Alfred Stingl (Politiker)

Alfred Stingl (* 28. Mai 1939 in Graz; † 29. Mai 2025 ebenda) war ein österreichischer Politiker (SPÖ) und von 1985 bis 2003 Bürgermeister der Stadt Graz.

Leben

Stingl schloss 1957 die Lehrausbildung zum Schriftsetzer ab und arbeitete anschließend, bis zu seinem Wechsel in die Politik in 1962, bei der Druckerei Leykam.[1] 1968 wurde er zum ersten Mal in den Grazer Gemeinderat gewählt, 1973 in den Stadtsenat. Besondere Verdienste erwarb er sich als Jugendstadtrat. Gemeinsam mit Franz Hasiba teilte Stingl sich ab 1983 die Bürgermeisterschaft, Hasiba hatte diese in der ersten Hälfte der Funktionsperiode inne, währenddessen fungierte Stingl als Vizebürgermeister. Mit 10. Jänner 1985 übernahm er das Bürgermeisteramt.

Neben sozialen Schwerpunkten wie seinem Einsatz für die Einhaltung der Menschenrechte[2] und soziale Gerechtigkeit[3] war Stingl auch kulturell sehr engagiert. Auf seine Initiative hin wurde das historische Zentrum von Graz 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe[4][5] und Graz im Jahr 2003 zur Kulturhauptstadt ernannt.[6]

Zu den Höhepunkten seiner Amtszeit zählt besonders die Eröffnung der neuen Grazer Synagoge am 9. November 2000.[7] Davor hatte Stingl bereits am 6. Juli 1987 als erster Grazer Bürgermeister seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges der jüdischen Gemeinde der Stadt einen Besuch abgestattet, wurde dabei vom Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Graz Kurt David Brühl in den Amtsräumlichkeiten der Gemeinde empfangen und besichtigte auch das Bethaus. Am 21. Oktober 1998 beschlossen alle im Grazer Stadtparlament vertretenen politischen Fraktionen die Wiedererrichtung der Grazer Synagoge und die Bereitstellung entsprechender Finanzierungen.[8]

Gemeinsam mit ÖVP-Vizebürgermeister Erich Edegger (1950–1992) leitete er unter anderem eine moderne Verkehrspolitik ein. Er gehörte dem SPÖ-Bundesparteivorstand an, war Präsidiumsmitglied des Kulturfestivals „steirischer herbst“ und Aufsichtsratsvorsitzender der Grazer Messe.[9] Stingl war viele Jahre Mitglied in der Geschäftsleitung und im Hauptausschuss des Österreichischen Städtebundes und auch deren Vertreter bei der Europäischen Union, später war er Ehrenmitglied des Städtebundes.[10] Er war von Juni 1986 bis Juni 1993 Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz und Ehrensenator der Universität Graz und der Technischen Universität Graz.[11] Weiters war er Vorsitzender des damaligen ORF-Kuratoriums.[12]

Als Bürgermeister der ersten Menschenrechtsstadt Europas (seit 8. Februar 2001)[2] richtete Stingl zudem im Jahr 2002 das WeltbuddhistentreffenKalachakra“ mit dem 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso in Graz aus.[12] Unter ihm, der selbst keiner Religionsgemeinschaft angehörte,[13] sich Religionen aber verbunden fühlte, entwickelte sich Graz zu einer Drehscheibe des interreligiösen Dialogs.[3][14]

Seit Jahresbeginn 2004 war Stingl ehrenamtlich als Sozial-Ombudsmann für die Aktion Von Mensch zu Mensch der Gratis-Wochenzeitung Mein Bezirk tätig.[15][16]

Stingl setzte sich bis zuletzt für Menschenrechte und schlechter gestellte Personen ein. Durch sein Wirken – sei es in Zusammenarbeit mit den Vinziwerken,[17] der Caritas oder der Diakonie – schenkte er zahllosen Menschen Hoffnung und Unterstützung.[3] Auch seine Frau Eli pflegte er nach ihrem Schlaganfall jahrelang mit großem persönlichem Einsatz bis zu ihrem Tod im März 2018.[3][12]

Er starb am 29. Mai 2025 nach schwerer Krankheit kurz nach seinem 86. Geburtstag.[18][19] Er hinterlässt eine Tochter und einen Sohn.[14]

Alfred Stingl wurde am 17. Juni 2025 auf dem Grazer Zentralfriedhof beigesetzt.[20] Trauerreden hielten der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer, die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr, der ehemalige Präsident der Caritas Österreich Franz Küberl sowie der langjährige Pressereferent von Alfred Stingl, Peter Grabensberger.[21][22][23][24][25]

Auszeichnungen

Literatur

  • Gerhard Buchinger, Manfred Handler (Hrsg.): Alfred Stingl – Über Grenzen denken, für Menschen da sein. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2015, ISBN 978-3-99028-489-6.

