3,7-cm-Ballonabwehrkanone

3,7-cm-Ballonabwehrkanone


3,7-cm-Ballonabwehrkanone in Feuerstellung

Allgemeine Angaben
Entwicklungsjahr 1870
Produktionsstart 1870
Stückzahl 20[1]
Waffenkategorie Flugabwehrgeschütz
Technische Daten
Rohrlänge 1,96 m
Kaliber 3,7 cm
Kaliberlänge L/53
Höhenrichtbereich -5° bis + 90°[1] Winkelgrad
Seitenrichtbereich 360°
Ausstattung
Verschlusstyp Rundkeilverschluss mit Perkussionszündung[1]

Die deutsche 3,7-cm-Ballonabwehrkanone war das erste Flugabwehrgeschütz, damals noch als Luftballon-Geschütz,[2] Ballongeschütz[3] oder Ballonkanone[4] bezeichnet.

Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 wurde zwar der französische Kaiser bei Sedan gefangen, aber das Land kämpfte weiter – als Republik mit einer provisorischen Regierung. Ab Herbst 1870 begann die mehrmonatige Belagerung von Paris durch deutsche Truppen. In der französischen Hauptstadt wurden Ballone gefertigt, die mit einer „Pariser Ballonpost“ Personen und Nachrichten in das noch unbesetzte Frankreich brachten, um dort die Weiterführung des Krieges zu organisieren. Das deutsche Geschütz sollte diese Ballonfahrten unterbinden.

Entwicklung

Um die Ballonflüge in mehreren hundert Meter Höhe zu verhindern oder zu erschweren und größere Flughöhen zu erzwingen, begann die Friedrich Krupp AG mit der Entwicklung eines Geschützes, welches mit einem geplanten Baulos von zwanzig Stück aufgelegt wurde. Daraus entstand die 3,7-cm-Ballonabwehrkanone.[5][6][1]

Funktionsschema: Krupp’scher Rundkeil C/1866

Technische Beschreibung

Das Geschützrohr dieser Ballonkanone war 1,96 m lang. Zusammen mit dem Kolbenverschluss ergab sich eine Länge von 2,37 m. Das Geschützrohr wurde auf einer Pivotlafette aufgestellt und konnte damit um 360 Winkelgrad gedreht werden. Die Pivotlafette stand auf einer 100 × 58,2 cm breiten Bodenplatte, die mit dem Wagen verschraubt war. Der Laffettensockel des ersten gelieferten Geschützes konnte zum Transport mittig umgeklappt werden. Ab dem zweiten Geschütz war der Gusssockel einteilig mit eingeschobener Drehgelenkstange für den Lafettenkopf. Die 3,7-cm-Ballonabwehrkanone stand auf einem speziellen zweiachsigen Kutschenwagen, von dem alle Wände entfernt wurden. Lediglich am hinteren Ende gab es zwei Sitzplätze für einen Teil der Bedienmannschaft.[5][1]

„Das Geschütz selbst hat Laffette und Räder wie jedes andere Feldgeschütz und kann, da das Rohr nur ca. 150 Pfd. wiegt, von einem Mann mit der größten Leichtigkeit bedient werden. Der Zielpunkt läßt sich schnell nach jeder Richtung hin, sei es horizontal oder vertical, verändern. Die Kartusch besteht aus dem Geschoß – einer ungefähr 3 Pfd. wiegenden Granate, deren Zweck es ist, den mit Gas gefüllten Ballon beim Crepiren zur Explosion zu bringen – und der ca. 1½ Pfd. betragenden Pulverladung. In Bezug auf die Trag­weite des Geschützes wurde versichert, daß man damit einen Ballon auf 2000 Fuß Höhe erreichen kann, während es in horizontaler Lage ca. eine Meile weit trägt. Krupp hat der vor Paris stehenden deutschen Armee 20 Stück zum Geschenk gemacht, wovon eines bereits Anfangs vorigen Monats dahin abgesandt wurde und sechs in den nächsten Tagen dahin ab­gehen werden.“

Wiener Zeitung vom 12. Dezember 1870[3]

Einsatz

Pariser Ballonpost“: Der Ballon Le Neptune während der Belagerung von Paris 1870

Die Erfolge dieser ersten Ballonkanonen waren mäßig. Als einziger großer Erfolg konnten der Abschuss des Ballons Le Daguerre am 12. November 1870[7] bei Ferrières[8] und die Gefangennahme der Besatzung verbucht werden,[9] weil dieser durch geringe Windgeschwindigkeiten sehr langsam und tief flog.[10][11] Insgesamt kamen sechs der 3,7-cm-Ballonabwehrkanonen im Dezember 1870 bei Paris zum Einsatz.[5]

Aus zwei Gründen konnte sich die Waffe technisch nicht überzeugend bewähren. Zum einen war der Wagen, bespannt mit Zugtieren, nicht schnell genug, um die Ballons zu verfolgen. Außerdem waren die Kanonen nicht leistungsfähig genug, um größere Flughöhen der Ballons zu erreichen. Dennoch war die Anwesenheit der Ballonabwehrkanone ein moralischer Erfolg. Der General Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen schrieb in seinem Buch Aus meinem Leben:[6]

