Albert Streckeisen

Albert Ludwig Streckeisen (* 8. November 1901 in Basel; † 29. September 1998 in Bern) war ein Schweizer Petrograph und Petrologe. Er entstammte einer akademischen Familie. Sohn von Adolf Streckeisen (1857–1916), Professor für gerichtliche Medizin und der Enkel von Carl Streckeisen.

Leben und akademische Laufbahn

Albert Ludwig Streckeisen wurde am 8. November 1901 in Basel als jüngster Sohn des Arztes Professor Adolf Streckeisen († 1916) und dessen Ehefrau Clara, geborene Burckhardt, geboren. Er besuchte die Schulen seiner Heimatstadt und legte 1920 die Matura ab. Anschliessend studierte er in Basel Mathematik und Naturwissenschaften. 1921 bestand er die naturwissenschaftlich-propädeutische Medizinalprüfung,[1] 1923 folgte das Mittelschullehrerexamen in den Fächern Mathematik, Physik, Zoologie und Botanik.

Im Sommersemester 1923 studierte Streckeisen an der Universität Göttingen Mathematik und Geologie, bevor er noch im selben Jahr nach Basel zurückkehrte. 1924 übernahm er eine kurze Stellvertretung an der Sekundarschule Wartau im Kanton St. Gallen. Von Herbst 1924 bis Herbst 1925 war er an der Abteilung für Fachlehrer in Naturwissenschaften der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich eingeschrieben und erlernte dort bei Paul Niggli die Methoden der chemischen Gesteinsanalyse. Ab Herbst 1925 setzte er sein Studium an der Universität Basel fort.

Die für seine Dissertation notwendigen Feldarbeiten führte er in den Jahren 1924 bis 1926 durch, die Auswertung erfolgte am mineralogisch-petrographischen Institut der Universität Basel unter Leitung von Max Reinhard. Im Juni 1927 reichte Streckeisen seine Arbeit Geologie und Petrographie der Flüelagruppe (Graubünden) an der Philosophischen Fakultät II der Universität Basel als Dissertation ein.

Von 1928 bis 1933 war Streckeisen ordentlicher Professor an der Polytechnischen Hochschule Bukarest und wirkte in dieser Zeit als Mitglied des Geologischen Dienstes. Er beteiligte sich an der geologischen Kartierung der Karpaten und erstellte dort unter anderem geologische Karten zum Nephelin-Syenit-Massiv[2] von Ditro (Rumänien).[3]

In den 1930er Jahren kehrte er in die Schweiz zurück, da er gezwungen gewesen wäre, seine Schweizer Staatsbürgerschaft aufzugeben, um Professor in Bukarest zu bleiben. Nach seiner Rückkehr war er vorerst Bezirksschullehrer in Rothrist, arbeitete dann von 1937 bis 1939 als Assistent bei Paul Niggli an der ETH Zürich und lehrte von 1939 bis 1971 am Freien Gymnasium in Bern. Parallel dazu habitilierte er sich 1942 an der Universität Bern.[4] Acht Jahre später bekam er einen Lehrauftrag und hielt Vorlesungen über Gesteins-Metamorphose und -Systematik. Seine Unterrichtstätigkeit am Freien Gymnasium wurde auf zwei Drittel reduziert.[5] 1954 erhielt er die Honorarprofessur und war von 1964 bis 1972 nebenamtlicher ausserordentlicher Professsor für Petrographie der Universität Bern.

1958 wurde Streckeisen gebeten, bei der Überarbeitung von Paul Nigglis «Tabellen zur Petrographie und zum Gesteinbestimmen» mitzuwirken. Dabei erkannte er erhebliche Probleme in den bestehenden Klassifikationssystemen für magmatische Gesteine. Er verfasste dazu einen Übersichtsartikel und forderte Petrologinnen und Petrologen zur Stellungnahme auf.[6] Dies führte 1970 zur Gründung der Subkommission für die Systematik der magmatischen Gesteine unter der IUGS-Kommission für Petrologie.