Einzelnachweise

  1. Bürgermeister Alfred Stingl - Neue Galerie Graz (Memento vom 20. März 2023 im Internet Archive)
  2. a b 20 Jahre Menschenrechtsstadt: Zum Jubiläum eröffnet Graz das UNESCO-Trainingszentrum offiziell. In: kleinezeitung.at. 8. Februar 2021, abgerufen am 20. Juli 2022.
  3. a b c d Langzeitbürgermeister Alfred Stingl verstorben. In: katholische-kirche-steiermark.at. 30. Mai 2025, abgerufen am 31. Mai 2025.
  4. 20 Jahre: Welterbe für Generationen ist erwachsen. In: graz.at. 5. Dezember 2019, abgerufen am 20. Juli 2022.
  5. Österreichische UNESCO-Kommission: Stadt Graz - Historisches Zentrum und Schloss Eggenberg. Abgerufen am 20. Juli 2022.
  6. Alfred Stingl - der Grazer Altbürgermeister ist auch mit 80 noch immer aktiv. In: sn.at. 28. Mai 2019, abgerufen am 20. Juli 2022.
  7. Graz trauert um Altbürgermeister Alfred Stingl. In: graz.at. 30. Mai 2025, abgerufen am 31. Mai 2025.
  8. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Graz ab 1945. In: juedischegemeinde-graz.at. Abgerufen am 31. Mai 2025.
  9. Große Trauer um Alfred Stingl: „Sein Vermächtnis lebt in Graz weiter“. In: 5min.at. 30. Mai 2025, abgerufen am 31. Mai 2025.
  10. Geschäftsleitung - Österreichischer Städtebund. Abgerufen am 20. Juli 2022.
  11. Ehrensenatoren der TU Graz. In: history-tugraz.at. 2025, abgerufen am 31. Mai 2025.
  12. a b c d Alfred Stingl mit 86 Jahren gestorben. In: steiermark.orf.at. 30. Mai 2025, abgerufen am 30. Mai 2025.
  13. a b Kurt-Schubert-Gedächtnispreis für Stingl. In: steiermark.orf.at. 7. Februar 2012, abgerufen am 12. Januar 2023.
  14. a b Christian Weniger: Der gute Mann von Graz, ohne modische Eitelkeiten. In: kleinezeitung.at. 31. Mai 2025, abgerufen am 31. Mai 2025.
  15. Kristina Sint: Von Mensch zu Mensch: "Woche"-Aktion verzeichnet zahlreiche Hilferufe. In: meinbezirk.at. 26. November 2022, abgerufen am 12. Januar 2023.
  16. Roland Reischl: Trauer in Graz: Alt-Bürgermeister Alfred Stingl mit 86 Jahren verstorben. In: meinbezirk.at. 30. Mai 2025, abgerufen am 30. Mai 2025.
  17. Über die VinziWerke Österreich | Die Marke „Vinzi“ – unser Leitbild. In: vinzi.at. 2025, abgerufen am 31. Mai 2025.
  18. Gerald Winter-Pölsler: Grazer Langzeitbürgermeister Alfred Stingl ist mit 86 Jahren gestorben. In: kleinezeitung.at. 30. Mai 2025, abgerufen am 30. Mai 2025.
  19. Marcus Stoimaier: Das soziale Gewissen von Graz: Alfred Stingl tot. In: krone.at. 30. Mai 2025, abgerufen am 30. Mai 2025.
  20. Herr Alfred Stingl. In: grazerbestattung.at. 17. Juni 2025, abgerufen am 21. Juni 2025.
  21. Michael Saria: Begräbnis von Alfred Stingl: Ein letzter Gruß auch von seinem Freund Heinz Fischer. In: kleinezeitung.at. 16. Juni 2025, abgerufen am 21. Juni 2025.
  22. Letzte Ehre für Altbürgermeister Alfred Stingl. In: steiermark.orf.at. 17. Juni 2025, abgerufen am 21. Juni 2025.
  23. Abschied von Alfred Stingl: Graz verneigt sich. In: graz.at. 17. Juni 2025, abgerufen am 21. Juni 2025.
  24. Alfred Stingl: Ein Leben im Dienst der Stadt. In: wetter.at. 17. Juni 2025, abgerufen am 21. Juni 2025.
  25. Andrea Sittinger: Gastkommentar zum 80. Geburtstag von Alfred Stingl | „Ein einzigartiger Stil bei der Arbeit“. In: meinbezirk.at. 19. Mai 2019, abgerufen am 21. Juni 2025.
  26. Groß Gold mit Stern für Alfred Stingl: Höchste Auszeichnung des Landes Steiermark für Grazer Altbürgermeister. In: kommunikation.steiermark.at. 21. Mai 2004, abgerufen am 30. Mai 2025.
  27. Alfred Stingl Ehrenbürger der Stadt Graz. In: graz.at. 10. Mai 2005, abgerufen am 30. Mai 2025.
  28. BIG - Bürgerinformation Graz, Nr. 6, Graz Oktober 2008, S. 18
VorgängerAmtNachfolger
Franz HasibaBürgermeister von Graz
10. Jänner 1985 – 27. März 2003
Siegfried Nagl