Ökogas
Ökogas, auch bekannt als klimaneutrales Gas, Grünes Gas, Erneuerbares Gas oder CO2-neutrales Gas, ist eine umstrittene Bezeichnung für eine Form von Erdgas, die entweder durch Beimischung von Biomethan oder durch Kompensation der CO2-Emissionen als umweltfreundlich vermarktet wird.
Definition
Ökogasangebote sind spezielle Tarife für Endverbraucher, die je nach Gestaltung verschiedene ökologische Standards erfüllen und dementsprechend unterschiedlich vermarktet werden. Sie bedienen das Bedürfnis der Kunden nach umweltfreundlichen Produkten und ersetzen konventionelle Gasangebote.[1][2]
In Deutschland ist der Begriff „Ökogas“ nicht gesetzlich definiert. Im Gegensatz zur Stromkennzeichnung, die klar regelt, wie Strom gekennzeichnet werden muss, fehlt es bei Ökogas an einer gesetzlichen Grundlage zur Begriffsdefinition. In Österreich gibt es mit der Gaskennzeichnungsverordnung[3] und dem Gaswirtschaftsgesetz[4] vorgeschriebene Standards.[5][6]
Auf dem Gasmarkt bieten Lieferanten verschiedene Gasprodukte an, die als umweltfreundliche Alternativen gelten.[7]
Kompensation
Die verbrennungsbedingten CO2-Emissionen des Erdgasanteils werden durch Investitionen in zertifizierte Klimaschutzprojekte ausgeglichen.[8] Diese Projekte tragen zur Emissionsreduktion bei und fördern gleichzeitig nachhaltige Entwicklungsziele weltweit. Durch den Erwerb von Emissionszertifikaten oder die direkte Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern tragen sie zur globalen Klimabilanz bei.
Beimischung von Biomethan
Ein kleiner Teil (5%-10%) des Ökogases besteht aus Biomethan, das aus organischen Rest- und Abfallstoffen gewonnen wird.[9] Dies geschieht durch Vergärung von Biomasse, wie Bioabfällen und landwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Mais, Raps und Gülle. Der Vergärungsprozess ist umweltfreundlich und trägt zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen bei, da das entstehende Biomethan CO2-neutral ist: Das bei der Verbrennung freigesetzte CO2 wurde während des Wachstums der organischen Stoffe aufgenommen.
Synthetisches Gas aus Erneuerbaren Quellen
Wird im Prozess Power-to-Gas Strom aus Erneuerbaren Energien eingesetzt ist diese Art von Gas CO2-Neutral.[10]
Siehe auch: Grüner Wasserstoff und Grünes Methan
Geplante Grüngasquote
CDU/CSU und SPD haben in den Sondierungen zu den Koalitionsverhandlungen 2025 die Idee einer Grüngasquote aufgegriffen.[11] Nach den abgeschlossenen Sondierungen wurde die Grüngasquote in den Koalitionsvertrag aufgenommen.[12] Diese sieht vor, dass Erdgas-Inverkehrbringer zur schrittweisen Verwendung neuer Gase verpflichtet werden. Anrechenbare neue Gase sind in diesem Konzept:
- Biomethan
- Grüner Wasserstoff
- synthetisches Methan
- oranger Wasserstoff
- blauer Wasserstoff
- türkiser Wasserstoff
Die Quotenverpflichtung basiert auf der Menge des beschafften Gases und soll sektorübergreifend gelten. Die Erfüllung der Quote muss jährlich sichergestellt werden, wobei die Nichteinhaltung eine Pönale zur Folge hat.[13]
Zertifizierung
Vereinzelt gibt es ähnlich wie bei Ökostrom-Labeln auch zertifiziertes Ökogas.[14] Die Zertifizierung von Ökogas-Produkten ist umstritten.[2] Der Start eines Gas-Herkunftsnachweisregister ist im Jahr 2026 geplant. Gesetzliche Grundlage ist die Gas-Wärme-Kälte-Herkunftsnachweisregister-Verordnung.[15]
Kritik
Das Recherchenetzwerk Correctiv deckte im April 2024 in einer umfangreichen Recherche auf, dass der Großteil von rund 150 untersuchten „Ökogas“-Tarifen nicht ausreichend kompensiert wird. Die CO2-Gutschriften oder Klimaschutzprojekte, an die die Gelder der Gasversorger fließen, reduzieren keine oder weniger Emissionen als versprochen. Die Anbieter brechen damit ihre Werbeversprechen und die Tarife haben kaum einen Klimavorteil gegenüber herkömmlichen Erdgastarifen.[16]
In der Werbung werden Ökogas-Produkte stellenweise mit den Begriffen klimaneutral, CO2-neutral oder klimapositiv genutzt. Dies wurde im Juli 2024 von der Deutschen Umwelthilfe als irreführende Werbung kritisiert.[17]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Uwe Leprich, Patrick Hoffmann, Martin Luxenburger: Zertifikate im Markt der Erneuerbaren Energien in Deutschland. In: Marketing Erneuerbarer Energien: Grundlagen, Geschäftsmodelle, Fallbeispiele. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-04968-3, S. 203–239, doi:10.1007/978-3-658-04968-3_9 (springer.com [abgerufen am 1. März 2025]).
- ↑ a b Uta Weiß, Sebastian Blömer, Dr. Martin Pehnt: Ökologische Bewertung von Ökogas-Produkten. Hintergrundpapier für den EnergieVision e.V. ifeu-Institut für Energie- und Umweltforschung, 20. Dezember 2013, abgerufen am 27. Februar 2025.
- ↑ Gaskennzeichnungsverordnung. In: Rechtsinformationssystem des Bundes. Bundeskanzleramt der Republik Österreich, 1. Januar 2024.