QAPF-Diagramm zur Nomenklatur der plutonischen Gesteine

Wissenschaftliche Leistungen

Streckeisen erlangte weltweite Bekanntheit durch das nach ihm benannte Streckeisendiagramm (QAPF-Diagramm), das zur Klassifizierung magmatischer Gesteine dient. Er trug wesentlich zur Neudefinition der Nomenklatur eruptiver Gesteine bei. Er begann seine Arbeiten zu den magmatischen Gesteinen im Alter von über 60 Jahr en und setzte seine Forschungstätigkeit über 35 Jahre fort. Seine Publikationen und Mitarbeit an internationalen Klassifikationssystemen sind grundlegende Referenzen in der Petrologie.

Engagement und soziales Wirken

Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit engagierte sich Albert Streckeisen als aktives Mitglied der reformierten Kirche Bern.[7] Er war Mitglied des Kirchgemeinderats der evangelisch-reformierten Petrusgemeinde in Bern[5] und der Kirchensynode. Im Historischen Lexikon der Schweiz wird er kurz als Pazifist bezeichnet,[7] Er war als Präsident des Schweizerischen Friedensdienstes (SCI) aktiv, vertrat jedoch zugleich eine pragmatische Haltung zur Landesverteidigung und bejahte die Notwendigkeit einer militärischen Verteidigung der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs.[8]

Ausserdem nahm er vielfältige soziale und gesellschaftliche Aufgaben wahr, etwa im Vorstand der Naturforschenden Gesellschaft Bern und der Schweizerischen Mineralogischen und Petrographischen Gesellschaft.[5]

Familie

Albert Streckeisen war mit Gertrud Fanny Jungck (1902–1977)[9] verheiratet.[10] Das Paar hatte eine Tochter, Anna Dorothea, die 1985 verstarb.[11]

Auszeichnungen und Ehrungen

Zu seinen Ehrungen zählen die Abraham-Gottlob-Werner-Medaille der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft (1984) für seine Erfolge zur Systematik der magmatischen Gesteine, die Ehrenmitgliedschaft der Rumänischen Akademie (1991)[12] sowie weitere Auszeichnungent.

Nachlass

Sein Nachlass wird in der Burgerbibliothek Bern verwahrt und umfasst geologische Tagebücher, Verzeichnisse zu den Dünnschliffen, Fotos, Karten und Pläne.[13]

Albert Streckeisen starb am 29. September 1998 in Bern und wurde auf dem Friedhof Wolfgottesacker in Basel bestattet.[14]

Werke

Christian Böhm: Literaturverzeichnis Albert Streckeisen (1901–1998) – Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.[15]

Jan Kramers: Publications. 1999.

  • Minerale und Gesteine. Hallwag, Bern 1962 (13. Auflage: Parkland-Verlag, Stuttgart 1992, ISBN 3-88059-637-9).
  • mit Roger Walter Le Maitre: Igneous rocks: a classification and glossary of terms – recommendations of the International Union of Geological Sciences Subcommission on the Systematics of Igneous Rocks. Cambridge University Press, Cambridge 2002.
  • To each plutonic rock its proper name. In: Earth-Science Reviews. 12, 1976, 1. S. 1–33.[16]
  • Die Klassifikation der Eruptivgesteine: Ergebnis einer Umfrage. In: Geologische Rundschau, 55, 1966,2, S. 478–491.[6]
  • Geologische Karten zum Massiv von Ditró (Rumänien) sowie zum Flüela- und Simplongebiet.
  • Albert Streckeisen: Geologie und Petrographie der Flüelagruppe (Graubünden). In: Schweizerische mineralogische und petrographische Mitteilungen = Bulletin suisse de minéralogie et pétrographie = Bollettino svizzero di mineralogia e petrografia. Band 8, Nr. 8, 1928, ISSN 0036-7699, S. 87–239, doi:10.5169/seals-9917 (e-periodica.ch [abgerufen am 18. September 2025]).[17][18]

