Alexei Fjodorowitsch Lossew

Alexei Fjodorowitsch Lossew (russisch Алексей Фёдорович Лосев; * 11. Septemberjul. / 23. September 1893greg. in Nowotscherkassk; † 24. Mai 1988 in Moskau) war ein sowjetischer und russischer Philosoph, Klassischer Philologe, Kulturologe, Übersetzer und Schriftsteller, einer der bedeutendsten Vertreter des russischen philosophischen und religiösen Denkens des 20. Jahrhunderts.[1]

Leben

Lossew studierte 1911 bis 1915 Klassische Philologie und Philosophie an der Kaiserlichen Universität Moskau. Dort stellte Lossew seine Abschlussarbeit „Die Weltanschauung des Aischylos“ vor, das von dem berühmten russischen Symbolisten Wjatscheslaw Iwanow hoch geschätzt wurde. Nach seinem Abschluss erhielt er das Angebot, eine Professur anzustreben. Er wurde im Sommer 1914 zu einer wissenschaftlichen Reise nach Berlin geschickt. Dort arbeitete er in der Königlichen Bibliothek zu Berlin und hörte sich die Opern von Richard Wagner an. Der Aufenthalt wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrochen. Diese Reise war der einzige Auslandsaufenthalt im Leben des Philosophen[2][3][4].

In der Studienzeit und danach arbeitete Lossew bei der Moskauer Religionsphilosophischen Gesellschaft zum Gedenken an Wladimir Solowjow, wo er mit den wichtigsten Philosophen des Silbernen Zeitalters - Nikolai Berdjajew, Simon Frank, Iwan Iljin und Pawel Florenski - zusammentraf[3][4][5].

Lossew unterrichtete an Moskauer Gymnasien und Schulen und bereitete sich gleichzeitig auf die Magisterprüfung vor, die er 1917–21 erfolgreich ablegte. 1919 wurde Lossew Professor für Klassische Philologie an der Universität Nischni Nowgorod. Mitte der 1920er Jahre wurde Lossew zum Mitglied der Kant-Gesellschaft in Berlin gewählt[6].

Ab 1930 war Lossew staatlichen Repressionen unterworfen. Die in der akademischen Welt bekannte philosophische Zeitschrift „Journal of Philosophical Studies“ des Royal Institute of Philosophy in London informierte über die Verhaftung Lossews im Jahr 1931. Die Verhaftung des Philosophen führte dazu, dass seine Bücher für konterrevolutionär erklärt wurden. Lossew wurde nach Nordsibirien deportiert.[6][7]

Wissenschaftliche Tätigkeit

Lossew ist der Autor von Übersetzungen ins Russische von Werken von Aristoteles, Plotin, Sextus Empiricus, Proklos und Nikolaus von Kues, Kallistus Cataphygiotus, Markos Eugenikos und Pseudo-Dionysius Areopagita (von Letzterem ist nur ein Fragment erhalten). Lossew ist Herausgeber der Werke Platons (Bände 1–3, 1968–72) und Verfasser von Monographien zur hellenistisch-römischen Ästhetik (1979) und zur Ästhetik der Renaissance (1978)[8].

Lossews „Geschichte der antiken Ästhetik“ veränderte die traditionellen Vorstellungen über das Altertum. Bücher über antike Ästhetik enthüllten die Feinheiten des antiken Idealismus - von Sokrates, Platon und Aristoteles bis hin zur Negative Theologie von Plotin und den Neuplatonikern[9][10]. Wie Wladimir Mironow, Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, feststellt, "ist die Erkenntnis nach Platon eine der höchsten Formen der ästhetischen Tätigkeit. Dies erklärt den Titel von Lossews Werk „Geschichte der antiken Ästhetik“, das im Wesentlichen eine Geschichte der antiken Philosophie und Kultur im Allgemeinen ist, nicht nur der Ästhetik"[11].

Maria Solopowa, Leitende Wissenschaftlerin am Institut für Philosophie der Russischen Akademie der Wissenschaften, bezeichnet Lossew als den bedeutendsten russischen Philosophen des XX. Jahrhunderts[12].

Tod und Ehrungen

Alexei Fjodorowitsch Lossew starb am 24. Mai 1988, dem Jahr des 1000-jährigen Jubiläums der Taufe der Kiewer Rus, in Moskau. Er wurde auf dem Wagankowoer Friedhof beigesetzt, wo auch seine erste Frau begraben ist.

Im Jahr 1989 drehte russischer Dokumentarfilmer Victor Kossakovsky den Film „Lossew“, der auf dem internationalen Dokumentar-, Kurz- und Animationsfilmfestival Message to Man in Sankt Petersburg in Russland mit dem "Silbernen Centaur-Preis" ausgezeichnet wurde.

Im Jahr 1990 wurde Kultur- und Bildungsgesellschaft „Losevskie Gespräche“ gegründet[13].

Sein 100. Geburtstag im 1993 wurde mit einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz an der Staatlichen Lomonossow-Universität Moskau unter der Schirmherrschaft der UNESCO gefeiert. Die Veröffentlichung der gesammelten Werke von Alexei Losev begann.

Im Jahr 1995 wurden Lossews Manuskripte aus den Archiven des FSB zurückgegeben.

