Aethicus
Aethicus oder Ethicus ist der angebliche Verfasser mehrerer antiker, heidnischer Schriften, darunter einer griechischen Reise- und Weltbeschreibung mit dem Titel Cosmografia, die später – so der Anspruch der vorgeblichen Übersetzung – vom Kirchenvater Hieronymus redigiert, teils ins Lateinische übersetzt, ausführlich kommentiert und unter dem Titel Incipit liber Ethico translato philosophico edito oraculo Hieronimo presbytero dilatum ex chosmografia id est mundi scriptura veröffentlicht worden sei. In dieser Schrift erscheint Aethicus als ein Skythe und Philosoph edler Abkunft, der nicht nur als Verfasser der antiken Vorlage fungiert, sondern auch als Protagonist der Geschichte, welcher, gleichsam dem philostratischen Apollonios von Tyana, als Reisender und Forscher die gesamte Oikumene durchquert.
Die Existenz einer antiken Vorlage, die historische Realität der Reise des Aethicus sowie die Abfassung der angeblichen Übersetzung durch Hieronymus wurden in den frühen, Mitte des 19. Jh. entstandenen Editionen von Marie Armand Pascal d’Avezac und Heinrich Wuttke noch unkritisch übernommen. Bereits kurz nach der Veröffentlichung dieser beiden Ausgaben geriet jedoch die Authentizität der Schrift infolge neuer textkritischer Untersuchungen ins Wanken, im Zuge derer sich herausstellte, dass es sich bei dem überlieferten Werk weder um eine auf antike Vorlagen gestützte geographische Beschreibung noch um die Überlieferung eines tatsächlichen antiken Philosophen handelt, sondern vielmehr um eine bewusste, nach 636 entstandene Konstruktion eines anonymen Autors aus der Merowinger- oder der Karolingerzeit, der offensichtlich nur vorgibt, Hieronymus zu sein, und sich bei seiner Arbeit auch auf keine griechische Vorlage stützte.
Die daraus resultierende Frage nach dem Autor führte zu zahlreichen Spekulationen; eine bekannte, heute weitgehend widerlegte Theorie von Heinz Löwe identifizierte Virgil von Salzburg als Verfasser. Auch der Versuch Vittorio Peris aus dem Jahr 1984, die Annahme einer doppelten Autorschaft sowie die Existenz eines historischen Philosophen Aethicus erneut zu stützen, scheiterte.
Darstellung des Aethicus in der Kosmographie und mögliche Vorlagen
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Die Figur des Aethicus, bzw. Ethicus[1] tritt ausschließlich in der sogenannten Kosmographie des Aethicus des Pseudo-Hieronymus aus dem 7. oder 8. Jh. auf.[2] Möglicherweise wurde sie durch verschiedene literarische Vorbilder inspiriert. So könnte der Autor Anleihen bei Philostrats Apollonios von Tyana genommen haben, wobei er diesen möglicherweise nur aus Hieronymus’ Briefen kannte, dessen Gebrauch gesichert ist.[3] Ebenso denkbar ist eine Beeinflussung durch den sogenannten Kosmas Indigopleustes, dessen Werk dem Kosmographen unter Umständen in einer in England angefertigten lateinischen Übersetzung vorlag.[4] Es lässt sich zudem die Frage stellen, ob Virgilius’ Figur Estrius (oder Istrius), der als vir Hispanus beschrieben wird, Einfluss auf die Entstehung der Gestalt des Aethicus Ister hatte. Nach Virgil verfasste Estrius (Istrius) historische Werke und trat als Moralist auf. Eine Passage, in der Estrius die Habgier tadelt, scheint eine Parallele in einer Passage der Kosmographie zu besitzen.[5] Allerdings ist die Verwendung von Virgil durch den Kosmographen keineswegs zwingend. Heinz Löwe hat – im Rahmen seines Versuchs Virgil von Salzburg als Autor der Pseudographie auszumachen – hingegen versucht, den Namen Aethicus mit dem Kloster Iona bei der Insel Tiree – der Ethica insula – oder mit dem irischen Namen Etich in Verbindung zu bringen.[6]
