3-Chinuclidinylacetat

Strukturformel
Strukturformel von (R)-3-Chinuclidinylacetat
Allgemeines
Name 3-Chinuclidinylacetat
Andere Namen
  • 1-Azabicyclo[2.2.2]oct-3-yl-acetat (IUPAC)
  • 3-Acetoxychinuclidin
  • 3-Quinuclidinylacetat
  • 3-Acetoxyquinuclidin
Summenformel C9H13NO2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 212-574-1
ECHA-InfoCard 100.011.431
PubChem 1979
ChemSpider 1902
DrugBank DB13262
Wikidata Q2362603
Arzneistoffangaben
ATC-Code

S01EB08

Wirkstoffklasse

Ophthalmika

Wirkmechanismus

Agonismus am muskarinischen Acetylcholinrezeptor

Eigenschaften
Molare Masse 169,22 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Aceclidinhydrochlorid

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301​‐​311
P: 280​‐​301+310​‐​312[1]
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Die chemische Verbindung 3-Chinuclidinylacetat ist ein Ester der Essigsäure mit dem basischen bicyclischen Alkohol 3-Chinuclidinol. Die Verbindung ist chiral, wird aber oft als Racemat verwendet. In der Regel wird die Substanz in Form von Salzen, vor allem als Hydrochlorid, gelagert und gehandelt. Sie dient als Zwischenprodukt für chemische Synthesen und als pharmazeutischer Wirkstoff (internationaler Freiname Aceclidin).

Herstellung

Der Alkohol 3-Chinuclidinol wird mit Essigsäureanhydrid (Acetanhydrid) acetyliert. Daher wird der Ester auch – weniger nomenklaturgerecht – als 3-Acetoxychinuclidin bezeichnet. Wie der zugrunde liegende Alkohol tritt 3-Chinuclidinylacetat in zwei enantiomeren Formen auf, nämlich (R)-3-Chinuclidinylacetat und (S)-3-Chinuclidinylacetat. Als erstes wurde das Racemat hergestellt. Es konnte durch Umsetzung mit „optische aktiver“, d. h. chiraler, Weinsäure getrennt („gespalten“) werden.

Hydrolyse racemischer Chinuclidinylacetate
Hydrolyse racemischer Chinuclidinylacetate

Das Racemat lässt sich durch kinetische Racematspaltung enantioselektiv hydrolysieren. Dazu lässt man Mikroorganismen oder deren Enzyme, z. B. Aspergillus-Spezies oder Bakterien der Gattung Bacillus bzw. das Enzym Subtilisin auf das Racemat einwirken. In einer „asymmetrischen“ Hydrolyse wurde der (S)-Ester verstoffwechselt, so dass der (R)-Ester übrig bleibt und isoliert wird. Umgekehrt kann (R)-3-Chinuclidinylacetat durch Umesterung von Ethylacetat mit (R)-3-Chinuclidinol hergestellt werden.

Medizinische Verwendung

3-Chinuclidinylacetat (Aceclidin) wird in der Augenheilkunde eingesetzt. Ab den 1970er Jahren vermarktete es Chibret in Europa unter dem Namen Glaucostat zur Behandlung des Glaukoms.[2][3] Im Jahr 2025 wurde es unter dem Präparatenamen Vizz in den USA zur Behandlung der Altersweitsichtigkeit zugelassen.[4] Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen der Studien CLARITY 1 und 2.[5] Die Anwendung erfolgt als Augentropfen.

Pharmakologische Wirkung

Die russischen Pharmakologen Mikhail Davidovich Mashkovsky und K. A. Zaitseva zeigten in den 1960er Jahren, dass 3-Chinuclidinylacetat eine hohe Affinität zum muskarinischen Acetylcholinrezeptor besitzt.[6][7] Als cholinerger Muskarinzezeptor-Agonist stimuliert der Wirkstoff die glatte Muskulatur. Am Auge wirkt er hauptsächlich am Musculus sphincter pupillae, wodurch sich die Pupille etwas verengt (Miosis) und durch diesen Lochblendeneffekt die Tiefenschärfe erweitert wird. Der Ziliarmuskel hingegen wird kaum stimuliert.[8]

Einzelnachweise

  1. a b Datenblatt Aceclidine hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 19. Februar 2021 (PDF).
  2. As. Mullard: FDA grants first US approval for decades-old eye drug. In: nature.com. 7. August 2025, abgerufen am 21. August 2025 (englisch).
  3. Paul U. Fechner, Klaus D. Teichmann, W. Weyrauch: Accommodative Effects of Aceclidine in The Treatment of Glaucoma. In: American Journal of Ophthalmology. 1975, Band 79, Nummer 1, S. 104–106. doi:10.1016/0002-9394(75)90464-X.
  4. S. Decker-Izzo: Statt Lesebrille: Aceclidin-Augentropfen? - Deutsche Apotheker Zeitung. In: deutsche-apotheker-zeitung.de. 5. Mai 2025, abgerufen am 21. August 2025.
  5. Andrzej Grzybowski, Laura Kapitanovaitė, Reda Žemaitienė: An Updated Systematic Review of Pharmacological Treatments for Presbyopia. In: Advances in Ophthalmology Practice and Research. 2024, Band 4, Nummer 4, S. 220–225. doi:10.1016/j.aopr.2024.09.001.
  6. M. D. Mashkovskii, K. A. Zaitseva: On the pharmacology of 3-acetoxyquinuclidine (aceclidine). In: Farmakol Toksikol. Bd. 23, September-October, 1960, S. 398–406, PMID 13767763.
  7. M. D. Mashkovskii, K. A. Zaitseva: 3-Chinuclidinylacetat. In: Arzneimittel-Forschung. Band 18, 1968, S. 320.
  8. Vizz - Label (PDF-Datei), accessdata.fda.gov, abgerufen am 21. August 2025.