Literatur

  • Peter Müller-Grieshaber: Albert Streckeisen. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 2011.[7]
  • Albert Streckeisen 8 November 1901 – 29 September 1998. (PDF) In: Igneous Rocks: A Classification and Glossary of Terms. R. W. Le Maitre, 2002, abgerufen am 17. September 2025 (englisch).[19]
  • Paul Graeter: Albert Streckeisen. In: Bulletin für angewandte Geologie, 4, 1999, 1, S. 87–90.[5]
  • H[ans] K[rähenbühl]: Nachruf Prof. Dr. A. Streckeisen.In: Bergknappe. 87, 1999, 1. S. 38.[20]
  • Jan Kramers: Zum Tode von Prof. Albert Streckeisen. In: Unipress intern. 1998.
  • Ernst Niggli: Festkolloquium zum 90. Geburtstag von Prof. Albert Streckeisen – Lehrer und Wissenschafter. In: Der Bund. 1991.[21]
  • Zur Erinnerung an Anna Dorothea Streckeisen : geboren den 9. Februar 1941, gestorben den 14. September. 1985
  • Ernst Niggli: Albert Streckeisen ein wissenschaftlich aktiver Achtziger. In: Der Bund. 1981.[22]
  • Werner Schuder (Hrsg.): Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender. Band 3. 13. Ausgabe, De Gruyter, Berlin/New York 1980, ISBN 3-11-007434-6. S. 3868.
  • E.N.: Albert Streckeisen, ein Siebziger. In: Der Bund. 1971.[23]
  • Paul Niggli: Tabellen zur Petrographie und zum Gesteinsbestimmen. 1929.

