Altes Gaswerk (Mainz)
_6.jpg)
Das Alte Gaswerk von Mainz (auch Altes Rohrlager) ist ein ehemaliges Gaswerk in der Weisenauer Straße 15. Es wurde 1987 als bauliche Gesamtanlage unter Denkmalschutz gestellt.[1] Als Besonderheit gilt, dass die Gebäude an der Süd-Ost-Seite als Teil der Verteidigungsanlagen von Mainz befestigt werden mussten.
Lage

Das Grundstück Nr. 15 liegt nahe des Winterhafens an der Weisenauer Straße, zwischen den Bahngleisen von Mainz in Richtung Worms und den Gleisen, die über die Eisenbahnbrücke nach Frankfurt führen. Das Grundstück erstreckt sich länglich in Ost-West-Richtung und schneidet mit dem ehemaligen Werkhof und den südlichen Gebäuden in den Hang des Stadtparks ein.
Geschichte
In Mainz wurde 1844 die Einführung der Gasbeleuchtung beschlossen. Das dazu notwendige Leuchtgas wurde anfangs von den beiden Mainzer Gas-Portativ-Anstalten in der Mitternachtsgasse und der Goldenbrunnengasse in ledernen Transportbehältern auf Pferdefuhrwerken zu den Kunden gebracht. Bei den Abnehmern, wie dem preußischen Kasino im Schönborner Hof oder der neuen Synagoge, wurde das Gas in Gasbehälter gedrückt, aus denen Leitungen zu den Verbrauchsstellen führten.[2]
1849 wurde die Gasversorgung für Mainz öffentlich ausgeschrieben. Die Badische Gesellschaft für Gasbeleuchtung, Spreng und Sonntag von Johann Nepomuk Spreng und Friedrich August Sonntag erhielt 1853 einen 30-Jahres-Vertrag über Gaslieferungen. Ab dem Jahr 1854 wurden gusseiserne Rohrleitungen in den Mainzer Straßen verlegt, um das Gas mit zunächst acht Millibar Überdruck zur Kundschaft zu bringen.[3]
Das Mainzer Gaswerk wurde in der Zeit von 1853 bis 1855 nach Plänen des Architekten Joseph Dörr aus rotem Sandstein errichtet:
„In Folge Beschlusses unseres Stadtrathes sollen die Bauten für das Gaswerk unverzüglich begonnen werden, damit die Gasbeleuchtung hier sicher bis zum nächsten October ins Leben treten könne.“
Auf dem militärfiskalischen Baugrundstück standen vorher Teile des Lustschlosses Favorite.[5]
Die Stadt Mainz war zur Bauzeit des Gaswerks Bundesfestung. Da das Gaswerk aus Sicherheitsgründen etwas außerhalb der Stadt im Bereich der militärischen Sicherung vor dem Neutor errichtet wurde, war es in das dortige Verteidigungssystem einzubeziehen. Insbesondere die rheinseitigen Außenwände wurden verstärkt und mit Schießscharten und Zinnenkränzen versehen.[3] Im Südosten wurden zwei Geschütz- und Bunkertürme, jeweils einer auf rundem und einer auf quadratischem Grundriss, errichtet. Als Gegenleistung für die Nutzung des Grundstückes musste die „defensive Gasfabrik“ kostenfreie Gaslieferungen für verschiedene Militärgebäude bereitstellen.[6]
Das Mainzer Gaswerk wurde am 1. Februar 1855 in Betrieb genommen. Die Pächter Spreng und Sonntag trennten sich 1859. Nachfolgend wurde das Gaswerk von Friedrich August Sonntag weiter betrieben. Im April 1869 ging die Pacht an die Gebrüder Puricelli unter dem Namen Badische Gesellschaft für Gasbeleuchtung über. In den Jahren danach erneuerten sie die Technik des Werkes.[3]
Nach der Unterzeichnung des für Mainz wichtigen Stadterweiterungsvertrags am 21. September 1872 wurde die alte Stadtbefestigung Mainz teilweise niedergelegt und die Stadt in Richtung Gartenfeld erweitert. In der Stadterweiterung in Mainz-Neustadt wurden 1879 die ersten Gasleitungen gelegt. Gleichzeitig führte man ab 1882 Erneuerungen am bestehenden Leitungsnetz durch.[3]
Am 1. Februar 1885 lief der Pachtvertrag ab und die Gasversorgung ging in städtischen Besitz über. Zum ersten Direktor wurde der vormalige Betriebsleiter Johann Christoph Peter Hessemer[7] (Rufname Peter)[8] gewählt, der Ingenieur Karl Reutter[9] wurde zweiter Vorstand sowie technischer Verwalter. Der Gewinn aus dem Gasverkauf in den ersten Jahren nach der Übernahme betrug durchschnittlich 245.000 ℳ jährlich (1896 sogar 306.000 ℳ,[10] was heute etwa 2.700.000 EUR entspricht[11]).
