Altenbekener Sparherd

Der Altenbekener Sparherd war eine innovative Kochmaschine aus dem späten 19. Jahrhundert, die in der Eisenhütte Altenbeken (heute Nordrhein-Westfalen) produziert wurde. Das patentierte Modell galt als besonders kohlen- und energieeffizient und erlangte internationale Anerkennung, unter anderem durch eine Auszeichnung auf der Internationalen Ausstellung für das Rote Kreuz, Armeebedarf, Hygiene, Volksernährung und Kochkunst im Jahr 1892 in Leipzig.[1]
Eisenverarbeitungsgeschichte in Altenbeken
Die Geschichte der Eisenverarbeitung in Altenbeken reicht nachweislich bis ins Jahr 1377 zurück.[2][3] Über einen Zeitraum von mindestens 549 Jahren prägte der Eisenerzabbau die wirtschaftliche und soziale Struktur der Region nachhaltig.[4]

Altenbeken war weit über seine Grenzen hinaus als Standort für Hüttenwerke, Hämmer und Schmieden bekannt. Zeugenaussagen aus einem Bergwerksprozess von 1774 beschreiben die Ortschaft als nahezu vollständig industriell geprägt:
„In der ganzen Ortschaft gab es, so wollte es der Volksmund, vordem nur fünf Hausstätten, alle übrigen Gebäude waren ausschließlich Hütten und Hämmer, die so nahe beieinanderlagen, dass eine Hütte kaum einen Steinwurf weit von der anderen entfernt war.“[5]
Neben der weithin bekannten Eisenbahngeschichte blickt Altenbeken somit auf eine noch ältere und langanhaltende Tradition der Eisenverarbeitung zurück, die das Ortsbild und die Lebenswelt der Menschen über Jahrhunderte maßgeblich mitgestaltete.

Erfindung und Innovation
In den 1890er Jahren entwickelte der Eisenhüttenbesitzer Franz Hillebrandt in der Altenbekener Hütte einen sogenannten „Patent-Sparherd“, der sich durch 30 bis 50 % Kohlenersparnis gegenüber herkömmlichen Modellen auszeichnete.[6] Grundlage der Innovation war ein speziell entwickelter Regulator in Kombination mit einem Wärmesammler, der die Energieausbeute deutlich steigerte.[7] Der Herd war somit nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger im Verbrauch – ein zukunftsweisender Ansatz für die damalige Zeit.[8]
Internationale Anerkennung
Der Altenbekener Sparherd wurde 1892 auf der „Internationalen Ausstellung für das Rote Kreuz, Armeebedarf, Hygiene, Volksernährung und Kochkunst“ in Leipzig präsentiert.[9] Dort wurde er mit einem Ehrendiplom und einer goldenen Medaille ausgezeichnet – eine seltene und bedeutende Würdigung, die das Produkt weit über die Region hinaus bekannt machte.

Diese Ehrung führte zu einer spürbaren Steigerung der Nachfrage, wie sich an der wachsenden Zahl an Anzeigen und Vertriebspartnern[10] sowie an vermehrten Stellenangeboten für Sandformer[11][12] in zeitgenössischen Zeitungen ablesen lässt.[13] Die Altenbekener Eisenhütte konnte sich dadurch wirtschaftlich stabilisieren und ihr Produktangebot erweitern.


