Alfred Kallenberger
Alfred Kallenberger (* 2. Mai 1875 in Stuttgart; † 14. Dezember 1960) war ein deutscher Arzt.
Werdegang
Kallenberger studierte in Berlin und München mit anschließender Promotion im Jahr 1897 Ueber Orthoform. Ein neues Lokalanästhetikum.[1][2] 1897 meldete er sich als Militärarzt und nahm an Militärexpeditionen in China teil. 1906 ließ er sich als spezialisierter Augenarzt in München nieder.[3] In den 1930er-Jahren führte er seine Praxis dort am Isartorplatz 4.[4] Er war frühes Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB). Von 1933 bis 1938 war er Geschäftsführer der Bezirksstelle der Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands (KVD) München. Ab 1933 mussten alle Angehörigen der Ärztekammern einen Nachweis erbringen, dass sie „politisch und rassisch zuverlässig waren“. Personen, die dies nicht konnten, wurden entlassen und ihnen eine Neuzulassung verwehrt.[5] Kündigungsschreiben im Bezirk München trugen die Unterschrift von Kallenberger in der Funktion als Geschäftsführer der KVD München.[6] 1938 ging er in den Ruhestand und soll laut Vermerk in der Ärztekartei ab Februar 1939 „ohne ärztliche Tätigkeit“ gewesen sein.[7]
Am 28. September 1945 wurde Kallenberger „auf Betreiben von“ Heinrich Wirschinger[8] und nach einer Aufforderung der amerikanischen Militärregierung zur Weiterführung, bzw. Wiederherstellung der Bayerischen Landesärztekammer zu deren kommissarischen Präsidenten ernannt. Er rekrutierte Fachpersonal und in der Münchner Martiusstraße Arbeitsräume für die Wiedererrichtung einer Geschäftsstelle. Als amtliches Publikationsorgan rief er das Bayerische Ärzteblatt ins Leben, dessen erste Ausgabe am 15. Juli 1946 erschien.[9] Nachdem die Militärregierung bei einer Kontrolle im Gebäude der Bayerischen Ärztekammer zufällig eine Adresskartei mit 40.000 aus der Zeit des Nationalsozialismus belasteten Ärzten entdeckte, die Kallenberger verheimlicht hatte – teilweise waren Dokumente daraus gar entwendet, als Schmierzettel verwendet oder verbrannt worden – wurde er am 1. August 1946 seines Dienstes enthoben.[10][11] Die Umstände der Entlassung von Kallenberger fand große Resonanz in der damaligen Presse.[12] Seine frühen Mitgliedschaften bei NSDAP und NSDÄB und seine Tätigkeiten in der NS-Zeit hatte er verschwiegen mit der Begründung, er wäre 1938 in den Ruhestand gegangen und somit politisch unbelastet.[13][14] Kallenberger wurde verurteilt und erhielt eine 24-monatige Gefängnisstrafe, die jedoch altersbedingt auf Bewährung ausgesetzt wurde, da er zum Zeitpunkt der Verurteilung 72 Jahre alt war, zuzüglich 9000 RM Geldstrafe.[15][16]
1946 war er Mitglied im Beratenden Landesausschuss des Freistaats Bayern und nahm an dessen drei – meist mehrtägigen – Tagungsperioden in den Monaten Februar[17], April[18] und Juni[19] teil.
Literatur
- Sophie Friedel: Demokratie lernen. Der Öffentliche Gesundheitsdienst in Bayern nach dem Nationalsozialismus (2024), S. 396
- Annette Eberle: Die Ärzteschaft in Bayern und die Praxis der Medizin im Nationalsozialismus, Metropol Verlag, Berlin (2017), ISBN 978-3-86331-338-8, S. 104, 243, 253–256, 263–65, 299
- Andreas Toppe: Die Wiedererrichtung der ärztlichen Standesvertretung in Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg : eine historische Darstellung aus Anlaß des 50. Bayerischen Ärztetages in München, Bayer. Landesärztekammer, München (1997), S. 13ff
- Dr. Alfred Kallenberger zum 75. Geburtstag, in: Bayerisches Ärzteblatt 5 (1950), S. 128
- Was geht in der Ärztekammer vor?, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 59 vom 23. Juli 1946
- Staatsarchiv München: Pol Dir, 15564
Einzelnachweise
- ↑ Kallenberger, Alfred: Ueber Orthoform. In: München, Med. Diss. v. 1898. 1897, abgerufen am 25. August 2025 (englisch).
- ↑ Münchener medizinische Wochenschrift, S. 1289. L. Verlag von J.A. Finsterlin, 16. November 1897 (google.de [abgerufen am 25. August 2025]).
- ↑ Annette Eberle: Die Ärzteschaft in Bayern und die Praxis der Medizin im Nationalsozialismus, Metropol Verlag, Berlin (2017), S. 253
- ↑ Bayerische Ärztezeitung, S. 450. In: bayerisches-aerzteblatt.de. 3. Oktober 1930, abgerufen am 25. August 2025.
- ↑ Babett Kempe geb. Heyder: Die Reichsärzteordnung von 1935 und ihre Folgen für den ärztlichen Berufsstand in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur, Shaker Verlag, Düren (1996), S. 34, S. 38
- ↑ Eberle, S. 103–104
- ↑ Eberle S. 103–104 und 253
- ↑ Eberle S. 253
- ↑ 75 Jahre Bayerisches Ärzteblatt, In: Bayerisches Ärzteblatt 9/2021
- ↑ Eberle S. 254
- ↑ Die Münchner Ärzteschaft vor und nach 1945. Es kann wieder geschehen., Münchner Ärztliche Anzeigen
- ↑ Thomas Gerst: Ärztliche Standesorganisation und Standespolitik in Deutschland 1945-1955, S. 44. Franz Steiner Verlag, 2004, ISBN 978-3-515-08056-9 (google.de [abgerufen am 25. August 2025]).
- ↑ Eberle S. 264
- ↑ Was geht in der Ärztekammer vor?, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 59 vom 23. Juli 1946.
- ↑ Eberle S. 254 und S. 264
- ↑ Andreas Toppe: Die Wiedererrichtung der ärztlichen Standesvertretung in Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg: eine historische Darstellung aus Anlaß des 50. Bayerischen Ärztetages in München, Bayer. Landesärztekammer, München (1997) S. 33.
- ↑ Niederschrift der ersten Tagung des Bayerischen Beratenden Landesausschusses vom 21. bis 28. Februar 1946 in der Universität München; S. 5.
- ↑ Niederschrift der zweiten Tagung des Bayerischen Beratenden Landesausschusses am 9. April 1946 im Bayerischen Hof, München, Prannerstrasse; S. 5.
- ↑ Niederschrift der dritten Arbeitstagung des Bayerischen Beratenden Landesausschusses am 12. und 13. Juni 1946 in der Universität München, Hörsaal 224; S. 5.