In der Kosmographie erscheint Aethicus als ein Skythe edler Abkunft, der als Philosoph, Ingenieur und Verfasser mehrerer Werke der Antike tätig gewesen sei und die gesamte Oikumene als Forscher bereist habe. Weiterhin wird Aethicus als „Istrier“ vorgestellt, wobei hier anscheinend Istrien an der Adria und die spätrömische Privinz Skythia minor – möglicherweise absichtlich – vermischt werden.[7] „Hieronymus” behauptet, dass sich die ethische Philosophie vom Namen des Skythen ableite.[8] Zwar erscheint Aethicus als Heide, doch habe er die Heilige Schrift gelobt, allerdings auf eine Wiederholung ihrer Inhalte verzichtet und sich stattdessen jenen Themen zugewandt, über die die Bibel schweigt.[9] Diese Fiktion verfolgt wohl das Ziel, die Redaktion eines heidnischen Textes durch „Hieronymus“ zu legitimieren und zugleich dessen in Epistula 22 abgelegtes Gelübde zu relativieren.[10]
Auf seiner Reise, die von Taprobane über die Säulen des Herkules bis in die unbekannten Regionen des hohen Nordens führt, begegnet Aethicus[11] allerlei Fremdem, Unbekanntem und Exotischem. Zahlreiche Völker und Landschaften werden beschrieben, wobei die Beschreibungen teils mythologische und fantastische Züge aufweisen. Das angeblich von Aethicus entwickelte „Geheimalphabets“,[12] die komplizierte Sprache und fiktive Quellen tragen dazu bei, den Eindruck einer tiefgründigen und schwer fassbaren Gelehrsamkeit zu erwecken. Am Beginn des Werks steht eine Kosmographie, wobei betont wird, dass Aethicus neben dem Austronothicum auch die Himmelsportale, Weltscharniere und den Abgrund selbst untersucht habe.[13] Im Werk wird dem Aethicus der heiligen Hieronymus, zur Seite gestellt – dieser fungiert hierbei nicht nur als angeblicher Übersetzer, sondern auch als moralischer Zensor und Kommentator.
Der Verfasser treibt die Nachahmung des Hieronymus mit bemerkenswerter Raffinesse bis zur Spitze und entwickelt dabei zugleich eine ausgeklügelte sprachliche Konstruktion.[14] Auch erhebt er nicht allein den Anspruch, den vermeintlichen Originaltext des Aethicus von allerlei verderblichen heidnischen Elementen gereinigt zu haben; er schreibt zudem Schriften des wahren Hieronymus sich selbst zu und nennt Donatus seinen Lehrer. Gleich eingangs der Cosmografia bekennt er seine große „Furcht und sein Zögern“ und fleht die Leser an, ihn „nicht für töricht“ zu erachten, da er profane Texte übersetzt habe. Auch rechtfertigt der Verfasser seine vielfältigen Eingriffe in den Text und ermahnt, die unzensierte Lektüre des heidnischen Originals könne für den Glauben gefährliche Irrwege bahnen. Von größter Eindringlichkeit ist jene Szene, in der der „Hieronymus“, sich selbst für das Studium des Aethicus geißelnd, auf die oben bereits erwähnte berühmte Vision des wahren Hieronymus anspielt.[15] Jener nämlich hatte in einer göttlichen Offenbarung Züchtigung erfahren, weil er sich mehr als Anhänger Ciceros denn als Anhänger Christo erwiesen hatte.[16]
Die Beziehung zwischen Aethicus und diesem „Hieronymus“ ist also von Spannung und einer gewissen Ambivalenz geprägt. Zwar lobt „Hieronymus“ die Kühnheit und Originalität des Aethicus, nimmt jedoch zugleich zu dessen heidnischen Motiven und fantastischen Berichten eine deutlich kritischere Haltung ein.[17] Diese distanzierte Kommentierung durch „Hieronymus“ – eine bewusste Inszenierung des Werkes als Übersetzung, Redaktion und Zensur einer angeblich antiken Schrift – hat dazu beigetragen, dass der fiktive Charakter des Werks bis Mitte des 19. Jhs. verschleiert werden konnte.[18]
