Albert Henschel

Alberto Henschel (rechts) mit dem Fotografen Constantino Barza (1858–1934), der 1875 Leiter der Niederlassung in Recife wurde

Albert Henschel, auch Alberto Henschel (* 13. Juni 1827 in Berlin; † 30. Juni 1882 in Rio de Janeiro), war ein deutsch-brasilianischer Fotograf.

Leben

Albert war der Sohn von Helene und Moritz Henschel (1785–1862), eines Kupferstechers jüdischer Herkunft, der um 1806 mit seiner Familie nach Berlin gekommen war. Zusammen mit den Brüdern Friedrich, August und Wilhelm Henschel (1781–1865) schuf sein Vater Pastell- und Miniaturmalerei, Kupferstiche sowie Lithografien. Gemeinsam stellten sie ihre Arbeiten auf Berliner Akademie-Ausstellungen der Jahre 1804 bis 1819 aus. Unter dem Namen Gebrüder Henschel gaben sie Druckgrafik in den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Berlin und Breslau heraus.[1][2]

Dom Pedro, um 1875

Über Albert Henschels Leben in Deutschland ist wenig bekannt, allerdings wird angenommen, dass er bei seinem Vater in die Lehre ging und noch in Deutschland eine Ausbildung zum Fotografen erfuhr. Historisch greifbar ist er in Brasilien, als er im Mai 1866 zusammen mit dem Partner Karl Heinrich (Carlos Henrique) Gutzlaff auf dem Schiff Catharine Jane aus Hamburg in Recife, Pernambuco, ankam[3] und sie zusammen mit Júlio dos Santos Pereira bald darauf unter der Firma Alberto Henschel & Cia. (später Photographia Allemã) ein erstes Fotoatelier eröffneten.[4] Schon im Folgejahr gingen Henschel und Gutzlaff geschäftlich eigene Wege. 1867 kehrte Henschel kurzzeitig nach Deutschland zurück, um sich fotografische Ausrüstung zu beschaffen. Im selben Jahr engagierte er den Dresdner Maler Karl Ernst Papf als seinen Mitarbeiter.

Als Porträtfotograf konnte Henschel sich erfolgreich in Brasilien etablieren. Bald nach seiner Rückkehr aus Deutschland gründete er eine weitere Niederlassung in Salvador, Bahia. Dort bildete er den später bekannten Fotografen Guilherme Gaensly (1843–1928) aus. 1870 heiratete er Simy (1851–1920), die Tochter des englischen Rabbiners Isaac Amzalak († 1872), eines 1829 aus Gibraltar eingewanderten Lagerhausbesitzers und Reeders.[5] Im selben Jahr expandierte er sein Unternehmen nach Rio de Janeiro, wo er 1871 unter der Firma Henschel & Benque eine Partnerschaft mit dem Fotografen Franz Benque einging, die bis etwa 1880 dauerte. Ihre Arbeit fand Anerkennung am kaiserlichen Hof Peters II., zusammen mit Benque erhielt Henschel 1874 den Titel „Photographo da Casa Imperial“. 1872 und 1875 stellten Henschel und Benque ihre Arbeiten in der Kunstakademie Rio de Janeiro aus. 1872 zeigten sie ein Porträt des Dichters Antônio de Castro Alves, 1875 eine Reihe von Ansichten von Nova Friburgo und dem Botanischer Garten Rio de Janeiro. 1873 waren sie mit Aufnahmen eines bahianischen Straßenhändlers und der brasilianischen Kaiserfamilie Teilnehmer der Wiener Weltausstellung, die sie mit einer Verdienstmedaille ehrte.

Am 1. Februar 1882 eröffnete Henschel unter der Firma Photographia Imperial schließlich noch ein Fotoatelier in São Paulo,[6] nachdem er die Niederlassung in Recife an Moritz (Maurício) Lamberg und die Niederlassung in Salvador an Waldemar Lange verkauft hatte. Wenige Monate danach starb er im Alter von 55 Jahren in seinem Wohnhaus in der Rua Barão de Itambi 14 in Rio de Janeiro-Botafogo.

