Übergangsobjekt

Übergangsobjekt Teddybär

Ein Übergangsobjekt ist nach der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie von Donald Winnicott ein vom Säugling selbst gewähltes Objekt, das den (intermediären) Raum zwischen Kleinkind und Mutter einnehmen kann. Es ist meist ein materielles Objekt (Kuscheltier, Schmusedecke, Schmusetuch o. Ä.), das nach Winnicott dem Kind erlaubt, den Übergang von der ersten frühkindlichen Beziehung zur Mutter zu reiferen Beziehungen zu vollziehen. Häufig tritt dieses Phänomen im Alter von 4–12 Monaten auf.

Ein Übergangsobjekt kann nach Daniel Stern aber auch ein bestimmtes Wort sein, da es weder dem Selbst noch dem bedeutsamen Anderen wirklich angehört, sondern eine Mittelstellung zwischen beiden einnimmt.[1] Besonders die vom Kind selbst erzeugten Klänge und Geräusche können diese Funktion erfüllen.

Bedeutung für das Kind

Die Vorstellung (1) der Mutter im intermediären Raum zwischen Mutter (a) und Kind (b) wird durch das Übergangsobjekt (2) ersetzt.

Das Übergangsobjekt gehört zur äußeren Welt als erster „Nicht-Ich-Besitz“ des Säuglings und repräsentiert die frühe Mutter-Kind-Beziehung. Es stellt eine Verbindung zwischen der inneren und der äußeren Welt des Kindes dar und wird mit subjektiven Inhalten gefüllt. Das bedeutet, es wird nach den Bedürfnissen der inneren Vorstruktur des Säuglings geschaffen und repräsentiert seine sozialen Erwartungen. Hat ein Kind z. B. ein Kuscheltier als Übergangsobjekt, so gibt es ihm die Eigenschaften der Mutter, die es gerade braucht, als ob das Kuscheltier lebendig wäre. Abgesehen von den Inhalten, die dem Kuscheltier somit zugeschrieben werden, bleibt es aber auch ein realer Gegenstand und ist darum gleichzeitig ein inneres wie äußeres Objekt. Es wird erschaffen als vorübergehender Ersatz für die abwesende Mutter, um sie zu vertreten: In Zuständen des Alleinseins zieht sich der Säugling mit Hilfe des Übergangsobjektes auf den „virtuellen Anderen“ zurück.

Entwicklungspsychologische Sicht

Etwa ab dem 6. Lebensmonat (laut Winnicott beginnend ab frühestens dem 4. bis spätestens ab dem 12. Monat) ist das Übergangsobjekt bedeutungsvoll, wobei ihm später nach und nach die Besetzungen entzogen werden und es so im Laufe der Zeit an Bedeutung verliert.

Aus der Beschäftigung mit dem Übergangsobjekt entwickelt sich das Spielen und das spätere kreative und schöpferische Handeln während des Prozesses der Reifung auf dem Weg zum Selbst.

Übergangsobjekte im Erwachsenenalter

Auch im Erwachsenenalter können Übergangsobjekte eine fortbestehende emotionale Bedeutung haben und als Quelle von Sicherheit und Kontinuität dienen. Fragebogenstudien zeigen, dass zahlreiche Erwachsene an Objekten aus der Kindheit festhalten und diese mit positiven Erinnerungen sowie einem Gefühl von Identitätskontinuität verbinden.[2] Neuere Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass eine stärkere Bindung an solche Objekte mit höherem Stressniveau und Defiziten in der Emotionsregulation korreliert. Zugleich deuten experimentelle Daten darauf hin, dass die taktile Interaktion mit einem solchen Objekt akute Stressregulation physiologisch erleichtern kann.[3] Besonders ausgeprägt ist die emotionale Relevanz von Übergangsobjekten bei Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung: Studien zeigen sowohl neurophysiologische Besonderheiten in der Reaktion auf solche Objekte[4] als auch einen statistischen Zusammenhang mit Bindungsstörungen, Gewalt- und Missbrauchserfahrungen und erhöhter Symptomschwere.[5]

Siehe auch

Literatur

  • Donald W. Winnicott: Vom Spiel zur Kreativität, Stuttgart: Klett-Cotta 2006 (11. Aufl.), ISBN 978-3-608-95376-3
  • Donald W. Winnicott: Übergangsobjekte und Übergangsphänomene. Eine Studie über den ersten, nicht zum Selbst gehörenden Besitz, zuerst als Vortrag 1951, dann engl. 1953; dt. in: Psyche Nr. 23, 1969
  • Daniel Stern: Die Lebenserfahrung des Säuglings, Stuttgart: Klett-Cotta 2007 (9., erw. Auflage), ISBN 978-3-608-94485-3
  • Jean Laplanche, Jean-Bertrand Pontalis: Das Vokabular der Psychoanalyse, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1973, S. 548 f.
  • Michael Anne: Das Winnicott’sche Übergangsobjekt als entwicklungspsychologischer Marker eines „zweiten Individuationsprozesses“, Leipzig, Univ.-Diss. 1999
  • D. Niedecken: Einsätze, Material und Beziehungsfigur im musikalischen Produzieren, Hamburg: VSA 1988, ISBN 978-3-87975-432-8

Einzelnachweise

  1. Daniel Stern: Die Lebenserfahrung des Säuglings, Stuttgart: Klett-Cotta 2007 (9., erw. Auflage), ISBN 978-3-608-94485-3.
  2. Georgia Withwham: Not so transitional objects: The extent to which relationships with transitional objects continue into adulthood. In: British Psychological Society. Juni 2023, abgerufen am 13. September 2025 (englisch).
  3. Cheng-Hung Ko, Yong-Ting Liang, Yu-Chi Liao, Hui-Fang Chen: Exploring the Relationship Between Transitional Object Attachment and Emotion Regulation in College Students. In: Frontiers in Psychology. 29. Dezember 2024, abgerufen am 13. September 2025 (englisch).
  4. Markus Kiefer, Ute Neff, Markus M. Schmid, Manfred Spitzer, Bernhard J. Connemann, Carlos Schönfeldt-Lecuona: Brain activity to transitional objects in patients with borderline personality disorder. In: Scientific Reports. 13. Oktober 2017, abgerufen am 12. September 2025 (englisch).
  5. Jill M. Hooley, Molly Wilson-Murphy: Adult attachment to transitional objects and borderline personality disorder. In: Journal of Personality Disorders. April 2012, abgerufen am 12. September 2025 (englisch).