Anfang Februar 1898 wurden der Direktor des Gaswerkes Peter Hessemer sowie die Mehrzahl der Büroangestellten sowie Kassenboten verhaftet, weil sie jahrelang Geldbeträge in der Größenordnung von mehreren Tausend Mark unterschlagen hätten. Oberbürgermeister Heinrich Gassner erklärte dazu in einer außerordentlichen Stadtverordnetensitzung: „Es sind scandalöse Vorkommnisse, die sich im Gaswerke abgespielt haben. Seit Jahren haben dort Beamte der Stadt Mainz in gröbster Weise das Vertrauen mißbraucht, das ihnen entgegengebracht worden ist, sie haben die Verwaltung discreditirt, nicht minder ihre im städtischen Dienste stehenden Collegen. Es hat Jenen gerade dasjenige gefehlt, was einem Beamten als das erste Gebot der Ehre erscheinen muß.“[12]
Gleichzeitig stieg der Gasbedarf in Mainz ständig. Deshalb wurde auf der Ingelheimer Aue ein neues Gaswerk errichtet und 1899 eingeweiht. 1912 wurde die Anlage auf der Ingelheimer Aue technisch komplett erneuert und 1913/14 das alte Gaswerk in der Weisenauer Straße stillgelegt.[3]
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entgingen die Gebäude in der Weisenauer Straße der im Friedensvertrag von Versailles festgeschriebenen Entfestigung wohl, da sie als militärisch nicht nutzbar galten. Das Gaswerk wechselte in den Besitz der Stadt Mainz und diente den Stadtwerken bis in die 2000er Jahre als Kabel- und Rohrlager.[3]
Die Gasproduktion war mit der Produktion von Schadstoffen verbunden. In einem Gaswerk befanden sich früher u. a. Teergruben. Die Bodenverunreinigungen im Mainzer Gaswerk bestanden aus Teerölen, Aromatischen Kohlenwasserstoffen, Phenolen und Cyaniden, die vor einer Umnutzung saniert werden mussten.[3]
Ab 2016/17 begann die Konversion. Es zogen ein Fanprojekt des 1. FSV Mainz 05, die Brauerei Kuehn, Kunz und Rosen sowie für wenige Jahre die Kulturinitiative Pengland in die Gebäude ein.[3][13][14][15] Bereits von 1976 bis 2021 nutzte der Reservistenverband Mainz den Rundturm als Vereinsheim.[16]
Beschreibung
Südöstliche Front
_1.jpg)
_9.jpg)
_8.jpg)
_4.jpg)
_5.jpg)
Hier liegt die ehemalige Verteidigungsfront des Geländes, das zum Rhein hin abfällt. Zwei Geschütz- und Bunkertürme aus rotem Sandstein wurden durch eine Mauer aus Quadern und Ziertürmen verbunden. Der Unterbau des hangseitigen, gedrungenen Rundturms wurde mit Schießscharten versehen. Darüber liegt ein auskragendes Bogengesims auf Konsolen. Die Zinnen im Zinnenkranz wurden zu Dreiergruppen geordnet. In der Mitte des Bauwerks liegt der oktogonale, mit Schießscharten versehene innere Turm. Dieser Turm ist oben wiederum mit Zinnen bekrönt. Ein quadratischer, zweigeschossiger Wehrbau liegt direkt an der Weisenauer Straße. Die Eckpfeiler sind abgefast. Die Bogenfenster mit gemauertem Sturz wechseln rhythmisch ab mit Schießscharten: Die Schießscharten wurden mit Abstand jeweils rechts und links des Fensters platziert. Über einem Bogenfries kragt eine Brüstungsmauer aus. Auf Fotos um 1900 ist oberhalb der Brüstungsmauer ein steiles Gründach zu erkennen. Damals waren zwei Fensterbrüstungen noch nicht zu Gunsten der heutigen Tore an der Weisenauer Straße herausgenommen worden.
Ostseite
Entlang der Weisenauer Straße gruppieren sich die ehemaligen Betriebsbauten. Sie wurden in rotem Sandstein konstruiert. Ihre Bauelemente treten aus der Straßenflucht heraus. Die zweigeschossigen, giebelständigen Seitenbauten und der dazwischen liegende Mittelbau sind durch eingeschossige, längsgerichtete Gebäude verbunden. Die Verbindungsbauten wurden zur Weisenauer Straße geschlossen und zum Hof in Form einer stichbogigen Arkade ausgebildet. Die Eckpfeiler der zweiachsigen, höheren seitlichen Bauten werden von oktogonalen Ziertürmen bekrönt. Am Ortgang des Giebels befindet sich ein Bogenfries. Die Erdgeschossfenster verfügen über Segmentbögen. Die Fensterlaibungen im Obergeschoss sind profiliert. Das mittlere Fenster wurde als Zwillingsfenster gestaltet.