Forschungsgeschichte
Frühe Deutungen und historische Zuschreibungen
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Authentizität der „Kosmographie“ nicht hinterfragt. Die ersten Herausgeber, Marie Armand Pascal d’Avezac (1852) und Heinrich Wuttke (1853), ordneten das Werk dem heiligen Hieronymus zu und nahmen an, dass dieser eine reale griechische Vorlage eines Aethicus, bzw. Aithikos/αἰθικός übersetzt und bearbeitet habe. Auch nahmen beide an, dass die geographischen Beschreibungen mindestens zum Großteil auf tatsächlichen Erkundungen des skythischen Philosophen beruhten. Ein wesentlicher Teil des kritischen Apparats von Wuttke widmete sich dem Versuch, die Reisen des Aethicus geographisch zu verorten. Karl August Friedrich Pertz vermutete in Aethicus einen slawischen Gelehrten, aufgrund vermeintlicher Hinweise auf glagolitische Schriftzeichen im Werk.[19]
Frühe Kritische Neubewertungen
Der erste bedeutende Bruch in der Forschungsgeschichte zur „Kosmographie“ erfolgte bereits unmittelbar nach der Veröffentlichung der beiden Editionen. In einer umfassenden Rezension der Arbeiten von d’Avezac und Wuttke hob Friedrich Kunstmann[20] hervor, dass das Werk Passagen enthielt, die wörtlich von Alcimus Avitus, einem Bischof des 6. Jhs., übernommen wurden. Diese Beobachtung widersprach damit der Annahme, dass das Werk aus der Feder des Hl. Hieronymus (gest. 420) stammen könne. Kunstmanns Erkenntnisse rüttelten damit an der Vorstellung einer historischen Grundlage des Werkes und warfen erstmals Fragen zur Historizität des Aethicus und dessen Reisen auf. Die Verteidigung von Wuttke,[21] der für die Echtheit des Werkes plädierte, vermochte den Forschungswandel nichtmehr aufzuhalten. Darüber hinaus wies Ludwig Roth[22] nach, dass die Sprache der „Kosmographie“ auffallend vulgarisiert ist und mehr dem Sprachgebrauch in frühmittelalterlichen fränkischen Urkunden als dem gepflegten klassischen Latein des Kirchenvaters entspricht. Auch zeigte er, dass die „Kosmographie“ in weiten Teilen aus Isidors Etymologiae schöpft. Diese Ergebnisse stellten die Grundlage für die Erkenntnis, dass weder Hieronymus der Verfasser sein konnte noch die „Kosmographie“ auf einer griechischen Vorlage eines Aethicus basierte.
Gab es Aethicus doch? Vittorio Peris Theorie der doppelten Autorschaft
In der Folgezeit konzentrierte sich die Aethicusforschung vor allem auf die Quellenfrage. 1951 stellte Heinz Löwe die Theorie auf, der Verfasser des vorliegenden Werkes, der sich als Hieronymus ausgibt, sei in Wirklichkeit Virgil. Dieser habe das Werk als eine Art Abrechnung mit Bonifatius verfasst, mit dem er kurz nach seiner Ankunft in Bayern in Konflikt geraten war.[23] Aethicus, so Löwe, sei eine literarische Selbstprojektion Virgils. Löwes Aufsatz löste eine breite Welle von Publikationen aus.[24] Die Theorie fand zunächst große Zustimmung in der Fachwelt, stieß jedoch bald auch auf deutlichen Widerspruch.[25] Löwe hat seine Theorie daraufhin in mehreren Aufsätzen verteidigt.[26]