Archive

Einzelnachweise

  1. Die naturwissenschaftlich-propädeutische Medizinalprüfung bezeichnet die vorklinische Prüfung der naturwissenschaftlichen Grundlagen in der ärztlichen Ausbildung, wie sie historisch auch an der Universität Basel üblich war.
  2. Das Nephelinsyenitmassiv von Ditro liegt in Ditro (rumänisch Ditrău), im Kreis Harghita in der Region Siebenbürgen, Rumänien. Es handelt sich um einen mesozoischen alkalivulkanischen Komplex mit Nephelinsyeniten, die vor allem im zentralen und östlichen Teil des Massivs vorkommen. Das Massiv hat eine Ausdehnung von mehreren Kilometern, ist ein bedeutendes geologisches Vorkommen in dieser Region und wird in geologischen Fachwerken und Mineralatlanten entsprechend geführt.
  3. Ditrau (Ditro). In: Mineralienatlas - Fossilienatlas. Abgerufen am 19. September 2025.
  4. Hochschule Bern. In: Berner Tagwacht. Band 50, Nr. 306, 31. Dezember 1942 (e-newspaperarchives.ch): „(Mitg.) Die Erziehunqsdirektion hat Herrn Dr. Albert Streckeisen, Lehrer am Freien Gymnasium in Bern, zum Privatdozenten ernannt mit der Ermächtigung zum Abhalten von Vorlesungen an der zweiten Abteilung der philosophischen Fakultät über Petrographie, mit besonderer Berücksichtigung der regionalen Petrographie.“
  5. a b c d Paul Graeter: Albert Streckeisen. In: Bulletin für angewandte Geologie. Band 4, Nr. 1, 1999, S. 87–90 (e-periodica.ch [abgerufen am 7. August 2025]).
  6. a b Mit der Veröffentlichung ‚Die Klassifikation der Eruptivgesteine: Ergebnis einer Umfrage‘ (Geologische Rundschau, 1966) initiierte Streckeisen die internationale Diskussion über eine verbindliche, wissenschaftlich fundierte Benennung magmatischer Gesteine. Diese Umfrage und die daraus entstandenen Vorschläge bildeten das Fundament für die spätere internationale Standardisierung der Gesteinsklassifikation durch die IUGS‑Subkommission und das bis heute eingesetzte QAPF-Diagramm. Der Artikel markiert den Beginn von Streckeisens weltweitem Einfluss auf die Petrologie und die Systematik der Eruptivgesteine und wird in der Fachwelt als Schlüsselpublikation zur Etablierung moderner Gesteinsnomenklatur gewertet.
  7. a b c Peter Müller-Grieshaber: Albert Streckeisen. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 14. November 2011, abgerufen am 7. August 2025.
  8. Karin Jenni: Zivildienst als Friedensdienst: Die Tätigkeiten des SCI für einen anerkannten Zivildienst. 2008, S. 81 (sci.ngo [PDF]).
  9. Gertrud Jungck Streckeisen (1902–1977). In: Find a Grave. Abgerufen am 18. September 2025.
  10. Eheverkündungen. In: e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 18. September 2025.
  11. Todesanzeige. In: e-newspaperarchives.ch. 17. September 1985, abgerufen am 18. September 2025.
  12. Professor Streckeisen. Rumänische Akademie. In: Der Bund - e-newspaperarchives.ch. Band 142, Nr. 164, 17. Juli 1991 (e-newspaperarchives.ch).
  13. a b Nachlass von Albert Streckeisen im Katalog der Burgerbibliothek Bern
  14. Prof. Albert Ludwig Streckeisen (1901–1998). In: Find a Grave. Abgerufen am 18. September 2025.
  15. Christian Böhm: Literaturverzeichnis Albert Streckeisen (1901–1998). (PDF) 0hne Anspruch auf Vollständigkeit. Abgerufen am 17. September 2025.
  16. Albert Streckeisen: To each plutonic rock its proper name. In: Earth-Science Reviews. Band 12, Nr. 1, 1. März 1976, ISSN 0012-8252, S. 1–33, doi:10.1016/0012-8252(76)90052-0 (sciencedirect.com [abgerufen am 19. September 2025]).
  17. Streckeisen, Albert: Geologie und Petrographie der Flüelagruppe (Graubünden). In: Helveticat. 1928, abgerufen am 19. September 2025 (Separatdruck. Zürich, A.-G. Gebr. Leemann & Co., 1928. Mit Curriculum vitae).
  18. Albert Streckeisen: Geologie und Petrographie der Flüelagruppe (Graubünden). In: Schweizerische mineralogische und petrographische Mitteilungen = Bulletin suisse de minéralogie et pétrographie = Bollettino svizzero di mineralogia e petrografia. Band 8, Nr. 1, 1928, ISSN 0036-7699, S. 87–239, doi:10.5169/seals-9917 (e-periodica.ch [abgerufen am 18. September 2025]).
  19. Albert Streckeisen 8 November 1901 – 29 September 1998. (PDF) In: Igneous Rocks: A Classification and Glossary of Terms. R. W. Le Maitre, 2002, abgerufen am 17. September 2025 (englisch).
  20. H[ans] K[rähenbühl]: Nachruf Prof. Dr. A. Streckeisen. In: Bergknappe. Band 87, Nr. 1, 1999, S. 38 (bergbau-gr.ch [PDF]).
  21. Ernst Niggli: Lehrer und Wissenschafter. Festkolloquium zum 90. Geburtstag von Prof. Albert Streckeisen. In: Der Bund. Band 142, Nr. 293, 14. Dezember 1991 (e-newspaperarchives.ch).
  22. Ernst Niggli: Albert Streckeisen ein wissenschaftlich aktiver Achtziger. In: Der Bunc. Band 132, Nr. 261, 7. November 1981 (e-newspaperarchives.ch).
  23. E.N.: Albert Streckeisen, ein Siebziger. In: Der Bund - e-newspaperarchivesonline.ch. Nr. 261, 8. November 1971 (e-newspaperarchives.ch).
  24. Online-Zugang zum Bundesarchiv. 1983, abgerufen am 19. September 2025 (Signatur: E3120B#1994/168#2616*).
  25. Diverses; OeME-Korrespondenz 1975-1979. Abgerufen am 17. September 2025 (datum=1972 - 1979).
  26. Streckeisen, Albert, geb. 08.11.1901. Matrikel zum Studium an der ETH Zürich