Der Mittelbau ist stark verändert erhalten. Der ehemalige Giebel wurde gekürzt und abgeflacht, die früher geteilten Fenster vereinfacht.
Innenhof
Von den originalen Werk- und Lagerhallen ist noch ein am Hang stehendes Werkgebäude mit Nebentrakt erhalten. Er wurde in gelbem Ziegel ausgeführt und nimmt die Fassadengliederung der Gebäude an der Weisenauer Straße auf.
Siehe auch
Literatur
- Angela Schumacher, Ewald Wegner, Landesamt für Denkmalpflege RLP (Hrsg.): Stadt Mainz. Stadterweiterungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Reihe Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2.1, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms, 2. Auflage 1997, ISBN 3-88462-138-6, S. 202, 203.
- Gaserzeugung, in: Vorstand der Unternehmensgruppe Mainzer Stadtwerke AG (Hrsg.): Wir schreiben Geschichte. Die Chronik der Unternehmensgruppe Mainzer Stadtwerke AG. Mainz, 2017, S. 140–151. Digitalisat
- P. Stautz: Wanderungen durch die mittelrheinische Industrie. Ein Gang durch das Gaswerk Mainz. Hrsg.: Zentralstelle zur Förderung der Volksbildung und Jugendpflege in Hessen-Darmstadt. Georg August Werters Druckerei G. m. b. H., Mainz 1927.[17]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ RVO zur Unterschutzstellung der Denkmalzone Altes Gaswerk Z86 1.0 gem DSchPflG. Abgerufen am 16. August 2025.
- ↑ Michel Bermeitinger: Weisenauer Straße. Eine Gasanstalt als Festung. In: Mainzer Stadtspaziergänge, Stadtpark - Weisenau - Oberstadt. Band 8. Leinpfad Verlag, 2023, ISBN 978-3-96031-013-6, S. 26–31.
- ↑ a b c d e f g h Gaserzeugung. In: Vorstand der Unternehmensgruppe Mainzer Stadtwerke AG (Hrsg.): Wir schreiben Geschichte. Die Chronik der Unternehmensgruppe Mainzer Stadtwerke AG. Mainz 2017, S. 140–151.
- ↑ Korrespondenz. Mainz, 9. December. In: Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth und Publicität, 13. Dezember 1853, S. 4 (online bei ANNO).
- ↑ Angela Schumacher, Ewald Wegner: Stadt Mainz. Stadterweiterungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege RLP. 2. Auflage. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2.1. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1997, ISBN 3-88462-138-6, S. 202, 203.
- ↑ Ehemaliges Gaswerk. In: KulturRegion Frankfurt RheinMain (Hrsg.): Route der Industriekultur Rhein-Main. Beschilderung vor Ort, 2005.
- ↑ Adressbuch der Provinzial-Hauptstadt Mainz mit Zahlbach, der Stadt Kastel und der Gemeinde Mombach. J. Diemer, Mainz 1884, S. 51 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 15. September 2025]).
- ↑ Wochenschrift für Brauerei. III. Jahrgang. Paul Parey, Berlin 1886, S. 389 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 15. September 2025]).
- ↑ Adressbuch der Provinzial-Hauptstadt Mainz mit Zahlbach, der Stadt Kastel und der Gemeinde Mombach. J. Diemer, Mainz 1884, S. 235 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 15. September 2025]).
- ↑ Allerlei. In: Vorarlberger Volksblatt, 29. Juli 1897, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Diese Zahl wurde mit der Vorlage:Inflation ermittelt, ist auf volle 100.000 EUR gerundet und bezieht sich auf Januar 2025.
- ↑ Unterschlagungen im städtischen Gaswerk. In: Neue Freie Presse, 6. Februar 1898, S. 10 (online bei ANNO).
- ↑ sensor: Zieht Craft-Bier-Unternehmen „Kuehn Kunz Rosen“ ins Alte Rohrlager? In: sensor Magazin - Mainz. 16. August 2016, abgerufen am 21. August 2025.
- ↑ Altes Rohrlager. 1. November 2021, abgerufen am 21. August 2025.
- ↑ Tom Albiez: Mehr Kultur am Alten Rohrlager? In: stuz.de. 13. Juli 2021, abgerufen am 21. August 2025.
- ↑ Neue Heimat für die RK Mainz. In: Reservistenverband. Abgerufen am 21. August 2025.
- ↑ Neue Bücher. In: Illustrierte Technik für jedermann, Heft 37/1927, S. 590 (online bei ANNO). (Mit Kurzbesprechung.)
Koordinaten: 49° 59′ 29,4″ N, 8° 17′ 9,4″ O