- ↑ Gaswirtschaftsgesetz. In: Rechtsinformationssystem des Bundes. Bundeskanzleramt der Republik Österreich, 28. Juli 2021.
- ↑ Gaskennzeichnung. E-Control, abgerufen am 27. Februar 2025.
- ↑ E-Control: Musterrechnung Gas. (PDF) E-Control, 31. Dezember 2024, S. 6, abgerufen am 4. März 2025.
- ↑ Ina Rüdenauer, Dominik Seebach: Ökologische Bewertung der Beschaffung von ökologischen Gasprodukten (Biomethan, Kompensationsgas, synthetisches Gas) durch öffentliche Auftraggeber. (PDF) Diskussionspapier im Auftrag der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz des Landes Berlin. Öko-Institut e.V., 18. Oktober 2017, S. 6, abgerufen am 1. März 2025: „Begriffsbestimmung Ökogas: Erdgas ist ein fossiler Energieträger mit den entsprechenden Treibhausgasemissionen bei der Gewinnung, beim Transport sowie bei der Verbrennung. Auf dem Gasmarkt werden derzeit verschiedene Gasprodukte als ökologische Alternativen angeboten, die in drei Kategorien eingeteilt werden können“
- ↑ Uwe Leprich, Patrick Hoffmann, Martin Luxenburger: Zertifikate im Markt der Erneuerbaren Energien in Deutschland. In: Marketing Erneuerbarer Energien: Grundlagen, Geschäftsmodelle, Fallbeispiele. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-04968-3, S. 223, doi:10.1007/978-3-658-04968-3_9 (springer.com [abgerufen am 3. März 2025]): „Erdgasprodukte, bei denen die verbrennungsbedingten Treibhausgasemissionen durch Emissionszertifikate aus Klimaschutzprojekten kompensiert werden (vgl. Infokästchen „CO2-Zertifikate“). Bei diesen Produkten wird die Anzahl an Emissionsberechtigungen erworben und entwertet, die der Emissionsmenge entspricht, die beim Verbrauch des Produkts erzeugt wird. Bezeichnungen sind hier „Kompensationsgas“, „Ökogas“, „Klimagas“ oder „Naturgas“.“
- ↑ Uwe Leprich, Patrick Hoffmann, Martin Luxenburger: Zertifikate im Markt der Erneuerbaren Energien in Deutschland. In: Marketing Erneuerbarer Energien: Grundlagen, Geschäftsmodelle, Fallbeispiele. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-04968-3, S. 203, doi:10.1007/978-3-658-04968-3_9 (springer.com [abgerufen am 3. März 2025]): „Gasprodukte, denen ein Anteil regenerativ erzeugten Gases aus Abfällen oder nachwachsenden Rohstoffen beigemischt wird. Solche Gasprodukte werden, auch wenn der Anteil an regenerativ erzeugtem Gas tatsächlich in der Regel nur 5 bis 10 % beträgt (Energie & Management 2013), meist mit dem Präfix „Bio“ versehen, z. B. „Biogas“, „Biomethan“ oder „Bio-Erdgas“.“
- ↑ Frank Graf, René Schoof, Markus Zdrallek (Hrsg.): Power-to-Gas: Grundlagen - Konzepte - Lösungen (= gwf Edition). 1. Auflage. Vulkan Verlag, Essen 2021, ISBN 978-3-8356-7445-5, S. 350–366 (dnb.de [abgerufen am 5. März 2025]).
- ↑ Ergebnisse der Sondierungen von CDU, CSU und SPD. In: https://www.spd.de/regierungsbildung. SPD, 8. März 2025, S. 4, abgerufen am 20. März 2025.
- ↑ Verantwortung für Deutschland. (PDF) Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 21. Legislaturperiode. In: https://www.koalitionsvertrag2025.de/. CDU, CSU, SPD, 10. April 2025, S. 6, abgerufen am 14. April 2025: „Wir wollen als marktgerechtes Instrument Leitmärkte für klimafreundliche beziehungsweise klimaneutrale Produkte schaffen, zum Beispiel durch Quoten für die emissionsarme Herstellung von Stahl, eine Grüngasquote oder vergaberechtliche Vorgaben.“
- ↑ Positionspapier Grüngasquote. (PDF) Einen wirksamen Anreiz für den Hochlauf neuer Gase schaffen. DIE GAS- UND WASSERSTOFFWIRTSCHAFT, 19. März 2024, S. 2, abgerufen am 20. März 2025 (deutsch).
- ↑ Uwe Leprich, Patrick Hoffmann, Martin Luxenburger: Zertifikate im Markt der Erneuerbaren Energien in Deutschland. In: Marketing Erneuerbarer Energien: Grundlagen, Geschäftsmodelle, Fallbeispiele. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-04968-3, S. 224, Tab 9.2, doi:10.1007/978-3-658-04968-3_9 (springer.com [abgerufen am 3. März 2025]): „Grünes Gas-Label, Bio-Erdgas, Produkt GM, Klimaneutrale Gasverbrennung“
- ↑ Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Gas-Wärme-Kälte-Herkunftsnachweisregister-Verordnung In: gesetze-im-internet.de.
- ↑ Stella Hesch, Gesa Steeger, Max Donheiser, Simon Wörpel: Die Ökogas-Lüge. In: correctiv.org. CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft gemeinnützige GmbH, 16. April 2024, abgerufen am 27. Februar 2025.
- ↑ Neue juristische Verfahren gegen Verbrauchertäuschung durch Gasversorger: Deutsche Umwelthilfe geht gegen angeblich „klimaneutrales“ und „klimakompensiertes“ Erdgas vor. Pressemitteilung. Deutsche Umwelthilfe e.V., 19. Juli 2024, abgerufen am 27. Februar 2025.