Im Jahr 1984 unternahm der italienische Historiker und Scriptor Graecus an der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek, Vittorio Peri, den Versuch, die seit Mitte des 19. Jh. als widerlegt geltende These einer doppelten Autorschaft sowie die Annahme einer historischen, antiken Vorlage der Kosmographie zu rehabilitieren.[27] In seinem Aufsatz führt Peri die Kosmographie auf einen Reiseberichte eines ansonsten unbekannten, vom Christentum unberührten Autor zurück, den er als „Anonymus Danubianus“ bezeichnet und im Raum des Schwarzen Meeres verortet. Dieses ursprüngliche, heidnische Werk sei als spätantikes Breviarium überliefert und später von einem ansonsten unbekannten mittelalterlichen Exzerptor mit dem Namen Hieronymus zwischen 764 und 784 zur heute erhaltenen Cosmografia verarbeitet worden. Auch Isidor von Sevilla habe, so Peri, in seinen Etymologiae auf diese ältere Quelle zurückgegriffen. Die Annahme, der mittelalterliche Kompilator habe bewusst die Autorität des hl. Hieronymus zur Legitimation seines Werkes genutzt, weist Peri zurück. Zudem sieht er einen Zusammenhang zwischen dem glagolitischen Alphabet und dem sogenannten Aethicus-Alphabet am Ende des Exzerpts. Patrick Gautier Dalché[28] Bereits im Erscheinungsjahr der Arbeit hat Dalché dieser These Peris entschieden widersprochen. In seiner Untersuchung zeigte er erneut auf, dass die vorliegende Cosmografia in erheblichem Maße von Isidors Etymologiae abhängig ist. Dies belegt er durch zahlreiche wörtliche Übernahmen sowie strukturelle Übereinstimmungen, die sich nicht durch eine gemeinsame Vorlage erklären lassen. Die von Peri angeführten Textstellen bei Isidor, die seiner Auffassung nach auf eine ältere, unabhängige Fassung der Cosmografia hinweisen, führt Dalché plausibel auf andere Quellen zurück.
Darüber hinaus unterstreicht Dalché mit überzeugenden Argumenten, dass der Verfasser der Cosmografia durchaus gezielt auf die Autorität des Hieronymus rekurriert, etwa durch explizite Bezüge auf dessen Briefe und seine Auseinandersetzungen mit heidnischen Denkern. Schließlich kritisiert er auch Peris geographische Argumentation als spekulativ: Bezeichnungen wie Histria seien mehrdeutig und erlaubten keine eindeutige Lokalisierung des Autors. Dennoch ist die Theorie von Peri insbesondere in der italienischen Forschung gelegentlich aufgegriffen und weiterentwickelt worden.[29]
Literatur
- Friedrich Kunstmann: Besprechung. Die Schriften über Aethicus von Avezac, Pertz und Wuttke. In: Gelehrte Anzeigen, hrsg. von Mitgliedern der K. Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 38 (1854), Sp. 249–75.
- Karl Ludwig Roth: Besprechung der Edition von Wuttke und des Werkes von Pertz. In: Heidelberger Jahrbücher der Literatur, Bd. 47 (1854) S. 269–77.
- Vittorio Peri: La Cosmographia dell’ Anonimo di Histria e il suo compendio dell’ VIII secolo. In: Vestigia. Studi in onore di Giuseppe Billanovich, Tbd. 2, hrsg. v. Rino Avesani u. a., Rom 1984, S. 503–58.
- Patrick Gautier Dalché: Du nouveau sur Aethicus Ister? À propos d’ une théorie récente. In: Journal des savants, Jg. 1984, S. 175–86.
- Michael W. Herren: Wozu diente die Fälschung der Kosmographie des Aethicus? In: Lateinische Kultur im VIII. Jahrhundert. Traube-Gedenkschrift, hrsg. v. Albert Lehner & Walter Berschin, St. Ottilien 1989.
- Otto Prinz: Die Kosmographie des Aethicus (= MGH, Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters, Bd. 14), München 1993.
- Michael W. Herren: The Cosmography of Aethicus Ister, Edition, Translation, and Commentary, Turnhout 2011.
Anmerkungen
- ↑ Diese Namensvariante erscheint dabei im Werk selbst dabei etwas häufiger als die erstgenannte; Prinz: Geistesgeschichte, MGH, 1993, S. 1.
