Amblygonit

Amblygonit
Amblygonit aus South Dakota, USA
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Aby[1]

Chemische Formel
  • LiAl(PO4)F[2]
  • LiAl(PO4)(F,OH)[3]
  • (Li,Na)Al[(F,OH)|PO4][4][5]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Phosphate, Arsenate und Vanadate
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VII/B.02
VII/B.02-030[4]

8.BB.05
41.05.08.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem triklin
Kristallklasse; Symbol triklin-pinakoidal; 1[6]
Raumgruppe P1 (Nr. 2)Vorlage:Raumgruppe/2[5]
Gitterparameter a = 5,15 Å; b = 7,21 Å; c = 6,06 Å
α = 114,0°; β = 98,6°; γ = 67,2°[5]
Formeleinheiten Z = 2[5]
Zwillingsbildung lamellar nach (100) und (101)
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5,5 bis 6[3]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,04 bis 3,11; berechnet: 3,13[3]
Spaltbarkeit vollkommen nach {100}, gut nach {110}, deutlich nach {011}, unvollkommen nach {001}[3]
Bruch; Tenazität schwach muschelig bis uneben; spröde[3]
Farbe milchweiß, blassgelb, lachsrosa, beige, grau, blassgrün, blassblau[3]
Strichfarbe weiß[4]
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend[3]
Glanz Glasglanz, Fettglanz, Perlglanz auf guten Spaltflächen[3]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,577 bis 1,591[7]
nβ = 1,592 bis 1,605[7]
nγ = 1,596 bis 1,613[7]
Doppelbrechung δ = 0,019 bis 0,022[7]
Optischer Charakter zweiachsig negativ[7]
Achsenwinkel 2V = 107 bis 129,5°[7]

Amblygonit ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung LiAl(PO4)F[2] und damit chemisch gesehen ein Lithium-Aluminium-Phosphat mit zusätzlichen Fluorionen. Da bei natürlichen Amblygoniten allerdings oft ein geringer Anteil von Lithium durch Natrium und Fluor durch Hydroxidionen vertreten (Substitution, Diadochie) ist, wird in verschiedenen Quellen auch die Mischformel (hier als Kristallchemische Strukturformel) in der Form (Li,Na)Al[(F,OH)|PO4][4][5] angegeben.

Es kristallisiert im triklinen Kristallsystem und entwickelt meist zentimetergroße, isometrische bis kurzprismatische Kristalle mit einem glas- bis fettähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Es wurden aber auch einzelne Kristalle bis 1,5 m Länge und größer entdeckt. Daneben findet sich Amblygonit auch in Form von körnigen bis massigen Aggregaten.

In reiner Form ist Amblygonit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterfehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine graue bis beige, blassgelbe, lachsrosa, blassgrüne oder blassblaue Farbe annehmen. Seine Strichfarbe ist allerdings immer weiß.

Etymologie und Geschichte

Der Name Amblygonit ist eine Zusammensetzung von altgriechisch άμβλύς amblýs, deutsch ‚stumpf‘, und γωνία gōnía, deutsch ‚Winkel‘, und bezieht sich auf die Tatsache, dass Amblygonit in unterschiedlichen Richtungen mit jeweils unterschiedlichen Winkeln, aber verschieden von 90°, spaltet.[7]

Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde Amblygonit 1818 von August Breithaupt, der mit dem Mineralnamen auch daran erinnern wollte, dass Amblygonit zuvor mit Skapolith verwechselt wurde, der jedoch in einem Winkel von 90° spaltet.[8]

Da der Amblygonit bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet den Amblygonit als sogenanntes „grandfathered“ (G) Mineral.[2] Die seit 2021 ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Amblygonit lautet „Aby“.[1]

Klassifikation

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Amblygonit zur Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort zur Abteilung „Wasserfreie Phosphate, Arsenate und Vanadate mit fremden Anionen“, wo er gemeinsam mit Montebrasit, Natramblygonit und Tavorit in der „Amblygonit-Reihe“ mit der Systemnummer VII/B.02 steht.

In der zuletzt 2018 überarbeiteten Lapis-Systematik nach Stefan Weiß, die formal auf der alten Systematik von Karl Hugo Strunz in der 8. Auflage basiert, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer VII/B.02-030. Dies entspricht ebenfalls der Abteilung „Wasserfreie Phosphate, mit fremden Anionen F,Cl,O,OH“, wo Amblygonit zusammen mit Griphit, Montebrasit, Tancoit und Tavorit die „Amblygonitgruppe“ mit der Systemnummer VII/B.02 bildet.[4]

Auch die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[9] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Amblygonit in die Abteilung „Phosphate usw. mit zusätzlichen Anionen; ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und dem Stoffmengenverhältnis der zusätzlichen Anionen zum Phosphat-, Arsenat- beziehungsweise Vanadatkomplex (RO4). Das Mineral ist hier entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit ausschließlich mittelgroßen Kationen; (OH usw.) : RO4 ≤ 1 : 1“ zu finden, wo es zusammen mit Montebrasit und Tavorit die „Amblygonitgruppe“ mit der Systemnummer 8.BB.05 bildet.

In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana hat Amblygonit die System- und Mineralnummer 41.05.08.01. Das entspricht ebenfalls der Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort der Abteilung „Wasserfreie Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen“. Hier findet er sich innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen mit (AB)2(XO4)Zq“ in der „Amblygonitgruppe“, in der auch Montebrasit und Natromontebrasit eingeordnet sind.