Die letzten Wohnräume des Professors wurden musealisiert und beherbergen seit dem Jahr 2000 die Bibliothek für die Geschichte der russischen Philosophie und Kultur sowie das Losev-Haus-Gedenkmuseum (Moskau, Arbatstraße 33/12, Gebäude 1)[14]. Am 23. September 2004, dem Geburtstag von Alexei Fjodorowitsch Lossew, fand in dem Haus am Arbat, in dem er fast ein halbes Jahrhundert lang lebte, die offizielle Eröffnung[15]. Am 23. September 2006 wurde im Hof der Bibliothek das erste Lossew-Denkmal in Russland eingeweiht - eine Bronzebüste auf einem Granitsockel von Vasily Gerasimov.

Literatur

  • Biriukov, Dmitry. The Name-glorifying projects of Alexei Losev and Pavel Florensky: A question of their historical interrelation, in: Studies in East European Thought (2023) 77, S. 205–215 (doi:10.1007/s11212-023-09555-9)
  • Juri Cholopow: Über die Philosophie der Musik von Alexej F. Lossew, in: Acta Musicologica 66, 1994, S. 31–40 (Preview)
  • Jubara, Annett. Die Philosophie des Mythos von Aleksej Losev im Kontext "russischer Philosophie" - Wiesbaden : Harrassowitz, 2000
  • Kuße, Holger: Metadiskursive Argumentation. Linguistische Untersuchungen zum russischen philosophischen Diskurs von Lomonosov bis Losev. 2004. Leinen. XVIII, 592 S. ISBN 3-87690-884-1.
  • Losev, Aleksej Fedorovič. Die Dialektik des Mythos - Hamburg : Meiner, 1994
  • Losev, Aleksej Fedorovič. The dialectic of artistic form - München : Sagner, 2013
  • Sr. Teresa Obolevitch. Alexei Losev: ‘The Last Russian Philosopher’ of the Silver Age, in: The Oxford Handbook of Russian Religious Thought, 2020, S. 564–579 (doi:10.1093/oxfordhb/9780198796442.013.34)

Einzelnachweise

  1. Elena A. Takho-Godi: Aleksei Losev's Philosophical Novel 'The Woman Thinker' and the Problem of the Eternal Feminine. In: Transcultural Studies. 4. Jahrgang. Charles Schlacks, Idyllwild, California 2008, S. 119–127, doi:10.1163/23751606-00401009 (englisch, transculturalstudies.com (Memento des Originals vom 30. Juni 2013 im Webarchiv archive.today)). Special Issue: Sophia Across Culture: From Old Testament to Postmodernity.
  2. Н. А. Хренов, А. С. Мигунов (Hrsg.): Эстетика и теория искусства XX века: Хрестоматия. Прогресс-Традиция, Мoskau 2007, S. 222 (russisch).
  3. a b Лосев Алексей Федорович. In: philos.msu.ru. Философский факультет МГУ имени М.В.Ломоносова / Philosophische Fakultät der Staatlichen Lomonossow-Universität Moskau, abgerufen am 25. Mai 2025 (russisch).
  4. a b Биография: ЛОСЕВ Алексей Федорович. In: domloseva.ru. Дом А. Ф. Лосева - научная библиотека и мемориальный музей / Losev-Haus-Gedenkmuseum, abgerufen am 25. Mai 2025 (russisch).
  5. Marina Lobanova: Losev, Aleksej Fëdorovič. In: MGG Online - mgg-online.com. Die Musik in Geschichte und Gegenwart, abgerufen am 25. Mai 2025.
  6. a b Тахо-Годи А. А.: «История античной эстетики» А. Ф. Лосева как философия культуры. In: Лосев А.Ф. История античной эстетики. Band 1. АСТ, Moskau 2000, S. 7.
  7. Duddington Natalie: Philosophy in Russia. In: Journal of philosophical studies. Band VI, Nr. 21, Januar 1931, S. 226.
  8. Literatur von und über Alexei Lossew im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  9. Тахо-Годи А. А.: «История античной эстетики» А. Ф. Лосева как философия культуры. In: http://psylib.ukrweb.net. Archiviert vom Original am 1. Dezember 2017; abgerufen am 5. November 2017 (russisch).
  10. Аза Тахо-Годи: Личность органически воспроизводит культуру - Российская газета. Archiviert vom Original am 8. September 2022; abgerufen am 8. September 2022 (russisch).
  11. Миронов, В. В.: О вечной незавершенности смыслового пространства философии. In: Творчество А.Ф. Лосева в контексте отечественной и европейской культурной традиции: ХIV Лосевские чтения. Band 1. M. 2013, S. 9–21.
  12. Солопова М. А. Эдуард Целлер: очерк истории жизни // Вестник Ленинградского государственного университета имени А. С. Пушкина. — 2011. — Т. 2. — № 2. — С. 94.
  13. «Лосевские беседы» получили в аренду арбатский дом 33/12. In: runivers.ru. РУНИВЕРС, abgerufen am 25. Mai 2025 (russisch).
  14. Дом А. Ф. Лосева - научная библиотека и мемориальный музей. In: Дом А. Ф. Лосева: domloseva.ru. Дом Лосева, abgerufen am 25. Mai 2025 (russisch).
  15. 2004 год. 23 сентября Открытие «Дома Лосева». In: runivers.ru. Проект «РУНИВЕРС», abgerufen am 25. Mai 2025 (russisch).