- ↑ Marie Armand Pascal d’ Avezac: Mémoire sur Éthicus et sur les ouvrages cosmographiques intitulés de ce nom. In: Mémoires présentés par divers savants à l’Académie des inscriptions et belles-lettres. Première série, Ser. 1, Bd. 2 (1852), S. 230–551; Heinrich Wuttke: Kosmographie des Istrier Aithikos im lateinischen Auszug des Hieronymus aus einer Leipziger Handschrift zum erstenmale besonders herausgegeben, Leipzig 1853; Bruno Krusch: Origo Francorum duplex. In: MGH. Scriptores rerum Merovingicarum, Tbd. 7, hrsg. v. dems. & Wilhelm Levison, Hannover/Leipzig 1920, S. 524–28; Teilausgabe, entspricht Cosmografia c. 102–104 Ed. Wuttke/Herren; Otto Prinz: Die Kosmographie des Aethicus (= MGH, Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters, Bd. 14), München 1993; Michael W. Herren: The Cosmography of Aethicus Ister. Edition, Translation, and Commentary, Turnhout 2011.
- ↑ Prinz: Geistesgeschichte, MGH, 1993, S. 103; Herren: Cosmography, 2011, S. xl, 69, Anm. 138 u. 140.
- ↑ Herren: Cosmography, 2011, S. l–li.
- ↑ Herren: Cosmography, 2011, S. liii; ders.: Aethicus Ister and Virgil the Grammarian. In: Mélanges François Kerlouégan, hrsg. v. Danièle Conso u.a, Paris 1994, S. 285–88; hier S. 285f.
- ↑ Heinz Löwe: Ein literarischer Widersacher des Bonifatius. Virgil von Salzburg und die Kosmographie des Aethicus Ister. In: Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Nr. 11 (1951/52), S. 899–988, hier 925f.
- ↑ Antti Lampinen: Forging the Feel of Ancient Ethnography in Pseudo-Jerome’s Cosmography of Aethicus Ister. In: “Animo decipiendi?” Rethinking Fakes and Authorship in Classical, Late Antique, and Early Christian Works, hrsg. v. Antonio Guzmán & Javier Martínez, Groningen 2018, S. 229–44, hier: S. 237.
- ↑ Cosmografia, c. 113 (Kapitelzählung durchgehend nach der Edition von Herren, 2011); Prinz: Geistesgeschichte, MGH, 1993, S. 1.
- ↑ Cosmografia, c. 1–2, 30.
- ↑ Herren: Cosmography, 2011, S. xxiv.
- ↑ Michael W. Herren: Fälschung, 1989, S. 145–59, hier: S. 148f.; mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die weit verbreitete Gleichsetzung von Aethicus mit dem Urheber der Kosmographie, wie sie in der Forschung häufig vorgenommen wurde (z. B. bei Brunhölzl und Hillkowitz), keineswegs haltbar sei und Aethicus vielmehr als eine rein fiktive Gestalt innerhalb einer Erzählung zu begreifen sei, weshalb die biographischen Angaben zu dieser Figur – wie umfangreich und detailliert sie auch sein mögen – keinesfalls eine zuverlässige Grundlage zur Identifizierung des Autors des Werkes bieten könnten. Diese Position hat Herren später einer Revision unterzogen; ders.: Cosmography, 2011, S. lxxiv.
- ↑ Cosmografia, c. 66d, 73, 113.
- ↑ Cosmografia, c. 23.
- ↑ Der Text entfaltet eine dreifach gestufte Stilstruktur: „Hieronymus“ tritt als Ich-Erzähler auf, durchsetzt die Handlung mit autobiografischen Reflexionen und äußert sich ambivalent über Aethicus – er kritisiert dessen Unglaubwürdigkeit, lobt jedoch dessen Kühnheit und Originalität. Die polemischen Passagen sind sprachlich schlicht. Aethicus selbst spricht in einem schwülstigen, orakelhaften und anspielungsreichen Stil. Die Rede des „Hieronymus“ orientiert sich am Vokabular der Vulgata und der patristischen Literatur; in den zusammenfassenden Abschnitten gibt er vor, den Stil des Aethicus zu imitieren, wobei er zugleich charakteristische Ausdrucksweisen des historischen Hieronymus aufgreift; Hildegard L.C. Tristram: Ohthere, Wulfstan und der Aethicus Ister. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, Bd. 111, H. 3 (1982), S. 153–68, hier S. 158.
