Örterbau

Der Örterbau ist eine Abbaumethode, die bei flözartigen Lagerstätten angewendet wird.[1] Diese Methode wird immer dann eingesetzt, wenn einzelne Teile des Hangenden nicht zu Bruch gehen dürfen.[2] Der Örterbau wurde bereits in einfacher Form im 15. Jahrhundert beim Erzbergbau im Rammelsberg eingesetzt.[3] Auch in den Bergrevieren des Unterinntales wurde die Methode unter Zuhilfenahme der Feuersetztechnik angewendet.[4] Der Name Örterbau wird abgeleitet aus dem Streckenvortrieb, da bei diesem Abbauverfahren die Abbauräume wie breit aufgefahrene Ortsvortriebe aussehen.[5] Der Örterbau wird im amerikanischen Steinkohlenbergbau bei Flözen mit geringer Mächtigkeit eingesetzt.[6] Aber auch im japanischen und im britischen Kohlenbergbau wurde dieses Abbauverfahren angewendet.[7] Auf den Kalibergwerken des Werragebietes war der Örterbau das dominierende Abbauverfahren.[1]

Grundlagen

Bei Lagerstätten, die im Tiefbau abgebaut werden, und bei denen das Deckgebirge nicht genügend mächtig ist, kann es zu Tagesbrüchen kommen, wenn die Lagerstätte komplett ausgebeutet und nicht wieder verfüllt wird.[5] Aus diesem Grund wird die Lagerstätte nicht ganz ausgebeutet, sondern es werden einzelne Lagerstättenpfeiler stehen gelassen.[8] Diese Pfeiler werden als Bergfesten oder bei steilstehenden Lagerstätten als Schweben bezeichnet.[5] Die Abmessungen dieser unverritzt stehen gelassenen Lagerstättenteile (Pfeiler) und der Abstand der Pfeiler untereinander hängen von der Mächtigkeit des überlagernden Gebirges und von der Druckfestigkeit des abgebauten Minerals ab.[9] Um die Stützwirkung der Pfeiler zu verbessern, kann zusätzlich Versatz in die Abbauräume eingebracht werden.[5] Eine weitere Methode ist das Erstellen von trocken gemauerten Pfeilern,[ANM 1] durch die die Bergfesten ersetzt werden können.[10] Die Abbaurichtung ist beim Örterbau streichend oder schwebend.[1] Die Verhiebrichtung verläuft hierbei in Richtung der Streckenachse.[3] Da bei diesem Abbauverfahren ein großer Teil der Lagerstätte nicht abgebaut und somit geopfert wird, entstehen hierbei auch große Abbauverluste.[11] Um diese zu verringern, werden bei Lagerstätten mit genügendem Deckgebirge die ausgebeuteten Bereiche mit Bergeversatz verfüllt und im Anschluss daran werden die Pfeiler ebenfalls abgebaut.[8] Bei ausreichend standfestem Gebirge lassen sich die noch vorhandenen untertägigen Hohlräume, nach Beendigung des Bergbaus, als Speicherkavernen für unterirdische Pumpspeicherkraftwerke nutzen.[12]

Das Abbauverfahren

Grundsätzliche Bauweise

Zunächst werden im Flöz je nach Breite eine oder mehrere Flözstrecken aufgefahren.[13] Die Flözstrecken werden genauso hoch aufgefahren, wie die Flözmächtigkeit ist.[7] Die Strecken haben in der Regel eine Länge von 50 bis 100 Meter und eine Breite von mindestens drei Metern und maximal sechs Metern.[7] Aus diesen Flözstrecken werden im rechten Winkel die Örter parallel zueinander aufgefahren.[5] Um die Bewetterung der Örter zu gewährleisten, werden in den Pfeilern in Abständen von etwa 40 Metern Verbindungen („Wetterquerhiebe“) hergestellt.[5] Nicht benötigte Hohlräume werden mit Versatz gefüllt.[10] Die Form und Ausdehnung der Örter wird im Vorfeld genau berechnet und geplant. Bei einem Einfallen von weniger als fünf Gon werden die Örter zu beiden Seiten der Flözstrecken aufgefahren. Bei größerem Einfallen werden die Örter nur einseitig aufgefahren.[7] Die Abstände der einzelnen Örter zueinander und die Breite der dazwischen liegenden Pfeiler hängt stark von der Beschaffenheit des Deckgebirges ab. Das Verhältnis von Streckenbreite zu Pfeilerbreite liegt zwischen 6 zu 14 und 4,5 zu 15,5.[5] Bedingt durch diese Bauweise kommt es zu Abbauverlusten von bis zu 70 bis 80 Prozent.[9]

