Adolf Dittrich
Adolf Dittrich (* 11. August 1941 in Rumburg; † 22. Oktober 2013 in Zürich) war ein deutsch-schweizerischer Psychologe und Titularprofessor der Universität Zürich.[1]
Leben
Er war der Sohn von Adolf und Elisabeth (Wagner) Dittrich. 1946 musste die sudetendeutsche Familie Rumburg verlassen und übersiedelte nach Wuppertal. Hier machte er 1961 sein naturwissenschaftliches Abitur und studierte anschließend an der Universität zu Köln Psychologie; sein Diplom legte er hier 1966 ab. Das Studium finanzierte er sich nach dem Tod seines Vaters als Dachdecker. Danach arbeitete er in der Pharmaindustrie, die ihn 1967 bis 1968 auch eine Stelle als ersten Psychologen an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (damals «Burghölzli») finanzierte. Anschließend konnte er ein Jahr in der Abteilung für Klinische Forschung der Firma Hoffmann-La Roche, Abteilung für Klinische Forschung, Gruppe Psychopharmaka, in Basel arbeiten. 1970 kehrte er nach Zürich zurück und war hier bis 1985 wieder in der Forschungsabteilung der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich als Methodiker und Statistiker, unter anderem auch in einem Projekt über Cannabis, angestellt. Dieses Thema war der Beginn seiner wissenschaftlichen Arbeiten über veränderte Bewusstseinszustände unter Substanzwirkung, aber auch bei Reizentzug oder -überflutung. Er ging psychischen Veränderungen bei außergewöhnlichen Wachbewusstseinszuständen hinsichtlich Wahrnehmung, Denken und Fühlen sowie in den Kategorien Raum- und Zeiterleben nach. 1972 erfolgte die Promotion zum Dr. rer. nat. an der Universität zu Köln mit Psychologie im Hauptfach und Wirtschaftsmathematik und Mathematischer Statistik sowie Psychopathologie in den Nebenfächern (Dissertationsthema: Die Stärke von Prägnanztendenzen akut Schizophrener). 1972 wurde er Lehrbeauftragter für Klinische Psychologie an der Universität Zürich. Die Habilitation legte er 1983 an der Philosophischen Fakultät I der Universität Zürich ab und erhielt die venia legendi für „Empirische Psychologie klinischer Richtung“. In seiner Habilitationsschrift (Ätiologieunabhängige Strukturen veränderter Wachbewusstseinszustände) ging er der Hypothese nach, dass Erlebnisweisen sowohl bei Reizentzug oder -überflutung als auch unter Halluzinogenen sich einander ähnlich sind. 1986 gründete er des „PSIN Dr. A. Dittrich – Psychologisches Institut für Beratung und Forschung“ in Zürich und war dessen Leiter und Inhaber. Durch Unterstützung durch den Schweizerischen Nationalfonds konnte er empirische und experimentelle Forschungen durchführen; in deren Zentrum standen Persönlichkeitsmerkmale und Lebenssituationen, die die Art der inneren Reisen beeinflussten. 1990 wurde er Privatdozent und Titularprofessor an der Universität Zürich. 1985 war er neben Hanscarl Leuner und Albert Hofmann, dem Entdecker des LSD, Gründungsmitglied und danach Vizepräsident des Europäischen Collegiums für Bewusstseinsstudien (ECBS)[2].
Werk
Er hat zu dem Thema Veränderter Bewusstseinszustand gearbeitet, vor allem über Methodik, Persönlichkeitspsychologie, Psychodiagnostik und Pharmakopsychologie. Darunter ist die groß angelegte internationale Studie über veränderte Wachbewusstseinszustände zu erwähnen, bei der 1133 Probanden aus verschiedenen Ländern ihre zuletzt erlebten Außergewöhnlichen Bewusstseinszustände (ABZ) beschrieben. Aus diesen Beschreibungen veränderter Wachbewusstseinszustände wurden drei Zustände extrahiert: Ozeanische Selbstentgrenzung („oceanic boundlesness“), Angstvolle Ichauflösung („dread of ego dissolution“) und Visionäre Umstrukturierung („visionary restructuralization“). Diese Außergewöhnlichen Bewusstseinszustände (ABZ) weisen folgende Eigenschaften auf: Veränderung der Denkabläufe (primär prozessartig), Veränderung des Zeiterlebens (Geschwindigkeit, Zeitlosigkeit), Angst vor Verlust der Selbstkontrolle, Intensive Emotionen (Glückseligkeit bis Panik), Körperschema-Veränderungen (bis „Körperlosigkeit“) und Optisch-halluzinatorische Phänomene (Synästhesien, veränderte Bedeutungserlebnisse).