Wiederentdeckung und historische Bedeutung
Der Heimat- und Geschichtsverein Altenbeken widmete sich seit 2023 intensiv der Erforschung der lokalen Industriegeschichte jenseits der bekannten Eisenbahntradition. Dank der digitalen Erschließung regionaler Zeitungen über das Portal „zeit.punkt NRW“ gelang es, bislang unbeachtete Quellen zur Produktion und Verbreitung des Altenbekener Sparherds zu erschließen.
Diese Dokumente belegen nicht nur den wirtschaftlichen Erfolg des Produkts, sondern auch seine kulturelle Bedeutung als Symbol für Erfindergeist, Ressourceneffizienz und die industrielle Stärke Altenbekens am Ende des 19. Jahrhunderts.
Bedeutung für die Regionalgeschichte
Die Geschichte des Altenbekener Sparherds zeigt, dass die Identität Altenbekens lange vor der Blüte der Eisenbahnzeit durch den Erzabbau und die Eisenverarbeitung geprägt war. Die internationale Würdigung des Produkts ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass technologische Innovation auch in kleineren Industriezentren ihren Ursprung haben kann – und internationale Aufmerksamkeit erlangen kann.
Literatur
- Benedikt Heitmar: Alte LZ-Anzeige: Der „Altenbekener Sparheerd“ war auch in Lippe gefragt. In: Lippische Landes-Zeitung. 23. März 2025 (lz.de).
- Michael Bieling: Geheimnisvolle Spuren. Entdeckungen im Altenbekener Eggewald. Hrsg.: Heimat- und Geschichtsverein Altenbeken e.V. 2. Auflage. Altenbeken 2020, S. 132–163.
- Heinrich Neuheuser: Geschichte der Gemeinde Altenbeken. Paderborn 1961, S. 105–137.
- Anton Knape: Die wichtigsten industriellen Unternehmungen des Paderborner Landes in fürstbischöflicher Zeit. Ein Beitrag zur Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte des ehemaligen Hochstifts Paderborn im 17. und 18. Jahrhundert. In: Westfälische Zeitschrift – Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde. Band 70, 1912, S. 255–293 (lwl.org [PDF]).
- Franz Biermann: Geschichte des Bergbaues bei Altenbeken. Ein Beitrag zur Geschichte der wirtschaftlichen Verhältnisse im ehemaligen Hochstift Paderborn. In: Westfälische Zeitschrift – Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde. Band 58, 1900, S. 145–199 (lwl.org [PDF]).
Einzelnachweise
- ↑ Anzeige der Altenbekener Eisenhütte mit Patent-Sparheerde im Katalog der Internationalen Ausstellung für das Rote Kreuz, Armeebedarf, Hygiene, Volksernährung und Kochkunst im Februar 1892 zu Leipzig. In: Google Books. Abgerufen am 7. Juli 2025.
- ↑ Michael Bieling: Geheimnisvolle Spuren. Entdeckungen im Altenbekener Eggewald. Hrsg.: Heimat- und Geschichtsverein Altenbeken e.V. 2. Auflage. Altenbeken 2020, S. 150.
- ↑ Erste urkundliche Erwähnung der "smeden to beken" von 1377 (Landesarchiv NRW Abt. Westf.). In: Archive NRW. Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, abgerufen am 7. Juli 2025.
- ↑ Der betrachtete Zeitraum reicht von der ersten urkundlichen Erwähnung der ‚smeden to beken‘ im Jahr 1377 bis zum Konkurs der Eisenhütte im Jahr 1926.
- ↑ Anton, Knape: Die wichtigsten industriellen Unternehmungen des Paderborner Landes in fürstbischöflicher Zeit. Ein Beitrag zur Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte des ehemaligen Hochstifts Paderborn im 17. und 18. Jahrhundert. In: Westfälische Zeitschrift - Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde. Band 70, 1912, S. 260 (lwl.org [PDF]).
- ↑ Werbeanzeige der Altenbekener Patent=Sparherde im Westfälischen Volksblatt vom 20.03.1892. In: zeit.punkt NRW. Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Düsseldorf, Münster und Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), abgerufen am 7. Juli 2025.
- ↑ Hervorgehobene Vorzüge des Patent-Sparherdes in einer Werbeanzeige im Westfälischen Merkur vom 24.01.1892. Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Düsseldorf, Münster und Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), abgerufen am 7. Juli 2025.
- ↑ Auflistung der Vorzüge des Patent-Sparherdes im Paderborner Anzeiger vom 13.01.1892. In: zeit.punkt NRW. Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Düsseldorf, Münster und Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), abgerufen am 7. Juli 2025.
- ↑ Vorstellung des Altenbekener Patent-Sparherdes in der Gruppe XIV. Kochmaschinen, Gasöfen etc. im Katalog der Internationalen Ausstellung für das Rote Kreuz, Armeebedarf, Hygiene, Volksernährung und Kochkunst im Februar 1892 zu Leipzig. In: Google Books. Abgerufen am 7. Juli 2025.
- ↑ Eine ausführliche Liste an Verkaufsstellen des Altenbekener Patent-Sparherdes im Westfälischen Volksblatt vom 05.06.1892. In: zeit.punkt NRW. Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Düsseldorf, Münster und Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), abgerufen am 7. Juli 2025.
- ↑ Überregionale Suchanzeige für Sandformer für leichten Maschinenguß in der Essener Zeitung vom 26.11.1891. In: zeit.punkt NRW. Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Düsseldorf, Münster und Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), abgerufen am 7. Juli 2025.
- ↑ Suchanzeige für "Tüchtige Sandformer" im Westfälischen Volksblatt vom 01.09.1891. In: zeit.punkt NRW. Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Düsseldorf, Münster und Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), abgerufen am 7. Juli 2025.
- ↑ Suchanzeige nach "Tüchtige Schlosser" zum Zusammensetzen von Herden im Westfälischen Volksblatt vom 14.01.1892. In: zeit.punkt NRW. Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Düsseldorf, Münster und Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), abgerufen am 7. Juli 2025.