Örterpfeilerbau

Prinzip des Örterpfeilerbaus

Um die Abbauverluste zu verringern, werden Teile der Pfeiler mit abgebaut.[2] Dies geschieht, indem in den Pfeilern in regelmäßigen Abständen Durchhiebe erstellt werden.[11] Diese Methode wird als Örterpfeilerbau bezeichnet.[7] Die Pfeiler können dabei eine länglich rechteckige, eine rhombische oder auch eine quadratische Form haben.[14] Zur Firstsicherung werden zusätzliche Anker in das Deckgebirge eingebracht.[15] Damit keine zu große Hangendflächen offen bleiben, werden die Örter nach Möglichkeit so miteinander verbunden, dass möglichst keine Kreuzungen entstehen.[10] Die Pfeiler werden hierbei so erstellt, dass sie jeweils untereinander versetzt sind.[16] Bei quadratischen Pfeilern entsteht so ein schachbrettartiges Muster.[15] Die Pfeiler und die Hohlräume haben hierbei in der Regel gleiche Abmessungen.[10] Vom Schachbrettbau spricht man aber auch, wenn Pfeiler und Hohlräume keine gleichen Abmessungen haben.[5] Im amerikanischen Bergbau wird diese Bauweise als „room and pillar“ Mining bezeichnet.[15] Die Abbauverluste betragen bei dieser Bauweise im Idealfall 50 Prozent.[13] Allerdings wird dieser Wert in der Praxis nicht erreicht, da zwischen den Abbauräumen auch Förderstrecken zwischen den Pfeilern erstellt werden müssen.[5]

Örterpfeilerbruchbau

Werden die Festen zwischen den Örtern ebenfalls abgebaut, bezeichnet man das Abbauverfahren als Örterpfeilerbruchbau. Die Pfeiler werden dann im Rückbau abgebaut. Zwischen den 6 Meter breiten Örtern liegen dabei 11 Meter breite Pfeiler, die dann durch 6 Meter breite Durchhiebe ebenfalls abgebaut werden. Zum Schutz der Ortsbelegschaft wird ein 0,5–1,5 Meter breites Kohlenbein stehen gelassen. Die Firste wird oftmals zur Sicherung durch Ankerausbau abgefangen. Bei einer anderen Variante werden an der Bruchkante sogenannte Bruchstempel gesetzt, die dann zur Sicherung stehen bleiben. Nach dem Rauben des übrigen Ausbaus wird der entsprechende Pfeilerabschnitt zu Bruch geworfen. Dieses Zubruchwerfen wird unter Wahrung einer Bruchlinie planmäßig durchgeführt. Durch dieses Verfahren werden die Abbauverluste von etwa 50–60 % auf 10–20 % gesenkt.[7]

Mechanisierung

Vortrieb bei einem geringmächtigen Flöz

Beim Örterbau ist die Gewinnung weitgehend mechanisiert.[15] Zum Bohren werden Bohrwagen und zum Laden des Haufwerks nach den Sprengarbeiten werden Lademaschinen eingesetzt.[17] Im Kohlenbergbau werden zur Hereingewinnung der Kohle fahrbare Schrämmaschinen verwendet. Im amerikanischen Bergbau haben vollmechanisch schneidende Gewinnungsmaschinen, wie der Continuous Miner, eine weite Verbreitung.[7] Mit diesen Maschinen werden im Örterbau bei Flözen mit Mächtigkeiten unter einem Meter mit einer relativ kleinen Ortsbelegschaft Schichtleistungen von 400 Tonnen Kohle und mehr erzielt. Dabei werden Untertageleistungen von 10 bis 30 Tonnen je Mann und Schicht erzielt.[7] In geringmächtigen Flözen mit bis zu 1,5 Metern Mächtigkeit werden oftmals batteriegetriebene Gleislosfahrzeuge eingesetzt.[18] Zum Abtransport der Kohlen werden pendelnde Fördermittel eingesetzt, sogenannte Shuttle Cars, die mit gleisloser Wagenförderung ausgerüstet sind.[19] Da der Continuous Miner die hereingewonnene Kohle nur begrenzt zwischenbunkern kann, werden zur Steigerung der Produktivität in einigen Gruben kontinuierliche Fördermittel eingesetzt. Diese kontinuierlichen Fördersysteme bestehen aus mehreren elf Meter langen Brückenförderern, die gelenkig miteinander verbunden sind.[14]