„Aber seitdem die Pariser in unseren Zeitungen gelesen hatten, dass von Krupp konstruierte Ballonkanonen vor Paris eingetroffen seien, wagten sie keine Ballons mehr am Tage abzulassen, und zu einer nächtlichen Ballonfahrt fand sich bald niemand mehr bereit. So haben diese Ballonkanonen doch etwas genutzt, obgleich der Versuch, damit zu schießen, fehlschlug.“

Als Treibladungspulver für Geschütze war bis zum Ende der 1880er-Jahre noch Schwarzpulver gebräuchlich. Nach der Einführung von rauchschwachen Pulvern wie Ballistit und Kordit wurden Geschütze technisch wesentlich weiter entwickelt, was unter anderem für Flugabwehrgeschütze größere Leistungen bei Höhen und Reichweiten ermöglichte.[12]

Verbleib

3,7-cm-Ballonkanone im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr

Bis zum Jahr 1940 waren noch vier Exemplare an folgenden Stellen dokumentiert: a) Bayerisches Armeemuseum München, b) Staatliches Zeughaus Berlin, c) Sächsisches Armeemuseum Dresden und d) im Bestand der Krupp-Werke.[1] Im 21. Jahrhundert sind noch zwei Exponate bekannt: a) im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden[13] und b) im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt.[14]

Commons: 3,7-cm-Ballonabwehrkanone – Sammlung von Bildern
  • Ballonkanone rechte Seitenansicht bei MHM-Dresden (zoombares Großbild).
  • Ballonkanone linke Seitenansicht bei Bayerisches Armeemuseum (zoombares Großbild).

Literatur

  • Hermann Wilhelm Ludwig Moedebeck: Die Luftschiffahrt. ihre Vergangenheit und ihre Zukunft, insbesondere das Luftschiff im Verkehr und im Kriege. 1. Auflage. Karl J. Trübner, Strassburg 1906, ISBN 3-11-112298-0 (Online – Internet Archive).
  • Alfred Muther: Das Gerät der leichten Artillerie, IV. Teil, Flugabwehrwaffen. Bernard & Graefe, Berlin 1929, DNB 36691832X.
  • Krupps Ballonkanone 1870. In: Karl R. Pawlas (Hrsg.): Waffen-Revue. Nr. 28. Journal-Verlag Schwend GmbH, 1978, ISSN 0344-9076, S. 4396–4398 (Online bei archive.org).
  • Oliver Stein, Ansgar Reiß: Krieg und Frieden. Militär in Bayern 1870–1914. Hrsg.: Bayerisches Armeemuseum Ingolstadt. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg i. Allgäu 2025, ISBN 978-3-95976-558-9.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Krupps Ballonkanone 1870. In: Karl R. Pawlas (Hrsg.): Waffen-Revue. Nr. 28. Journal-Verlag Schwend GmbH, Nürnberg 1978, S. 4396–4398.
  2. Krupp’s Luftballon-Geschütz. In: Oesterreichisch-militärische Zeitschrift / Neue Militärische Zeitschrift / Oesterreichische/Österreichische militärische Zeitschrift, Heft 1/1871, S. 128 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nmz
  3. a b Kriegschronik. In: Wiener Zeitung, 12. Dezember 1870, S. 6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz
  4. Ballonkanone. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 2: Astilbe–Bismarck. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1905, S. 309 (Digitalisat. zeno.org).
  5. a b c Oliver Stein, Ansgar Reiß: Krieg und Frieden. Militär in Bayern 1870–1914. Hrsg.: Bayerisches Armeemuseum Ingolstadt. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg i. Allgäu 2025, ISBN 978-3-95976-558-9, S. 272–273.
  6. a b Alfred Muther: Das Gerät der leichten Artillerie, IV. Teil, Flugabwehrwaffen. 1929, DNB 36691832X, S. 3.
  7. Ballonkanone. In: Luegers Lexikon der gesamten Technik. 2. Auflage. Band 1. Deutsche Verlags-Anstalt, Leipzig / Stuttgart 1904, S. 540 (Digitalisat. zeno.org).
  8. Aus Paris. (Ballonbrief.). In: Neues Fremden-Blatt, 17. Dezember 1870, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfb
  9. Ceipek: Der gegenwärtige Stand der Luftschiffahrt. In: Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens. XII. Jahrgang. R. von Waldheim, Wien 1881, S. 537 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 31. August 2025]).
  10. Daten und Geschichte des Ballons Le Daguerre (abgerufen am 25. November 2013)
  11. H. W. L. Moedebeck: Die Luftschiffahrt ihre Vergangenheit und ihre Zukunft insbesondere das Luftschiff im Verkehr und im Kriege. Karl. J. Trübner, Straßburg 1906, S. 129 (archive.org [abgerufen am 31. August 2025]).
  12. Schießpulver. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 17: Rio–Schönebeck. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1909, S. 761–765 (Digitalisat. zeno.org).
  13. Ballongeschütz von Krupp, mit Pivot-Lafette (1870) (Memento vom 2. Dezember 2013 im Internet Archive) bei MHM-Dresden.
  14. Ballonkanone. (Memento vom 10. September 2025 im Internet Archive) bei Bayerisches Armeemuseum.