- ↑ Cosmografia, c. 66c.
- ↑ Hieronymus, Epistula 22,30.
- ↑ Cosmografia, c. 43, 66d.
- ↑ Zum Themenkomplex Herren: Cosmography, 2011, S xvi–xx; D’Onofrio: Giulio D’Onofrio: La Cosmographia di Etico Ister. In: Storia della Teologia nel Medioevo, Bd. 1, hrsg. v. dems., Casale Monferrato 1996, S. 79–82;.Kurt Smolak: Notizen zu Aethicus Ister. In: Filogia mediolatina, Bd. 3 (1996), S. 135–52.
- ↑ Karl August Friedrich Pertz: De cosmographia Ethici libri tres, Berlin 1853.
- ↑ Friedrich Kunstmann: Besprechung. Die Schriften über Aethicus von Avezac, Pertz und Wuttke. In: Gelehrte Anzeigen, hrsg. von Mitgliedern der K. Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 38 (1854), Sp. 249–75.
- ↑ Heinrich Wuttke: Die Ächtheit des Auszugs aus der Kosmographie des Aithikos, Leipzig 1854, S. 63f.; auch nachträglich in einen Teil der Editionsexemplare der 2. Ausg. von 1854 eingefügt (S. CXCIV–CXCV).
- ↑ Karl Ludwig Roth: Rezension der Edition von Wuttke und des Werkes von Pertz. In: Heidelberger Jahrbücher der Literatur, Bd. 47 (1854) S. 269–77; ders.: Rezension der überarbeiteten Edition von Wuttke. In: ebd., Bd. 48 (1855) S. 100–106.
- ↑ Prinz: Geistesgeschichte, MGH, 1993, S. 4–6.
- ↑ Heinz Löwe: Ein literarischer Widersacher des Bonifatius – Virgil von Salzburg und die Kosmographie des Aethicus Ister. In: Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Nr. 11 (1951/52), S. 899–988.
- ↑ So von Maartje Draak: Virgil of Salzburg versus „Aethicus Ister“. In: Dancwerc. Opstellen aangeboden aan Prof. Dr. D. Th. Enklaar ter gelegenheid van zijn 65. verjaardag, Groningen 1959, S. 34–42; und Franz Brunhölzl: Zur Kosmographie des Aethicus. In: Festschrift für Max Spindler, hrsg. v. Dieter Albrecht, Andreas Kraus & Kurt Reindel, München 1969, S. 75–89.
- ↑ Heinz Löwe: Salzburg als Zentrum literarischen Schaffens im 8. Jahrhundert. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Bd. 115 (1975), S. 99–143; Die „Vacetae insolae“ und die Entstehungszeit der Kosmographie des Aethicus Ister. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Bd. 31, H. 1 (1975), S. 1–16; sowie Aethicus Ister und das alttürkische Runenalphabet. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Bd. 32, H. 1 (1976), S. 1–22.
- ↑ Vittorio Peri: La Cosmographia dell’ Anonimo di Histria e il suo compendio dell’ VIII secolo. In: Vestigia. Studi in onore di Giuseppe Billanovich, Tbd. 2, hrsg. v. Rino Avesani u. a., Rom 1984, S. 503–58.
- ↑ Patrick Gautier Dalché: Du nouveau sur Aethicus Ister? À propos d’ une théorie récente. In: Journal des savants, Jg. 1984, S. 175–86.
- ↑ Giuseppe Cossuto: Note sulla Cosmographia di Aethicus Ister come fonte per la conoscenza dei popoli delle steppe in epoca tardoantica. In: Società e cultura in età tardoantica e altomedievale. Studi in onore di Ludovico Gatto (= Romanobarbarica, Bd. 19), hrsg. V. Eleonora Plebani, Rom 2009, S. 95–108.