markt gekommen war. Seine Leistung wurde mit 49 PS angegeben.
  • Ab August 1968 kam die crossflow-Variante mit einem Querstromzylinderkopf und einem auf 1298 cm³ vergrößerten Hubraum zum Einsatz, der 54 PS leistet. Diese Motorisierung blieb bis 1975 im Programm.

Der Anadol A1 hat Hinterradantrieb. Die Kraftübertragung übernahm serienmäßig ein handgeschaltetes Vierganggetriebe von Ford of Britain (Type 2).[1]

Die einzelnen Baureihen

Anadol produzierte zwei Baureihen des A1, die sich vor allem äußerlich voneinander unterscheiden.

Anadol A1 Mk. I (links) und Mk. II (rechts)
Anadol A1 Mk. I (links) und Mk. II (rechts)
Anadol A1 Mk. I (links) und Mk. II (rechts)
  • Die erste Version des A1, die rückblickend als Mk. I bezeichnet wird, wurde von Dezember 1966 bis August 1972 gebaut. Bis zum Sommer 1968 lieferte Anadol die Autos mit der 1,2 Liter großen pre-crossflow-Variante des Kent-Motors aus, danach war ausschließlich die crossflow-Version mit 1,3 Liter Hubraum erhältlich. Der A1 Mk. I ist an den vorderen Rundscheinwerfern von Lucas und einer aus Metall hergestellten Vergitterung der Kühleröffnung erkennbar. Hinten hat das Auto eine runde Blinkleuchte und eine runde Schlussleuchte.[6]
  • Die als A1 Mk. II bezeichnete zweite Version kam im April 1972 auf den Markt und blieb bis zum Dezember 1975 im Programm. Sie wird ausnahmslos von dem crossflow-Kent-Motor angetrieben. Äußerlich hat der Mk. II eine neu gestaltete Frontmaske aus Kunststoff, die auf die insoweit unveränderte Grundkarosserie aufgesetzt ist. Kennzeichnend sind rechteckige Scheinwerfer mit seitlich angeordneten Blinkleuchten, die in Großbritannien auch der Vauxhall Victor hatte, und eine hervortretende Einfassung der Kühlluftöffnung. Hinten wurden die kleinteiligen Rückleuchten der ersten Serie durch Einheiten des Ford Transit ersetzt, die hier nicht senkrecht, sondern waagerecht angeordnet sind. Die meisten A1 Mk. II wurden mit einem Vinyldach ausgeliefert.[7]

Produktion

Alle Versionen zusammengenommen, baute Otosan fast 20.000 Exemplare des Anadol A1.

Produktionszahlen
Anadol A1[1]
1,2 Liter pre-crossflow 1,3 Liter crossflow Gesamt
Anadol A1 Mk. I 3772 11.459 15.231
Anadol A1 Mk. II 4493 4493
Gesamt 3772 15.952 19.724

Anziel Nova

1967 versuchte der neuseeländische Geschäftsmann Alan Gibbs, eine Lizenzproduktion des Anadol A1 bzw. Reliant FW 5 in Auckland aufzunehmen. Der Wagen sollte unter der Marke Anziel (Australia and New Zealand Industrial Engineering Ltd) verkauft werden und die Modellbezeichnung Nova erhalten. Das Projekt scheiterte an der seinerzeit strengen Regulierung des Automobilmarkts in Neuseeland und an fehlender Unterstützung durch die lokale Regierung.[8]

Literatur

  • Roger Gloor: Alle Autos der 60er Jahre, Motorbuch Verlag, 2006, ISBN 978-3-613-02649-0.
Commons: Anadol A1 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Werksintern differenzierte Reliant bei den Typbezeichnungen zwischen den Dreiradfahrzeugen (TW für three wheels), den vierrädrigen Autos (FW für four wheels) und den Sportwagen (SE). Der FW5 war nach den beiden Regent-Modellen, dem Carmel für das israelische Unternehmen Autosports Company und dem Rebel das fünfte von Reliant entwickelte Vierradfahrzeug. S. hierzu Aufstellung der Reliant-Werkscodes (abgerufen am 16. Februar 2025).

Einzelnachweise

  1. a b c d Entstehungsgeschichte der Marke Anadol auf anadolturkey.com (abgerufen am 15. Februar 2025).
  2. Beschreibung der A2-Reihe auf anadolturkey.com (abgerufen am 15. Februar 2025).
  3. Beschreibung des Anadol SV-1600 auf anadolturkey.com (abgerufen am 15. Februar 2025).
  4. Roger Gloor: Alle Autos der 80er Jahre, Stuttgart, Motorbuch Verlag 2012, ISBN 978-3-613-03144-9.
  5. Motor: Star Road Test vom 2. September 1978.
  6. Modellgeschichte de Anadol Mk. I auf anadolturkey.com (abgerufen am 16. Februar 2025).
  7. Modellgeschichte de Anadol Mk. II auf anadolturkey.com (abgerufen am 16. Februar 2025).
  8. John Stokes: Anziel Nova - a New Zealand Car. www.fordnewzealand.co.nz, 5. Juni 2023, abgerufen am 17. Februar 2025.