Mit der Entwicklung des aus drei Skalen bestehenden ABZ-Fragebogens, auch APZ-Fragebogen (Außergewöhnliche psychische Zustände) genannt, hat er einen Beitrag zur qualitativen und quantitativen Erfassung des individuellen Erlebens in veränderten Wachbewusstseinszuständen geliefert. Die drei Skalen «Ozeanische Selbstentgrenzung», «Angstvolle Ich Auflösung» und «Visionäre Umstrukturierung» sind Grunddimensionen veränderter Bewusstseinszustände, wie sie unter dem Einfluss halluzinogener psychoaktiver Substanzen oder auch bei sensorischer Deprivation (z. B. im Samadhi-Tank), Schlafentzug, Hyperventilation, in hypnagogen Zuständen oder nach Reizüberflutung auftreten können. Das Europäische Collegium für Bewusstseinsstudien (ECBS) hat mehrere Bänder "Welten des Bewußtseins" über die Ergebnisse Internationaler Kongresse herausgegeben, in denen die Phänomene des menschlichen Bewusstseins und ihre Korrelate auf der Basis interdisziplinärer Zusammenarbeit und auf der Grundlage empirischer Phänomene und experimenteller Studien erforscht wurden.
Publikationen (Auswahl)
- Monografien
- Mit Albert Hofmann: Ein interdisziplinärer Dialog. 1998
- Mit Albert Hofmann: Experimentelle Psychologie, Neurobiologie und Chemie. 1998
- Ätiologie-unabhängige Strukturen veränderter Wachbewusstseinszustände. Ergebnisse empirischer Untersuchungen über Halluzinogene I. und II. Ordnung, sensorische Deprivation, hypnagoge Zustände. VWB, Verl. für Wiss. u. Bildung. Berlin 1996, ISBN 978-3-86135-456-7.
- Herausgeberschaften
- Mit Christian Scharfetter: Ethnopsychotherapie (Forum der Psychiatrie. Neue Folge 26). Ferdinand Enke, Stuttgart 1987, ISBN 978-3-432-95901-6.
- Mit Michael Schlichting; Albert Hofmann; Hanscarl Leuner: Pränatale Psychologie und Psycholytische Therapie (Welten des Bewusstseins, Bd. 10). VWB-Verlag, Berlin, ISBN 978-3-86135-412-3.
- Mit Christian Scharfetter; Christian Rätsch: Religion, Mystik, Schamanismus (Welten des Bewußtseins, Bd. 9). VWB-Verlag, Berlin, ISBN 978-3-86135-411-6.
- Mit Albert Hofmann; Hanscarl Leuner: Multidisziplinäre Entwürfe (Welten des Bewußtseins, Bd. 7). VWB-Verlag, Berlin ISBN 978-3-86135-409-3.
- Mit Albert Hofmann; Hanscarl Leuner: Welten des Bewusstseins: Bedeutung für die Psychotherapie (Welten des Bewusstseins, Bd. 4). VWB-Verlag, Berlin 1994, ISBN 978-3-86135-403-1.
- Zeitschriftenartikel/Buchbeiträge
- Empirische Dimensionen veränderter Bewußtseinszustände. In: Bernulf Kanitscheider; Berthold Suchan (Hrsg.): Drogenkonsum bekämpfen oderfreigeben? S. Hirzel Verlag, Leipzig 2000, S. 107–146.
- The standardized psychometric assessment of altered states of consciousness (ASCs) in humans. In: Pharmacopsychiatry, 1998, 31(S 2), S. 80–84.
- Empirische Dimensionen veränderter Bewusstseinszustände. In: Andreas Resch (Hrsg.): Veränderte Bewusstseinszustände: Träume - Trance - Ekstase. Innsbruck 1990.
- Mit I. Bodmer; D. Lamparter: «Außergewöhnliche Bewusstseinszustände – Ihre gemeinsame Struktur und Messung». In: A. Dittrich; A. Hofmann; H. Leuner (Hrsg.): Welten des Bewusstseins. Bd. 3, Experimentelle Psychologie, Neurobiologie und Chemie. Verlag für Wissenschaft und Bildung (VWB), Berlin 1994, S. 45–48.
- Mit Reto Volkart; Thomas Rothenfluh; Werner Kobelt; Klaus Ernst: Einzelhaft als Risikofaktor für psychiatrische Hospitalisierung. In: Psychiatria Clinica, 1983, 16 (5-6), S. 365–377.
Weblinks
- Literatur von und über Adolf Dittrich im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Barbara Krause: Maja Maurer: Prof. Dr. Adolf Dittrich, Universität Zürich Nekrologe 2013. Zum Gedenken an unsere verstorbenen Professoren, abgerufen am 1. September 2025.
- Adolf Dittrich auf prabook, abgerufen am 31. August 2025.
- Dittrich, Adolf auf imagomundi, abgerufen am 31. August 2025.
- Adolf Dittrich - Himmel, Hölle und Visionen, Audio vom 2. Kongress Welten des Bewusstseins, abgerufen am 1. September 2025.