Kristallstruktur

Amblygonit kristallisiert in der triklinen Raumgruppe P1 (Raumgruppen-Nr. 2)Vorlage:Raumgruppe/2 mit den Gitterparametern a = 5,15 Å, b = 7,21 Å; c = 5,06 Å; α = 114,0°, β = 98,6° und γ = 67,2° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[5]

Isotyp, d. h. im gleichen Strukturtyp wie Amblygonit kristallisierend sind unter anderem Montebrasit (LiAl(PO4)(OH)) und Tavorit (LiFe3+(PO4)(OH)).

Eigenschaften

Amblygonit ist in seinen optischen Eigenschaften dem Quarz und Albit sehr ähnlich und wird daher öfter mit ihnen verwechselt. Durch einen Flammentest für Lithium (hält man eine Probe in eine Gasflamme färbt sich diese hell- bis karminrot), seine Dichte und seine ungewöhnliche Spaltbarkeit kann man es von den anderen unterscheiden. Außerdem ist Amblygonit leicht schmelzbar und bläht sich beim Erhitzen auf.[10]

Bildung und Fundorte

Amblygonit im estnischen Nationalmuseum für Naturgeschichte

Amblygonit bildet sich vorwiegend in magmatischen Gesteinen und ist daher vor allem in Lithium-Pegmatiten zusammen mit Spodumen, Lepidolith bzw. Zinnwaldit oder in Phosphat-Pegmatiten zusammen mit Apatiten, Triphylin bzw. Monazit zu finden. Häufig sind hier auch Vergesellschaftungen mit Erzmineralen wie Kassiterit und Tantalit-(Mn). Eher selten entsteht Amblygonit aus hydrothermalen Lösungen in Greisen oder Ganglagerstätten.

Als relativ seltene Mineralbildung kann Amblygonit an verschiedenen Orten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist jedoch wenig verbreitet. Weltweit sind bisher rund 330 Vorkommen dokumentiert (Stand 2025).[11]

Fundorte sind unter anderem Laghman in Afghanistan; Córdoba in Argentinien; New South Wales und Western Australia in Australien; Minas Gerais und São Paulo in Brasilien; Henan und Jiangxi in der Volksrepublik China; Chemnitz und Ehrenfriedersdorf in Deutschland; Viitaniemi in Finnland; Manitoba und Nova Scotia in Kanada; Sud-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo; Mogok in Myanmar; Utö in Schweden; Böhmen, Mähren und Vernéřov in Tschechien; sowie Black Hills (South Dakota) in den USA.[12]

Riesige Kristalle mit einer Größe von 7,62 m × 2,44 m × 1,83 m und bis zu 102 Tonnen Gewicht[13] sowie blockige Aggregate von bis zu 200 Tonnen Gewicht[14] wurden zudem in der Hugo Mine, Keystone (ebenfalls in South Dakota) entdeckt.

Verwendung

Als Rohstoff

Amblygonit ist ein wichtiges Erz zur Gewinnung von Lithium,[10] wird aber auch als Rohstoff in der Keramik-Industrie verwendet.[14]

Als Schmuckstein

Amblygonite in verschiedenen Schmucksteinschliffen

Amblygonit gehört zu den weniger bekannten Schmucksteinen. Klare Varietäten in Facettenform geschliffen können jedoch den wertvolleren „Edelsteinen“ Brasilianit, Citrin, Goldberyll, Hiddenit anderen zum Verwechseln ähnlich sehen. Weitere Verwechslungsmöglichkeiten bestehen mit Apatit und verschiedenen Skapolithen.[15]

Siehe auch

Literatur

  • C. A. S. Hoffmann: Handbuch der Mineralogie. fortgesetzt von J. F. A. Breithaupt. 4. Band, 2. Abteilung. Craz und Gerlach, Freiberg 1818, S. 159–161, Gattung B. Amblygonit (rruff.info [PDF; 234 kB; abgerufen am 19. März 2025]).
  • Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin [u. a.] 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 251 (Pegmatite als Rohstoffträger).
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 627–628 (Erstausgabe: 1891).
Commons: Amblygonit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Amblygonit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 18. März 2025]).
  2. a b c Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2025. (PDF; 3,8 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2025, abgerufen am 19. März 2025 (englisch).
  3. a b c d e f g h Amblygonite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 54 kB; abgerufen am 19. März 2025]).
  4. a b c d e Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 441 (englisch).
  6. David Barthelmy: Amblygonite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 18. März 2025 (englisch).
  7. a b c d e f g Amblygonite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 19. März 2025 (englisch).
  8. Hans Lüschen: Die Namen der Steine. Das Mineralreich im Spiegel der Sprache. 2. Auflage. Ott Verlag, Thun 1979, ISBN 3-7225-6265-1, S. 169.
  9. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  10. a b Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 630.
  11. Localities for Amblygonite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 19. März 2025 (englisch).
  12. Fundortliste für Amblygonit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 19. März 2025.
  13. Peter C. Rickwood: The largest crystals. In: American Mineralogist. Band 66, 1981, S. 885–908 (englisch, minsocam.org [PDF; 2,5 MB; abgerufen am 19. März 2025]).
  14. a b Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 158–159.
  15. Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten. 1900 Einzelstücke. 16., überarbeitete Auflage. BLV Verlag, München 2014, ISBN 978-3-8354-1171-5, S. 208.