Aus seiner Ehe mit Simy Amzalak gingen der Sohn Maurício (1871–1934) sowie die Tochter Stella Guerra Duval (1879–1971) hervor. Mit Bertha Lutz gehörte Stella zu den ersten Frauenrechtlerinnen Brasiliens. 1918 gründete sie mit den Damas da Cruz Verde das Entbindungskrankenhaus Pro Matre, eine wohltätige Einrichtung für bedürftige schwangere Frauen. Simy heiratete in zweiter Ehe den brasilianischen Admiral José Carlos de Carvalho Júnior (1847–1934).

Werk

Henschels Fotoateliers schufen eine Vielzahl von privaten Porträts, vor allem im Visitformat. Zuletzt arbeitete sein Unternehmen mit Silbergelatinepapier, das die kostengünstige Herstellung von Bildern für ein breites Publikum erschwinglich machte. Zu seinen Kunden zählten neben der kaiserlichen Familie und der Elite des Landes auch Menschen aus dem einfachen Bürgertum und den unteren Schichten. Außerdem machte er in öffentlichem und privatem Auftrag Architektur- und Landschaftsaufnahmen.

Besondere Beachtung fanden in den letzten Jahren seine Fotografien von Afrikanern und Afrobrasilianern aus einer Zeit, in der die Sklaverei in Brasilien noch legal war. Kurz nach ihrer Entstehung gelangten einige dieser Porträts in das Anthropologisch-ethnologische Album in Photographien, das der Fotograf Carl Dammann mit Unterstützung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in den 1870er Jahren herausgab. Darin wurden die Bilder der Schwarzen im Rahmen einer völkerkundlichen Tafel als Darstellung brasilianischer „Neger“ präsentiert. Wiederentdeckt in öffentlichen Archiven und Sammlungen, unter anderem im Nachlass von Alphons Stübel im Leibniz-Institut für Länderkunde, wurden sie in jüngerer Zeit erneut in Fotoausstellungen und Bildbänden gezeigt. Als historische Quelle wurden sie auch Gegenstand kultur- und geschichtswissenschaftlicher Arbeit.

Literatur

  • Sabrina Gledhill: Henschel, Albert (1827–1882). In: John Hannavy (Hrsg.): Encyclopedia of Nineteenth-Century Photography. Band 1: A–I. Routledge, Taylor & Francis, New York und London 2008, ISBN 978-1-1358-7326-4, S. 651 (Google Books).
  • Margrit Prussat: Alberto Henschel und die frühe Porträtfotografie in Brasilien. Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF), Potsdam 2015 (Zugang zum Digitalisat, PDF).
  • Mônica Cardim: Retratos Transatlânticos: A diáspora africana na fotografia de Alberto Henschel. Dissertation (korrigierte Version), Universidade de São Paulo, São Paulo 2023 (PDF).
Commons: Alberto Henschel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Henschel, Gebrüder. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 16: Hansen–Heubach. E. A. Seemann, Leipzig 1923, S. 430 (biblos.pk.edu.pl).
  2. George Ermakoff: O negro na fotografia brasileira do Século XIX. George Ermakoff Casa Editorial, Rio de Janeiro 2004, ISBN 85-98815-01-2, S. 174
  3. Diário de Pernambuco, Ausgabe vom 28. Mai 1866
  4. Diário de Pernambuco, Ausgabe vom 7. Juli 1866
  5. Paulo Valadares: Qual a família judia mais antiga de S. Paulo? In: Associação Brasileira de Pesquisadores de História e Genealogia (Hrsg.): Revista da ASBRAP. Nr. 13, S. 283, Fußnote I (PDF)
  6. Pedro Karp Vasquez: Fotógrafos Alemães no Brasil do Século XIX. Metalivros, São Paulo 2000, ISBN 85-85371-28-5, S. 110