Einzelnachweise

  1. a b c Carl Hellmut Fritzsche: Lehrbuch der Bergbaukunde. Mit besonderer Berücksichtigung des Steinkohlenbergbaus. Erster Band, siebente Auflage, mit 576 Abbildungen im Text und einer farbigen Tafel, Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 1938, S. 436, 437.
  2. a b Helmut Schaefer (Hrsg.): VDI-Lexikon Energietechnik. Springer-Verlag Berlin-Heidelberg GmbH, Berlin 1994, ISBN 3-642-95749-8, S. 1, 2.
  3. a b Förderverein Rammelsberger Bergbaumuseum Goslar e. V. (Hrsg.): Erzabbau im Rammelsberg. Eigenverlag des Fördervereins, Druck Papierflieger Clausthal-Zellerfeld, Goslar 2009, S. 22–24.
  4. Manuel Scherer-Windisch: Die Anwendung der Feuersetztechnik in den Bergbaurevieren des Unterinntales. Dokumentation und Analyse. Masterarbeit an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Innsbruck 2017, S. 33.
  5. a b c d e f g h i F. Heise, F. Herbst: Lehrbuch der Bergbaukunde mit besonderer Berücksichtigung des Steinkohlenbergbaus. Erster Band, Verlag von Julius Springer, Berlin 1908, S. 411–414.
  6. Artur Dyczko: Bolter Miner Machine for Driving Roadway Workings. Polish Experience. Monograph, Instytut Techniki Gorniczej KOMAG, Gliwice 2021, ISBN 978-83-65593-26-9, S. 7–9, 66–68.
  7. a b c d e f g h Carl Hellmut Fritzsche: Lehrbuch der Bergbaukunde. Zweiter Band, 10. Auflage, Springer Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1962
  8. a b Emil Stöhr, Emil Treptow: Grundzüge der Bergbaukunde einschließlich der Aufbereitung. Als zweite Auflage des Katechismus der Bergbaukunde. Mit 230 in den Text gedruckten Abbildungen, Spielhagen & Schurich Verlagsbuchhandlung, Wien 1892, S. 120, 121.
  9. a b Fritz Heise, Fritz Herbst: Kurzer Leitfaden der Bergbaukunde. Mit 334 Textfiguren. Verlag von Julius Springer, Berlin/Heidelberg 1914, S. 89, 90.
  10. a b c d Gustav Köhler: Lehrbuch der Bergbaukunde. Mit 823 Holzschnitten und 6 Lithographirten Tafeln. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1884, S. 269, 270.
  11. a b Albert Serlo: Leitfaden zur Bergbaukunde. Erster Band, Vierte verbesserte und bis auf die neueste Zeit ergänzte Auflage. Mit 745 in den Text gedruckten Holzschnitten und 32 lithodraphirten Tafeln, Verlag von Julius Springer, Berlin 1884, S. 567–569.
  12. Hans-Peter Beck (Hrsg.), Jens zum Hingst (Hrsg.): Energie- und Wasserspeicher Hatz - Kopplung nachhaltiger Systemdienstleistungen zur Energiespeichering, zum Hochwasserschutz und zur Ressourcensicherung (EWAZ). Schriftenreihe des Energie-Forschungszentrums Niedersachsen. Band 77, Abschlussbericht, 1. Auflage, Cuvillier Verlag, Göttingen 2023, ISBN 978-3-7369-7875-1, S. 74, 75.
  13. a b Moritz Ferdinand Gätzschmann: Vollständige Anleitung zur Bergbaukunst. Dritter Theil; Die Gewinnungslehre. Nebst 11 Steindrucktafeln, Verlag von J. G. Engelhardt, Freiberg 1846, S. 417–419.
  14. a b Eric Drüppel: Entwicklung eines Konzeptes für die schneidende Gewinnung im Steinsalz. Dissertation an der Fakultät für Georessourcen und Materialtechnik der Rheinisch -Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Aachen 2010, S. 30–33.
  15. a b c d Wirtschaftsvereinigung Bergbau e. V.: Das Bergbau Handbuch. 5. Auflage, Verlag Glückauf GmbH, Essen, 1994, ISBN 3-7739-0567-X, S. 46, 47.
  16. Gustav Köhler: Lehrbuch der Bergbaukunde. Sechste verbesserte Auflage, Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig 1903, S. 329.
  17. Heinrich Otto Buja: Ingenieurhandbuch Bergbautechnik, Lagerstätten und Gewinnungstechnik. 1. Auflage, Beuth Verlag GmbH Berlin-Wien-Zürich, Berlin 2013, ISBN 978-3-410-22618-5, S. 515, 516.
  18. Heinz M. Hiersig: Lexikon Maschinenbau. VDI Verlag, 1997, ISBN 3-540-62133-4.
  19. Coal Glossary. (PDF-Datei; 39 kB) Archiviert vom Original am 19. November 2011; abgerufen am 11. August 2013 (amerikanisches Englisch).

Anmerkungen

  1. In der Regel hatten die Pfeiler eine Stärke von 17 bis 18 Quadratmetern. Je nach Beschaffenheit des Hangenden wurden die Pfeiler auch größer dimensioniert. (Quelle: Gustav Köhler: Lehrbuch der Bergbaukunde.)